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Dieser Text erschien erst­mals im November 2020.

Immer, wenn ich einen Gin-Tonic in den Händen halte, muss ich an Rambo denken. Denn immer, wenn wir bei uns im Ort in Groß­raum­dis­ko­theken gingen, bestellte ich Gin-Tonic, nur, weil das chi­nin­hal­tige Getränk blau leuch­tete im Schwarz­licht. In den Glä­sern, die für einen Euro über die Theke gingen, wes­halb die Partys Ein-Euro-Partys hießen, war sowieso nur Fusel. Aber im Gegen­satz zu Cola-Korn, Fanta-Roten oder Wodka-Wasser, die nur besoffen machten, hatte Gin-Tonic, das auch nur besoffen machte, einen Vor­teil: Es leuch­tete blau.

Jetzt gerade aber ist es stock­dunkel.

Weil Marko Arn­au­tovic – Natio­nal­spieler, Ex-Werder-Spieler, Ex-Jahr­hun­dert­ta­lent, Ex-Fast-Super­star, jetzt Fuß­ball­profi in Alters­teil­zeit – nach dem Aus­bruch des Coro­na­virus nicht in das Land seines Arbeit­ge­bers Shanghai SIPG reisen durfte und dort in China sowieso kein Fuß­ball gespielt wurde, tat er die meiste Zeit nichts. Er ver­brachte vier Wochen in Qua­ran­täne in einem Hotel in Dubai. Wei­tere zwei Wochen in häus­li­cher Qua­ran­täne in Deutsch­land. Mög­li­cher­weise waren das die unspek­ta­ku­lärsten Monate im Leben des öster­rei­chi­schen Bad Boys. Und wie das bei Lan­ge­weile und bösen Jungs eben so ist: irgend­wann kommen sie auf dumme Gedanken.

Das ist nicht 08/15

Arn­au­tovic macht jetzt Gin. Im Sommer hatte der 31-Jäh­rige sein erstes Pro­dukt auf einer Dach­ter­rasse des Wiener Luxus­ho­tels Grand Fer­di­nand vor­ge­stellt. Wo Arn­au­tovic drauf­steht, ist Qua­lität drinnen, das ist nicht 08/15“, hat er den umste­henden Jour­na­listen ver­spro­chen. Ein Pre­mium-Pro­dukt sei das. London Dry, klar. Des­halb kostet die Fla­sche auch 40 Euro. Und sowieso: Nicht für Jugend­liche. Für beson­dere Anlässe wie Hoch­zeiten. Der rinnt runter.“

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Kaufen Sie ihm das ab? Marko Arn­au­tovic macht jetzt Gin.

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Das ein­zige, was am Abend des Selbst­ver­suchs rinnt, ist das Regen­wasser den Bord­stein hin­unter. Es ist das Wochen­ende vor dem Lock­down in Berlin. Mit meinem Foto­grafen, einem Öster­rei­cher, habe ich mich an einer Stra­ßen­ecke in Berlin-Mitte getroffen. Ich habe den Gin, er bringt Gurken und Zitrone mit, es fehlt noch Tonic. Bei der Prä­sen­ta­tion hat Arn­au­tovic gesagt, dass sein Gin pur genossen werden soll: Es ist was Gutes.“ Ich gehe zu einem Späti und stelle fest, dass ich kein Bar­geld dabei habe.

Was kostet die Welt?

Ich kann dein Leben kaufen”, soll Marko Arn­au­tovic einmal zu einem Poli­zisten gesagt haben, als der ihn wegen über­höhter Geschwin­dig­keit stoppte. Das war vor acht Jahren. Heute stehe ich vor der Kas­sie­rerin des Spätis und Kar­ten­zah­lung is’ nicht. Sie zeigt auf einen Geld­au­to­maten, der im Laden steht. Ich hebe 50 Euro exklu­sive Gebühren ab und fin­gere zwei Fla­schen Tonic aus dem Kühl­fach. Marke: Flirt. Wir haben beide kein Inter­esse. Und erst jetzt merke ich, dass auch das Münz­geld noch gereicht hätte, um die 2,20 Euro zu beglei­chen. Ich frage mich, was wohl Arn­au­tovic jetzt sagen würde, stünde er neben mir. Ob er sich über so etwas Welt­li­ches wie Geld über­haupt Gedanken macht? Ich zahle – aus Prinzip! – mit dem Fünf­ziger. Ach ja, das Ende der Raserei. Er sei auf dem Weg zu seiner schwan­geren Frau gewesen, zur Wie­der­gut­ma­chung schenkte Arn­au­tovic dem Beamten zwei VIP-Karten für ein Län­der­spiel gegen die Türkei.