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Herr Kos­tedde, unsere Leser gehören größ­ten­teils einer Gene­ra­tion an, die Sie nicht mehr haben spielen sehen. Als was für einen Spie­lertyp würden Sie sich selbst beschreiben?

Das ist schwierig zu beant­worten. Ich werde ja oft als Goal­getter hin­ge­stellt, habe natür­lich auch immer viele Tore gemacht. Aber ich war immer froh, wenn ich am Spiel teil­ge­nommen habe, wenn ich ein­be­zogen wurde. Klar musste man als Stürmer auch mal vorne stehen und warten, aber mir hat es immer Spaß gemacht, wenn ich viel am Ball war. Und die Technik hatte ich ja, war zwar nicht der Schnellste, aber für ein gutes Kon­ter­spiel braucht man ja vor allem geis­tige Schnel­lig­keit.

Dem ein oder anderen ist noch der Erwin-Shuffle“ ein Begriff. Eine Erfin­dung von Ihnen?

Na ja, den drei­fa­chen Über­steiger hat mir damals Felix Fifi“ Ger­ritzen in meiner Zeit bei TuS Saxonia Münster als B‑Jugendlicher bei­gebracht. Fifi“ war ja selber ein toller Rechts­außen gewesen. Und ich hab das damals ange­nommen, habe stun­den­lang geübt, bis ich den Trick drauf hatte. Viele aus der Mann­schaft hatten das schon auf­ge­geben (lacht). Gegen Peter Nogly ist mir in einem Bun­des­li­ga­spiel gegen den Ham­burger SV mal ein fünf­fa­cher Über­steiger geglückt. In Offen­bach nannte man das dann den Erwin-Shuffle“.

Bei Kickers Offen­bach haben Sie Ihre erfolg­reichste Zeit in der Bun­des­liga ver­bracht, sind dort immer noch Rekord­tor­schütze. War das die wich­tigste Sta­tion Ihrer Kar­riere?

Ich kam ja gerade aus Bel­gien zurück nach Deutsch­land und Offen­bach war eben erst abge­stiegen. Zur glei­chen Zeit wurde auch Siggi Held ver­pflichtet und wir hatten für die zweite Liga natür­lich eine über­ra­gende Mann­schaft. Win­fried Schäfer war dabei, auch Horst Gecks. Nach dem direkten Wie­der­auf­stieg haben wir hier dann sehr erfolg­reich gespielt. Das kannte man in Offen­bach gar nicht so. In der Fol­ge­zeit haben wir sogar gegen Ein­tracht Frank­furt fast immer gewonnen (lacht).

Sie avan­cierten schnell zum Publi­kums­lieb­ling.

Wenn man viele Tore erzielt, dann geht das natür­lich auch schnell. Gerade gegen die Ein­tracht habe ich oft getroffen. Mein erstes Derby haben wir mit 3:2 gewonnen und ich habe alle drei Treffer erzielt. In Offen­bach schaut man immer etwas nach Norden in Rich­tung Frank­furt, zum Rivalen. Da prägt man sich natür­lich bei den Zuschauern, wenn man in den Derbys oft wich­tige Tore geschossen hat.

Welche Rolle spielte Glück in Ihrer Kar­riere?

Man muss dabei natür­lich auch immer ein biss­chen Glück haben. Ich war ja in meiner gesamten Kar­riere eigent­lich nie richtig schwer ver­letzt. Zwar hatten wir Stürmer damals äußerst harte Gegen­spieler – ich erin­nere mich an Gerd Zim­mer­mann oder Detlef Pirsig. Trotzdem bin ich immer glimpf­lich davon­ge­kommen.

Vor dem Wechsel Rich­tung Offen­bach spielten Sie in Bel­gien bei Stan­dard Lüt­tich. Mit Erfolg: dreimal hin­ter­ein­ander bel­gi­scher Meister und im dritten Jahr mit 29 Tref­fern sogar Tor­schüt­zen­könig. Wich­tige Erfah­rungen?

