Hoch oben in Nordschweden, nahe der finnischen Grenze, ist er zu Hause: Der vermutlich älteste Fußballtrainer der Welt. Auf jeden Fall ist „Parka-Börje“, wie er genannt wird, einer der skurrilsten seiner Zunft.
Börje Andersson-Junkka ging es zuletzt wie so vielen im Amateursport. Er musste die Füße still halten. Allerdings ist die Pandemie-bedingte Spielpause für den Trainer des nordschwedischen Sechstligisten Parkalompolo IK besonders ärgerlich. Denn Börje weiß nicht, wie viel Zeit ihm noch bleibt. Er wird demnächst 85. Und ein ganzes Land hofft, dass der alte Schwede noch mindestens fünf weitere Jahre auf der Bank überdauert. Das wäre dann ganz sicher Weltrekord. Also, höchstwahrscheinlich.
„Parka-Börje“, wie er in Anspielung an seine Geburts- und Heimatstadt Parkalompolo genannt wird, ist eine nationale Berühmtheit. Nicht ganz so populär wie Pippi Langstrumpf oder Zlatan Ibrahimovic, aber mindestens gleichauf mit Karlsson vom Dach, den Kindern von Bullerbü oder Michel aus Lönneberga. Börje aber musste erst 80 Jahre alt werden, um es ins nationale Fernsehen zu schaffen. Eine Dokumentationsserie über Schweden porträtierte den kauzigen Kerl mit dem dezent gefärbten Haarkranz als „wahrscheinlich ältesten Fußball-Trainer Schwedens“.
„Ich kann dir gute Ratschläge geben.“
Und weil keinerlei Zuschauerpost einging, die Börje diesen Ehrentitel streitig machte, trägt er ihn seither mit Stolz – und vermarktet ihn. Ein bisschen zumindest. Während der Fußball-WM 2018 in Russland startete der rüstige Rentner, fast 82-jährig, einen eigenen Online-Kanal, auf dem er ebenso fachkundig wie schrullig die Leistungen der schwedischen Mannschaft unter die Lupe nahm. Vor dem Gruppenspiel gegen Deutschland bat Börje sogar Nationaltrainer Janne Andersson zum Interview-Rapport und stellte diesem gegenüber klar: „Ich habe nichts gegen dich, ich habe auch nicht so viel Ahnung wie du. Aber ich kann dir trotzdem gute Ratschläge geben.“ Was er dann auch tat.
Seinen fraglos größten Auftritt aber hatte „Parka-Börje“ bei der nationalen Sportgala 2019, wo er – live im Fernsehen – die „Mannschaft des Jahres“ (Schwedens Biathlon-Herrenstaffel) ehren durfte. Wobei Börje nicht nur überreichte (den Preis), sondern auch gnadenlos überzog (seine Redezeit) – was den sichtlich irritierten Moderator gleich zweimal veranlasste, die Bühne zu erklimmen, um die quirlige Quasselstrippe auf den eng gesteckten Zeitplan hinzuweisen. Börje aber störte das wenig. „Wenn man einmal in Fahrt ist, dann ist es schwer aufzuhören“, warf er entschuldigend ein. „Ich wollte den Menschen noch ein bisschen über Parkalompolo und Tornedalen (ein entlegenes Tal im schwedisch-finnischen Grenzgebiet; die Redaktion) erzählen.“
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Nach Ende der Veranstaltung plauderte Börje noch mit Zeitungs- und Radiojournalisten über sein „großartiges Erlebnis“ im Kreise vieler schwedischer Stars und Sternchen. Dabei fabulierte er über den Sport von heute, den Sport von damals und über die vielen, vielen Jahrzehnte dazwischen. Gerüchten zufolge verstummte Börje erst, als auch der letzte aus dem anfangs großen Kreis von Reportern verschwunden war. Und dann trank er noch ganz in Ruhe ein Bier. Und dann noch eines. „Warum nicht?“, fragte Börje achselzuckend, „wenn ich doch eingeladen bin …“
Vielleicht ist es der 58-Seelen-Ort Parkalompolo, der Börje Andersson-Junkka zu dem gemacht hat, der er heute ist: ein naturbelassenes Original aus der nordschwedischen Region Norrbotten, wo die Winter lang und dunkel, die Sommer dafür umso kürzer und feuchter sind. Wenn du da oben, unweit der Grenze zu Finnland, Spaß haben willst, musst du ihn dir schon selbst bereiten. Sagen Schweden aus anderen Teilen des Landes. Und womöglich haben sie Recht. Börje aber behauptet: „Parkalompolo ist der schönste Ort der Welt. Das Problem ist nur, dass kaum ein Mensch je dort gewesen ist.“
„Parkalompolo ist der schönste Ort der Welt. Das Problem ist nur, dass kaum ein Mensch je dort gewesen ist.“
Aber das ändert sich gerade, dank des wahrscheinlich ältesten Trainers der Welt und seiner skurrilen Auftritte. Der Parkalompolo IK hat zwar nur 23 Mitglieder, aber schon fast 2.000 Follower auf Facebook. In den Sommermonaten verirrten sich zuletzt immer wieder kleine Gruppen von Groundhoppern in diese entlegene, von Stechmücken geplagte Gegend. Zwar gibt es in Parkalompolo kein richtiges Hotel, aber nach schwedischem Recht dürfen Touristen nahezu überall in der Wildnis zelten. Und ein Plausch mit dem Star ist für Besucher von außerhalb immer drin.
Vor einigen Tagen gab „Parka-Börje“ der größten Zeitung Schwedens (Aftonbladet) ein ausführliches Interview. Darin zerstreute er die Sorgen der Leser mit Blick auf Corona und seine Gesundheit: „Ich gehe doch regelmäßig in die Sauna.“ Obwohl Börje statistisch zur absoluten Risikogruppe zählt und bislang keinen Impftermin bekommen hat, wünscht er sich lieber heute als morgen auf den Trainingsplatz zurück. „Ich mache so lange weiter, bis sie mich feuern“, kündigt er trotzig an. Das kann dauern, denn beim Parkalompolo IK gilt Börje Andersson-Junkka als so gut wie unkündbar.
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