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Zum Abschluss des Abends gelang der deut­schen Fuß­ball-Natio­nal­mann­schaft noch eine beein­dru­ckende Demons­tra­tion. Eine Demons­tra­tion ihres Miss­muts. Es war nur noch ein trau­riges Häuf­lein, das auf dem Kai­sers­lau­terer Bet­zen­berg die Ehren­runde bis zum bit­teren Ende drehte. Drei Spieler trot­teten über den Rasen, müde win­kend zur übli­chen Gute-Laune-Mucke. Der Rest hatte sich nach dem 4:0‑Sieg gegen Kasach­stan längst ver­dün­ni­siert. Und diese Mas­sen­flucht war durchaus als State­ment zu ver­stehen: Die Natio­nal­mann­schaft fühlte sich unge­recht behan­delt. Ich begreife die Zuschauer nicht ganz“, sagte Mit­tel­feld­spieler Bas­tian Schwein­steiger. 

Was erwarten die Leute? Dass wir hier 10:0 gewinnen?“ Mitte der zweiten Halb­zeit hatte sich der latente Unmut zu offenem Missmut gegen die eigene Mann­schaft gestei­gert. Natür­lich lag das an der Dar­bie­tung auf dem Rasen, aber auch die Maß­stäbe der Zuschauer haben sich ver­schoben. Bei der WM hat das eigent­lich fuß­ball­ferne Publikum gesehen, zu wel­chen Höhen das Team von Bun­des­trainer Joa­chim Löw fähig ist; und so soll es jetzt, bitte schön, immer sein. In Kai­sers­lau­tern aller­dings konnte die Natio­nal­mann­schaft ihrem ver­meint­li­chen Unter­hal­tungs­an­spruch nicht durch­gängig gerecht werden. Es ist nicht immer mög­lich, dass man einen Gegner wie Kasach­stan sechs, sieben oder acht zu null nach Hause schickt“, sagte Joa­chim Löw. Die Miss­stim­mung wirkte schon des­halb über­zogen, weil es in der Ver­gan­gen­heit weit quä­len­dere Auf­tritte gegen Gegner ähn­li­cher Qua­lität gegeben hat. Gegen Kasach­stan hatte das Spiel der Deut­schen vor der Pause durchaus Zug nach vorne, und wenn es schnell ging, gerieten die Gäste ver­läss­lich in Gefahr. In der zweiten Halb­zeit aber man­gelte es den Bemü­hungen der Natio­nal­mann­schaft an Dynamik. Wir haben 3:0 geführt“, sagte Kapitän Philipp Lahm. Das darf man nicht ver­gessen.“ 

Siege allein rei­chen nicht mehr

Über­haupt haben die Deut­schen nun alle fünf Qua­li­fi­ka­ti­ons­spiele gewonnen, dabei 17:1 Tore erzielt und sich acht Punkte Vor­sprung auf die Ver­folger Öster­reich und Bel­gien erar­beitet. Sou­ve­räner geht es kaum. Doch Siege alleine rei­chen offen­sicht­lich nicht mehr. Das unter­scheidet das Publikum bei Län­der­spielen inzwi­schen von dem in der Bun­des­liga, dem es mehr um den Erfolg der eigenen Mann­schaft geht als um das Erlebnis. Undenkbar, dass in der Bun­des­liga bei einer 3:0‑Führung gemo­sert wird. Bei der Natio­nalelf geht das. Der Hype, der inzwi­schen um das Team ent­standen ist, hat Zuschauer ins Sta­dion gelockt, denen es nicht in erster Linie um den Fuß­ball geht: Sie wollen dabei sein, wenn was pas­siert. In Kai­sers­lau­tern klang es manchmal ein biss­chen wie bei der WM 2002, als viele Japaner und Koreaner ihren Erst­kon­takt mit dem großen Fuß­ball hatten und das Spiel noch nicht richtig lesen konnten. Selbst belang­lose Ein­würfe an der Mit­tel­linie wurden damals vom unkun­digen Publikum mit eksta­ti­schem Gekrei­sche begleitet. 

Bier­hoff for­dert mehr Kulanz

Biss­chen komi­sche Stim­mung hier“, sagte Bas­tian Schwein­steiger nach dem Auf­tritt auf dem Bet­zen­berg. Sollen die doch mal gegen die spielen.“ Gegen eine Mann­schaft, die selbst nach 0:3‑Rückstand nur darauf bedacht war, das eigene Tor zu ver­ram­meln. Ein biss­chen Rea­li­täts­sinn muss man sich schon bewahren“, for­derte Manager Oliver Bier­hoff. Mit jedem Fehl­pass ver­schlech­terte sich die Stim­mung. Vor allem auf Schwein­steiger fokus­sierte sich der Unmut, der nicht seinen besten Tag hatte und als Ange­stellter des FC Bayern Mün­chen in Kai­sers­lau­tern ohnehin nicht allzu wohl­ge­litten ist. Sein Münchner Kol­lege Mario Gomez wurde bereits bei seiner Ein­wechs­lung mit Pfiffen bedacht. Ein biss­chen mehr Kulanz“ hätte Bier­hoff sich vom Pfälzer Publikum gewünscht, und eine gewisse Neu­tra­lität“. Dass bei einem Län­der­spiel die Natio­nal­spieler wegen ihrer Ver­eins­zu­ge­hö­rig­keit ange­feindet werden, hat es jeden­falls lange nicht mehr gegeben. Joa­chim Löw bezeich­nete die Pfiffe gegen Schwein­steiger als äußerst negativ“, und auch Sami Khe­dira fand es nicht kor­rekt, wenn man sich einen ein­zelnen Spieler her­aus­greift“. Es war ein Kul­tur­schock für den Mit­tel­feld­spieler, der am Sonntag mit Mesut Özil zu Real Madrid zurück­kehrte – gegen Aus­tra­lien werden die beiden ebenso geschont wie Philipp Lahm. Ich habe in Madrid eine andere Men­ta­lität ken­nen­ge­lernt“, sagte Khe­dira, eine andere Fuß­ball­kultur.“ Unmut gegen die eigene Mann­schaft gilt dort als nicht statt­haft – trotz der hohen Ansprüche Reals.