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Itze hatte eine Frisur, mit der er es in jede Glam-Rock-Band der mitt­leren sieb­ziger Jahre geschafft hätte. Die Haare einer­seits so auf­ge­stellt wie später Mike Werner von Hansa Ros­tock, das jedoch in Kom­bi­na­tion mit einer leichten Innen­rolle, wie sie Brian Con­nolly, der Sänger von The Sweet“, populär gemacht hatte. Auch ansonsten war Itze so sehr der Ball­room Blitz, wie man zu der Zeit in Herne sein konnte, denn er trug Schlag­hosen und hatte Pla­teau­schuhe. Wobei Letz­teres viel­leicht auch mit seiner Kör­per­größe zu tun hatte. Vor allem aber konnte er echt gut Fuß­ball spielen. 

So gut, dass Itze zu unserer Schul­mann­schaft gehörte, die es regel­mäßig in irgend­welche Schu­lend­spiele bis nach Berlin schaffte. Außerdem spielte er noch bei Rasen­sport Holt­hausen im Verein in einer der damals besten Jugend­mann­schaften der Stadt, fast so gut wie die von West­falia Herne und manchmal besser als Sodingen. Da Itze auch noch über ein son­niges Gemüt ver­fügte und ein guter Sprü­che­klopfer war, der vieles mit dem rät­sel­haften Kampfruf Achte auf die Sonne!“ kom­men­tiert, ver­ehrte ich ihn, wie 15-Jäh­rige manchmal andere 15-Jäh­rige ver­ehren.

Eine Ver­samm­lung von Talent­freien

Seiner Fuß­ball­kunst galt jedoch meine beson­dere Begeis­te­rung, wes­halb ich es unheim­lich auf­re­gend fand, als ein Kick seiner Mann­schaft gegen mein Team ange­setzt wurde: in Freund, unter der Woche, unter Flut­licht, mitten im Winter. Ich spielte damals in der B‑Jugend der DJK Elpeshof, einer Mann­schaft, die meinen Fähig­keiten ange­passt war. Wir waren abge­schla­genes Schluss­licht der untersten Jugend­klasse, und ich war Mit­tel­stürmer dieser Ver­samm­lung von Talent­freien. 

Unseren nicht vor­han­denen Fähig­keiten ent­spre­chend, hatten wir eine Art Wagen­burg-plus-Aus­bruch-Taktik zurecht­ge­legt. Neun Mann ver­suchten sich der geg­ne­ri­schen Über­macht ent­ge­gen­zu­stellen und ich war­tetet vorne. Meine Haupt­fä­hig­keit war es näm­lich, schnell zu sein. Wenn immer wir den Ball erobert hatten, dro­schen ihn meine Mann­schafts­ka­me­raden in meine Rich­tung und ich raste hin­terher. Das als Kon­ter­taktik zu bezeichnen, wäre eine unnö­tige Über­hö­hung. Das war nichts, womit man Pep Guar­diola hätte beein­dru­cken können, und son­der­lich erfolg­reich war es eben­falls nicht.

So war davon aus­zu­gehen, dass wir von Itze und seinen Holt­hau­sern eine rich­tige Schruppe bekommen würden, wie wir Kan­ter­nie­der­lagen damals nannten. Ich rech­nete mit sieben, das Zu-Null ver­steht sich von selber. Doch dann kam es ganz anders, und zwar auf eine so wun­der­bare und wun­der­same Weise, dass ich es auch vier Jahr­zehnte später nicht ver­gessen habe. 

An jenem Abend gegen Rasen­sport spielte ich das Spiel meines Lebens. Mir ist bis heute nicht klar, warum das so war. Denn eigent­lich wäre auf­grund des stein­hart gefro­renen, teil­weise mit Eis über­zo­genen Asche­platzes das Gegen­teil wahr­schein­li­cher gewesen. Es bedarf auf so einem schwie­rigen Unter­grund schließ­lich einer eher fein­sin­nigen Motorik, derer ich mich bei­leibe nicht rühmen würde. Außerdem benach­tei­ligten diese Umstände die Langen gegen­über den Kurzen, und ich bin ein ziem­li­cher Lulatsch.

Konnte an die Leis­tung nicht mehr anschließen“

Aber ich flog gera­dezu über den knüp­pel­harten Boden, ein Blitz über dem Eis. Jeder Schritt saß, jede Kör­per­täu­schung stimmte. Ich war schnell und gewandt, es war unglaub­lich! Die Befrei­ungs­schläge waren an jenem Abend auch eher rich­tige Anspiele in die Tiefe. Auch da vermag ich nicht zu erklären, warum gegen eine viel bes­sere Mann­schaft das gelang, was gegen schlech­tere Gegner so oft in die Hose ging. Vom viel­hö­her­klas­sigen Gegner war wenig zu sehen, und auch vom großen Itze nicht. Wir gewannen mit 4:2 und ich schoss alle vier Tore! Ich würde das als eine der größten Sen­sa­tionen des Fuß­balls ein­stufen, ver­gleichbar mit dem Sieg der USA über Eng­land bei der WM 1950 oder dem 7:1 der deut­schen Mann­schaft in Bra­si­lien 2014. 

Heute hätte das bestimmt jemand mit dem Smart­phone auf­ge­zeichnet, aber nicht einmal das Ergebnis ist irgendwo fest­ge­halten. Manchmal denke ich schon, dass ich mir das aus­ge­dacht habe. Aber das stimmt nicht, denn ich erin­nere mich noch daran, wie Itze mich lobte. Nicht gön­ner­haft, son­dern aner­ken­nend. Er sagte sogar, dass er mich mal für die Schul­mann­schaft vor­schlagen wollte. Aber daraus wurde nichts, weil man über mich den berühmten Satz sagen musste: Konnte an die Leis­tung nicht mehr anschließen“. Ehr­lich gesagt: Sogar nie mehr.