Etwas über das Knie zu brechen, war noch nie Olaf Marschalls Art. Seinem Herzensklub aus Kaiserslautern rät er daher, geduldig zu bleiben. Er würde schließlich alles noch einmal genauso machen.
Olaf Marschall, wegen Ihnen hatte ich einmal großen Streit mit meiner Mutter. Sie meinte, ein F‑Jugendspieler trägt kein Nasenpflaster.
(lacht) Ach quatsch, das kann doch jeder machen, wie er lustig ist.
Mit dem Pflaster, den vielen Toren und der Lockenpracht besaßen Sie am Betzenberg echten Identifikationscharakter. Wer könnte aus dem jetzigen Kader zur Kultfigur werden?
Ich glaube, heutzutage sind die Spieler gar nicht mehr lange genug bei einem Verein. Der Kader wechselt doch viel zu schnell, sodass die Fans keine Chance haben, überhaupt eine Identifikationsfigur zu finden. Am ehesten könnte es der Tobi Sippel sein, da er von klein auf am Betzenberg spielt. Wenn momentan jemand in Kaiserslautern gut spielt, ist er nach einer Saison wieder verschwunden. Um das zu verhindern, müsste der Verein wieder erstklassig spielen.
Kaiserslautern spielt immerhin um die Relegation zur Bundesliga. Was trauen Sie dem FCK zu?
Sie haben ein sehr gutes Spiel gegen Köln gemacht und verdient 3:0 gewonnen. Gegen Aue hat wiederum eine unerfahrene Truppe in Überzahl den Sieg abgegeben. Sicherlich ist der Relegationsplatz drin. Doch gerade dann wartet ja erst noch der Bundesligist, der bereits seit Monaten gegen den Abstieg spielt.
Der direkte Wiederaufstieg ist Ihnen 1997 vor der Meisterschaft gelungen. Welchen Rat würden Sie Franco Foda derzeit mitgeben?
Ein Rat aus der Ferne ist eigentlich immer schwierig, denn dafür fehlt der tägliche Blick auf den Trainingsbetrieb. Schlussendlich müssen die Punkte her und dafür empfiehlt es sich, erst einmal nur auf sich zu schauen.
Im Vergleich zu Jürgen Klinsmann, Ulf Kirsten oder Giovanne Elber galten Sie damals vor allem als mitspielender Stürmer. Warum haben Sie trotzdem so viele Tore gemacht?
Wir haben aber auch immer wieder versucht über die Flügel den Mittelstürmer anzuspielen, um möglichst viele Chancen zu kreieren. Und dort stand ich meistens. Bedanken muss ich mich daher bei meinen Mitspielern und vor allem bei denen, die mich ausgebildet haben.
Ausgebildet wurden Sie zwischen 1978 bis 1983 in der Kinder- und Jugendsportschule Leipzig.
Genau, ich bin als Zwölfjähriger zur Sportschule von Lokomotive Leipzig gekommen. Wir waren 16 Jungs, die in diesem Alter sieben Mal die Woche trainiert haben und am Wochenende ein Spiel hatten. Das war für uns eine sehr intensive Belastung.
Inwiefern könnten die DDR-Sportschulen mit den heutigen Fußballinternaten verglichen werden?
In den Bundesligamannschaften wurde vor einigen Jahren ein abgewandeltes System durch den DFB wieder eingeführt. Ich würde jedenfalls den gleichen Weg erneut gehen, weil er mir viel eingebracht hat.
Im Sommer 1996 war der 1. FC Kaiserslautern abgestiegen. Hatten Sie zu dem Zeitpunkt Wechselgedanken? Immerhin waren Sie ja zwischenzeitlicher Nationalspieler.
Das ging nicht. In den Verträgen gab es bestimmte Klauseln, die auch der FCK wahrgenommen hat, um die Spieler zu halten. Also bin ich geblieben. Auf der anderen Seite hat es mir nicht geschadet, schließlich habe ich mich wohlgefühlt.
Wie wichtig war die Saison in der Zweiten Liga für die anschließenden Erfolgsjahre?
Schauen Sie sich mal unseren Kader zu dieser Zeit an. Das war keine gewöhnliche Zweitligaelf. Wir hatten mit Andy Brehme, Miroslav Kadlec oder auch Michael Schjönberg mehrere Nationalspieler im Kader. Wir konnten uns immerhin fragen, weshalb wir überhaupt abgestiegen waren. Das war eigentlich entscheidend.
Wann wurde Ihnen bewusst, zumindest intern, dass Sie 1997/98 um die Meisterschale mitspielen?
Anfangs wollten wir einfach jedes Spiel gewinnen, um nicht abzusteigen. Aber zur Mitte der Saison haben wir uns gefragt: „Warum sollen wir nicht einfach oben bleiben?“. Wenn wir nur Dritter geworden wären, hätten wir trotzdem alle überrascht. Nach dem 31. Spieltag gegen Gladbach und dem dramatischen 3:2‑Siegtor in der letzten Minute wollten wir dann auch die Meisterschaft.
Vor ziemlich genau 15 Jahren, am 2.5.1998, war es dann soweit. Sie spielten gegen Wolfsburg – und erzielten das erste Tor…
Es war relativ schnell klar, dass wir dieses Spiel gewinnen.
Wie oft ging der Blick nach Duisburg, wo die Bayern ja unbedingt einen Sieg brauchten?
Überhaupt nicht, denn dazu hatten wir gar keinen Grund. Wir haben nicht damit gerechnet, dass die Münchner dort überhaupt 0:0 spielen. Kurz vor Spielende sprach sich die Meister-Überraschung auf der Bank rum, aber auf dem Platz wusste das überhaupt niemand.
Vom Aufsteiger zum Meister. Ist das heute noch denkbar?
Bei den heutigen finanziellen Unterschieden wird es umso schwieriger. Durch finanzkräfitge Investoren ist sicherlich viel möglich, aber nicht als „normaler“ Aufsteiger. Gerade die Juwelen werden zumeist abgeworben, also muss eigentlich schnell der internationale Wettbewerb her, um Geld zu generieren.
Was trauen Sie dem 1. FC Kaiserslautern in naher Zukunft zu?
Sicherlich sind die Lauterer eine gute Zweitligamannschaft, die aber nicht unbedingt sofort aufsteigen muss. Da sollte man geduldig bleiben, da die Mannschaft noch sehr jung ist. Das hat sie zuletzt gegen Aue bewiesen.
Steigt der FCK auf?
Wenn nicht in dieser Saison, dann bestimmt kurz darauf. Ich sehe den Verein bezüglich der finanziellen Möglichkeiten wie den SC Freiburg oder FSV Mainz. Der Trainer muss eine gute Truppe erwischen, die harmoniert. Aber auch Christian Streich muss in Freiburg im kommenden Jahr wieder umbauen, weil viele Spieler zu größeren Vereinen gehen. Entweder teilst du dieses Schicksal oder findest das nötige Geld.
Sie haben selbst in Kaiserslautern in verschiedenen Positionen gearbeitet und besitzen den Trainerschein. Werden wir Sie irgendwann in der Bundesliga wiedersehen?
Ich stand in den letzten Jahren mit dem ein oder anderen Verein mal in Kontakt, aber das hat sich einfach nicht ergeben. Generell freue ich mich aber immer über die Arbeit als Trainer. Schaun‘ wir mal.