Die DFL plant eine Wiederaufnahme der Saison. Nun stellen sich die deutschen Fanszenen klar dagegen. Und kritisieren die Vereine mit harschen Worten.
Die Fußballvereine geraten immer mehr in die Kritik, nun melden sich auch die Fans zu Wort. Zwar ruht der Ball noch und bleiben Großveranstaltungen in der Corona-Krise untersagt, doch der deutsche Fußball will dennoch die Saison zu Ende bringen. Ab Anfang Mai bis Ende Juni, so der Plan der Vereine, sollen die restlichen Partien als „Geisterspiele“ ohne Zuschauer ausgetragen werden. Fans stellen sich klar gegen das Ansinnen und vor allem den Zeitpunkt der Spiele. „Geisterspiele sind keine Lösung. Der Profifußball ist längst krank genug und gehört weiterhin in Quarantäne“, heißt es in einem Schreiben, das das Bündnis „Fanszenen Deutschlands“ am Donnerstagabend veröffentlichte.
Dem Verbund gehören bis auf vereinzelte Ausnahmen ligenübergreifend die organisierten Fanszenen, vornehmlich Ultragruppen, an. Die „Fanszenen Deutschlands“ sind aus dem Protest gegen den DFB im Jahr 2017 entstanden und befinden sich seither im Austausch (hier geht es zu den Hintergründen). Unlängst hatten sie eine Stellungnahme zur Kontroverse um die Proteste gegen Dietmar Hopp veröffentlicht.
„Eine baldige Fortsetzung der Saison wäre blanker Hohn gegenüber dem Rest der Gesellschaft.“
Entgegen der üblichen Treffen stimmten sich die Szenen in der aktuellen Situation unter anderem über Chats ab und diskutierten intensiv über das Für und Wider von Geisterspielen. In der nun veröffentlichten Stellungnahme finden sich klare Worte gegen die Pläne der DFL: „Die Wiederaufnahme des Fußballs, auch in Form von Geisterspielen, ist in der aktuellen Situation nicht vertretbar – schon gar nicht unter dem Deckmantel der gesellschaftlichen Verantwortung. Eine baldige Fortsetzung der Saison wäre blanker Hohn gegenüber dem Rest der Gesellschaft und insbesondere all denjenigen, die sich in der Corona-Krise wirklich gesellschaftlich engagieren.“
Die DFL hat die Saison bis Ende April ausgesetzt, danach sollen die Spiele allerdings fortgeführt werden. Nico Schäfer, Geschäftsführer von Wehen Wiesbaden und Mitglied in der DFL-Kommisssion „Fußball“, erklärte im Videointerview mit 11FREUNDE: „Unser Plan ist, vom 2. oder 8. Mai bis Ende Juni zu spielen. Bei Ansteckungen haben wir kleine Puffer, wir können bis zum 30.7. verlängern.“
Die DFL hat ihre für den Freitag angedachte virtuelle Mitgliederversammlung auf den 23. April verschoben. Bei der Sitzung des „Corona-Kabinetts“ am Mittwoch sei das Thema Fußball zwar nicht explizit behandelt worden, sagte Bayerns Ministerpäsident Markus Söder, hielt aber am Donnerstag „Geisterspiele“ für denkbar. „Die Liga selber erstellt ein intensives, und wie ich auf den ersten Blick sehe und höre, sehr gutes Hygienekonzept“, so Söder.
Die Fanszenen sehen diesen Punkt allerdings kritisch und sprechen von einer „Lex Bundesliga“. Der Fußball habe eine herausgehobene Bedeutung, sei aber nicht systemrelevant. „Wenn seit Wochen über einen Mangel an Kapazitäten bei CoVid-19-Tests berichtet wird, ist die Idee, Fußballspieler in einer extrem hohen Taktung auf das Virus zu untersuchen, schlicht absurd.“
In der Stellungnahme geht das Bündnis auch auf mögliche finanzielle Folgen eines Saisonabbruchs ein. Laut einem Bericht des „kicker“ stünden 13 der 36 Profivereine vor der Insolvenz. Dazu heißt es: „Ganz offensichtlich hat der Profifußball viel tieferliegende Probleme… Der Erhalt der Strukturen ist vollkommen vom Fluss der Fernsehgelder abhängig, die Vereine existieren nur noch in totaler Abhängigkeit von den Rechteinhabern.“ Geisterspiele hätten viel stärkere Folgen für die Vereine unterhalb der zweiten Bundesliga, doch: „Hauptsache, das ‚Premiumprodukt‘ kann weiterexistieren.“
Das Statement schließt mit vier Forderungen: Der aktuelle Plan der DFL dürfe nicht umgesetzt werden. Zweitens: „Auch ein möglicher Abbruch der Saison darf kein Tabu sein, wenn die gesellschaftlichen Umstände es nicht anders zulassen.“ Die Fans regen hinsichtlich drohender Insolvenzen für die Klubs Kriseninstrumente aus der Wirtschaft an, beispielsweise Förderdarlehen.
Drittens fordern die Fanszenen eine solidarische Lösung, auch für Klubs unterhalb der zweiten Liga. Im letzten Punkt plädieren die Fans für neue finanzielle Strukturen im Profifußball, stellen aber klar: „Dabei muss die 50+1‑Regel weiterhin unberührt bleiben.“