Rudi Völler kritisierte Marcell Jansen scharf für sein vorzeitiges Karriereende. Gut so, meint unser Autor Benjamin Kuhlhoff.
Warnung: Legen Sie bitte schon mal Ihren Finger auf die Tastatur. Am besten gleich alle zehn. Denn dann können Sie schneller das Wort „Vollidiot“ schreiben. Oder „Polemik“. Oder „Riesenquatsch“. Oder meinen ganz persönlichen Lieblingsvorwurf in der nach unten offenen Aufregerskala: „Das ist Bildniveau“. Denn jetzt kommt eine Meinung – und die sind heutzutage im Fußball nicht immer gerne gesehen.
Rudi hält den Fußball am Leben
Fragen Sie mal Rudi Völler, der sich am Wochenende kritisch über das vorzeitige und selbstgewählte Karriereende von Ex-HSV-Profi Marcell Jansen geäußert hat. Wer wie Jansen im Alter von 29 Jahren ohne erkennbaren Grund seine Karriere beende, der könne den Fußball nie geliebt haben, sagte Völler in die Kameras des „Aktuellen Sportstudio“. Man kann von dieser Aussage halten, was man möchte. Wahrscheinlich ist sie sogar hanebüchen, denn Marcell Jansen hatte sehr wohl seine ganz persönlichen Gründe, sich im Leben neuen Aufgaben zuzuwenden (keinen Vertrag, keine Lust mehr auf das Fußballgeschäft, neue Pläne). Und doch ist Völlers Aussage wichtig: Denn sie bewirkte, dass nun eifrig diskutiert wird. Über die Kommerzialisierung, das dreckige Geschäft und die Liebe zum Fußball überhaupt. Man müsste Rudi Völler dafür um den Hals fallen, denn er hält den Fußball mit am Leben.
Während sich offenbar alle anderen Ligaprotagonisten zu dem Thema weggeduckt haben, hat Völler das gesagt, was er denkt. Er wird gewusst haben, dass sich im Anschluss daran keine Schulterklopfer vor seinem Büro aufreihen werden. Ganz im Gegenteil. Regelmäßig kassiert der Ex-Weltklassestürmer für seine Verbalvorstöße mediale Prügel. Dabei geht es oft nicht mehr um den Inhalt, sondern um den Vorwurf, dass Völler sich zu oft zu allem möglichen vor ein Mikro stellt und losredet. Aber warum eigentlich?
Wollen wir Sätze aus der Phrasenstanze?
Denn Völlers Äußerungen sind im Kern doch genau das, was wir alle uns eigentlich von Spielern, Trainern und Managern wünschen. Eine eigene Meinung. Und eben nicht nicht das zu sagen, was einem der Pressesprecher/Berater/Werbepartner oder der allgemeine Tenor geraten hätte. Sie sind der Farbklecks auf der Raufasertapete namens Bundesliga.
Es ist schizophren, denn einerseits wünschen wir uns alle, dass die Ligaprotagonisten sich benehmen wie normale Menschen. Also auch Fehler machen, Schwachsinn reden und sich manchmal daneben benehmen. Aber das ganze Tohuwabohu, das nun nach Aussagen wie der von Völler aufkommt, führt leider eher dazu, dass die Protagonisten des Fußballs nur noch Sätze aus der Phrasenstanze daherplappern, jedes Gespräch zum Field-Interview wird und wir irgendwann einschlafen.
Deswegen sollte man Rudi Völler ermutigen, niemals aufzuhören, seine Gedanken in die Kameras der Welt zu sagen. Und man sollte allen Fußballern zurufen, es ihm gleichzutun. Weil ihre Meinungen wichtig sind für eine offene Diskussion über Inhalte. Und nicht über Personen. Denn sonst sprechen wir irgendwann nur noch über die schleichende Hispanisierung des FC Bayern durch Pep Guardiola. Und das wäre dann nun wirklich Polemik. Oder sogar Bildniveau.