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Es läuft die 17. Minute, ein langer Ball vor das Tor, der Keeper stürmt heraus, Dub­lins Angreifer Ber­nard Brogan schraubt sich hoch, ein Luft­kampf, eine kurze Berüh­rung, der Ball springt über die Linie. In theeere… and it’s in the net“, ruft der Kom­men­tator. 82 000 Zuschauer im Dub­liner Croke Park rasen, über 120 Dezibel werden gemessen. Es ist das Finale im Gaelic Foot­ball, Dublin gegen Mayo, das All-Ire­land“.

Gaelic Foot­ball, das ist eine auf den ersten Blick wirr anmu­tende Mixtur aus Fuß­ball, Hand­ball und Rugby. Es gibt Schüsse aufs Tor wie beim Fuß­ball, Zuspiele mit der Hand und eine gehö­rige Por­tion Härte in den Zwei­kämpfen. Frei nach dem Motto: Alles kann, nichts muss.“ Doch was zuerst bizarr erscheint, ergibt bei genauerem Hin­sehen durchaus einen Sinn, zum Bei­spiel bei den Toren. Drei Punkte gibt es, wenn der Ball im Tor landet, einen, wenn er durch die Stangen dar­über fliegt. Bro­gans Treffer nach dem Luft­kampf bringt einen neuen Spiel­stand: Dublin 1 – 01, Mayo 0 – 04. Dublin einmal ins Tor, einmal drüber (vier Punkte); Mayo viermal drüber. Die spe­zi­elle Arith­metik ergibt: Aus­gleich, 4:4. Come on you boys in blue“, rufen Dub­lins Fans im Sta­dion und im Pub.

Tickets sind wie Gold­staub

Der über­tra­gende Fern­seh­sender erreicht eine Ein­schalt­quote von über 70 Pro­zent. Selbst die eigene Beer­di­gung würde hier nicht als Ent­schul­di­gung akzep­tiert, sollte jemand das Match ver­passen. Tickets für dieses Spiel sind wie Gold­staub“, sagt Pádraig Brogan, ein Ire aus Mün­chen.

Seit 1887 wird die All-Ire­land Cham­pi­on­ship aus­ge­spielt. Der Ver­band GAA leitet 32 Coun­ties, also Bezirke, mit über 2200 Klubs. Jeder vierte Ire ist Mit­glied im GAA. Von Mai bis Sep­tember ermit­teln die Coun­ties in K.O.-Spielen die beiden Fina­listen, über 1,5 Mil­lionen Zuschauer strömen ins­ge­samt zu diesen Spielen. Es ist so, als würden die Lan­des­li­gisten Deutsch­lands den DFB-Pokal aus­spielen.

Zum Finale reisen Iren aus aller Welt an, Bauern strei­chen ihre Schafe in den Farben ihres Teams. Roy Keane, die Legende von Man United, hält das Finale für das größte Sport­er­eignis der Welt, größer als jedes WM-Finale“. Dieses Jahr schafften es Mayo und Dublin. Begleitet vom Roar“ auf den Rängen, dem extremen Geräusch­pegel, rennen Mayos Spieler nur Sekunden nach dem Aus­gleich aufs Tor. Es ist ein stän­diges Hin und Her. Das Wort Gegen­pres­sing“ reicht dafür längst nicht mehr aus.

Dagegen wirken selbst die Akteure der Pre­mier League wie Boule-Spieler auf Valium. Die Spieler halten aus allen Lagen drauf, Vol­ley­schüsse en masse. Man könnte meinen, Bernd Dr. Hammer“ Nickel hätte das Spiel erfunden. Der Sport ist schnell, hart, kör­per­be­tont, aber erfor­dert auch Geschick, zum Bei­spiel beim Fangen und Schießen“, sagt Niall McCorley vom Mün­chener Gaelic-Foot­ball-Verein Munich Colm­cilles“. Reißen, schubsen, schlagen – in den Zwei­kämpfen ist bis zu einem gewissen Grad alles erlaubt. Kurzum: Blut fließt beim Gaelic Foot­ball eigent­lich immer.



Die Spieler ver­dienen keinen Cent

Ste­phen Cluxton ist der Tor­wart von Dublin und der etat­mä­ßige Frei­stoß­schütze. Keiner zir­kelt den Ball mit solch einer Wucht und Prä­zi­sion zwi­schen die Stangen. In der 27. Minute trifft er, doch Dublin liegt weiter zurück. Cluxton ist ein Held in Irland, 2011 erzielte er mit einem Frei­stoß in der Nach­spiel­zeit den ent­schei­denden Treffer zum Titel­ge­winn. Doch in den Tagen nach dem Finale wird er wieder zur Schule gehen. Er ist Bio­lo­gie­lehrer an einer Secon­dary School. Gäli­scher Fuß­ball ist Ama­teur­sport, die Spieler gehen einer gere­gelten Arbeit nach. Schwer zu glauben, wenn man die aus­trai­nierten Ath­leten über den Platz rennen sieht. Es ist ein enorm phy­si­scher Sport, Trai­ning und extreme Fit­ness sind zwin­gend Vor­aus­set­zungen.

Trotzdem: Die Spieler bekommen kein Gehalt, wenn sie für ihr County Kopf und Kragen ris­kieren und fast alles dem Sport unter­ordnen. Was in anderen Sport­arten an Iden­ti­fi­ka­tion ver­loren geht, ist in der GAA gelebte Rea­lität: Spieler tragen stolz das Trikot ihrer Mann­schaft. Das ist wie ein Stam­mes­kult. Die Spieler reprä­sen­tieren ihr County. Jeder Fan kennt einige Spieler per­sön­lich oder ist sogar mit ihnen ver­wandt “, sagt Niall McCorley von den Colm­cilles“, dem Münch­nener Gaelic-Foot­ball-Klub, der seit 2001 exis­tiert. Spie­ler­wechsel gibt es inner­halb Irlands nicht, kein Verein kann die großen Stars der Gegner abwerben. Gerade wegen dieser Eigen­schaften ist Gaelic Foot­ball in Irland der mit Abstand belieb­teste Sport.