Nach einer 0:4‑Heimpleite gegen Fortuna Düsseldorf kübelt die Schalker Nordkurve ihre Wut über Domenico Tedesco aus. Für unseren Autor der grausamste Moment des Jahres.
So scherzhaft, wie Schalkes Trainer den Satz im April 2018 dahersagte, so ernst hätte er ihn im März 2019 meinen können. Ich stand an beiden Tagen ebenfalls in der Nordkurve. Und erlebte mit dem Spiel gegen Düsseldorf meine schmerzvollsten Momente in der Schalker Arena. Nie habe ich an diesem Ort mehr gelitten als in diesen Minuten.
Nicht, weil das Spiel meiner Mannschaft so grotesk schlecht gewesen war. Sportlich enttäuschende Auftritte hatte ich dort schon zur Genüge erlebt. Es war Domenico Tedesco, der mir in dieser Situation einfach unfassbar leid tat. Ich war fest davon überzeugt, dass er nach diesem Spiel zurücktreten würde. Solch blinde Wut hatte er, der uns zur Vizemeisterschaft geführt hatte, der sich mit dem Verein identifizierte wie wenige Trainer zuvor, der sich mit Bloggern zum Taktik-Gespräch traf, der Fans am Abend des 4:4‑Derby-Wahnsinns mit Pizza versorgte, einfach nicht verdient. „Er hat ’nen besseren Verein verdient“, schrieb ich nach dem Spiel niedergeschlagen einem Freund.
„Keiner, der sich verpisst“
Doch Tedesco trat nicht zurück. Er sei „keiner, der sich verpisst“, gab er nach der Partie fast trotzig zu Protokoll. Gleichwohl sollte seine Amtszeit nur weitere zwölf Tage andauern. Nach einer deftigen 0:7‑Klatsche in der Champions League bei Manchester City und einer eher unglücklichen Niederlage in Bremen sah der neu installierte Sportvorstand Jochen Schneider keine andere Möglichkeit, als den Mechanismen des Geschäfts zu folgen und Tedesco zu entlassen – nicht ohne dessen Verdienste zu würdigen, nicht ohne hervorzuheben, wie schwer die Entscheidung gefallen sei. Das gehört heutzutage zwar in sämtlichen Trainer-Entlassungs-Mitteilungen zum guten Ton, doch wer die Geschehnisse dieser Tage in Gelsenkirchen verfolgte, konnte sich des Eindrucks nicht verwehren, dass diese Worte dieses Mal tatsächlich ernst gemeint waren.
Und wenige Tage später, beim Heimspiel gegen RB Leipzig, zeigten auch die Fans, dass ihre Wut, die Domenico Tedesco nach dem Düsseldorf-Spiel getroffen hatte, eine blinde war. So übel die Beschimpfungen und Gesten auch gewesen sein mögen: Beim ersten Spiel unter Interimstrainer Huub Stevens zeigten die Schalker Fans, dass sie nicht nur laut und derb können, sondern durchaus auch feinfühlig. Fast schon entschuldigend hingen an diesem Tag zwei große Banner in der Nordkurve: „Den Trainer rasiert, uns in Europa blamiert und Schalke nie kapiert: Söldner aussortieren!“, war zwischen Ober- und Unterrang zu lesen. Und, fast noch wichtiger: „Danke Domenico!“