Hass auf den Gegner und eine offene Rechnung mit der Polizei: Das Spiel zwischen Schalke und Saloniki versprach reichlich Zündstoff. Wir waren mittendrin.
Die Uhr schlägt 17:04 am späten Mittwochnachmittag in Gelsenkirchen an der Veltins-Arena. Aus dem Dauerregen marschiert von Richtung Berger Berger Feld eine große schwarze Gruppe in uniformierter und gepanzerter Begleitung Richtung Nordeingang des Schalker Stadions. Knapp eine Stunde vor Beginn des Sechszehntelfinales in der Europa-League zwischen dem FC Schalke 04 und Paok Saloniki aus Griechenland betreten die Ultras Gelsenkirchen ihr Wohnzimmer. Um 18 Uhr ist Anpfiff einer für sie ganz besonderen Partie.
Davon merkt man rund um die Arena kaum etwas. Die schreitende Masse Richtung Stadion sucht schnurstracks den Weg hinein. An den Bier- und Fressbuden auf den Arena-Vorplätzen ist nicht viel los. Nur wenige Fans glühen vor. Auf der Südseite des Schalker Stadions werden aus Bier- Polizeiwagen, aus kleinen Fangrüppchen wird eine große Masse. 3.500 Griechen sollen den Weg nach Gelsenkirchen angetreten haben, um ihre Mannschaft nach der 0:3‑Hinspielniederlage zu unterstützen. Von den heimischen Fans werden sie ferngehalten. Das Sicherheitskonzept, das die Behörden im Angesicht eines „Hochrisikospiels“ ausgearbeitet haben, scheint aufzugehen.
Ein Streit mit langer Vorgeschichte
Es bleibt ruhig, sowohl vor als auch nach dem Spiel. Nur am Gästeeingang steigt vor Anpfiff die Unruhe. Im Kessel der Polizeiwagen geht es für die mitgereisten Griechen nur langsam voran. Die Polizisten versuchen zu beruhigen – auf Deutsch und auf Griechisch. Bei ihren Kollegen auf der Nordseite ist weniger los, die Wartezeiten sind gering. Nach kurzen Diskussionen und doppeltem Hinsehen können die Ultras ihre langen Fahnenstäbe die Treppe rauf Richtung Kurve schleppen, die nächsten Fans vor die Ordner treten. Heute sind die Kontrolleure in Orange angehalten, etwas genauer hinzusehen. Rote Flaggen, Banner, allgemein „Fanutensilien, soweit diese zur Provokation anderer Fangruppen genutzt werden“, wie es die Schalker Verantwortlichen nennen, sollen nicht ins Stadion kommen.
Gerade mazedonische Nationalflaggen mit dem „Stern von Vergina“ drauf, sind den S04-Obersten ein Dorn im Auge. Die „Vergina-Sonne“ ist das Emblem des Herrscherhauses von Alexander dem Großen. Um sein kulturelles Vermächtnis streiten Griechenland und Mazedonien seit mehr als 25 Jahren. Der Konflikt geht so weit, dass die Griechen bis heute die Aufnahme Mazedoniens in EU und Nato verhindern – und sich Griechen mit dem „Stern von Vergina“ provoziert fühlen.
Der Stern von Vergina am blau-weißen Himmel
Zu erleben im August 2013, beim letzten Aufeinandertreffen vom S04 und Paok Saloniki, damals noch in der Qualifikationsrunde zur Champions League. Aus Solidarität zum befreundeten mazedonischen Fußballklub Vardar Skopje hielten die Schalker Fans eine mazedonische Flagge in der Nordkurve hoch. Sie lösten einen umstrittenen Polizeieinsatz mit 89 Verletzten Fans aus, der bis heute nicht vergessen ist. Daher riefen die Ultras GE schon vor der Europa-League-Partie gegen Saloniki die Schalker Anhängerschaft auf, sich nicht vom Verein in der Meinungsfreiheit einschränken zu lassen. Die Vorgehensweise der Verantwortlichen sei „unfassbar“ und „für jeden verletzten und betroffenen Schalker der Ereignisse von 2013 ein Schlag ins Gesicht.“
Dem Aufruf der UGE folgen viele „Knappen“ am Mittwochabend. Als aus den Stadionboxen die Schalker Hymne „Blau und Weiß, wie lieb ich dich“ schallt, beginnt für die S04-Fans die Provokations-Partie: Die Skopje-Trikots und mazedonischen Flaggen werden in Richtung des geschlossenen Arena-Daches gereckt. Einige haben den „Stern von Vergina“ auch auf Papier gedruckt und zusammengefaltet durch die Kontrollen geschleust. Das war gar nicht nötig, wie ein Fan mit rot-gelber Flagge um den Hals berichtet: „Die Fahne mit reinzubekommen war kein Problem“, erzählt der kräftige Mann mit schwarzen Haaren und Brille. „Es wurde selten so lasch kontrolliert.“