Absolut. Meine erste Sta­tion in der Bun­des­liga war zuvor schon der MSV Duis­burg. Dort war mit Trainer Gyula Lorant ein harter Hund am langen Hebel. Der hat mich auch als Spieler durchaus hart ran­ge­nommen. Hier habe ich zunächst gute Spiele gemacht, war aber letzt­lich noch nicht Profi genug, um diesen Weg wei­ter­zu­gehen. Das habe ich hier ver­passt, aber nur für eine kurze Zeit.

In Lüt­tich wurde das anders?

Ja. Dort habe ich mich schnell zu Recht gefunden. Man muss sich das auch mal vor­stellen: dort war ich ja nahezu der ein­zige Nicht-Natio­nal­spieler im Team. Das gab es damals in der Bun­des­liga damals noch nicht, dass so viele inter­na­tio­nale Fuß­baller in den Ver­einen gespielt haben. In Bel­gien habe ich also sehr viel gelernt, auch was es bedeutet Fuß­ball-Profi zu sein.

Von wel­chen Spie­lern haben sie beson­ders pro­fi­tiert?

Da war zum Bei­spiel Milan Galic (51-facher Jugo­sla­wi­scher Natio­nal­spieler, d. Red.). Ihn habe ich damals aus dem Team ver­drängt, er war schon etwas älter. Aber von ihm habe ich unglaub­lich viel gelernt.

Zurück in der Bun­des­liga, wurden Sie in Offen­bach auch zum Natio­nal­spieler. Hat es Sie damals mit stolz erfüllt für Deutsch­land zu spielen?

Oh ja, das hat mich wirk­lich stolz gemacht. In Bel­gien hatte man mich damals schon ange­spro­chen, ob ich nicht Bel­gier werden möchte. Ich wäre sofort Natio­nal­spieler dort geworden. Aber mein Jugend­traum war es immer, für Deutsch­land zu spielen. Das geschafft zu haben, darauf bin ich sehr stolz. Ich war ja nun mal auch der erste Far­bige, der das geschafft hat.

Hat Sie das mit einem beson­deren Stolz erfüllt?

Ja natür­lich. Aber ich habe mich immer als jemanden gesehen, der Schwarz und Weiß gleich­zeitig war. Als Kind war ich immer fas­zi­niert, vom Muhamed Ali. Als er eines Tages in Frank­furt gegen Deut­schen Karl Mil­den­berger geboxt hat, wusste ich nicht, zu wem ich halten sollte. Bin ich jetzt weiß oder schwarz? Das ist immer ein wenig mein Dilemma gewesen.

Nach Ihnen folgten noch wei­tere far­bige deut­sche Natio­nal­spieler, wie Jimmy Hartwig oder Gerald Asa­moah. Mit der U‑19- und U‑21-Natio­nal­mann­schaft wurden gleich meh­rere dun­kel­häu­tige Nach­wuchs­ki­cker Euro­pa­meister und stehen auf dem Sprung.

Ja, das freut mich außer­or­dent­lich. Da gibt es mitt­ler­weile einige, die es in die Natio­nal­mann­schaft schaffen. Da bin ich auch wirk­lich stolz drauf, dabei der erste gewesen zu sein. Ich weiß, dass man es als Jemand mit anderer Haut­farbe nicht immer leicht hat, umso stärker schätze ich die Leis­tung dieser Jungs ein.

Haben Sie in Ihrer Kar­riere auch unter Ras­sismus leiden müssen?

Ja, Berüh­rungen mit Ras­sismus gab es schon. Außer mir und David Scheu beim Karls­ruher SC gab es nie­manden mit anderer Haut­farbe.

Wie äußerte sich das?

Ach, ich habe das nicht ständig gespürt. Ein paar Idioten sind natür­lich immer irgendwo dabei. Richtig dra­ma­tisch wurde es höchs­tens, wenn ich mit Offen­bach in Frank­furt gespielt habe, wo man bei der Ankunft mit dem Bus mit Schmäh­ge­sängen begrüßt wurde. Das war aber natür­lich der Pöbel, und ich werde gewiss nicht alle Frank­furt-Fans über einen Kamm scheren. Aber da ging es natür­lich auch immer um die lokalen Riva­li­täten. Ich konnte das immer richtig ein­schätzen und auch für mich gut damit umgehen. Ich war aber nicht so ein Typ, wie Jimmy Hartwig, der war ein ganz harter Kno­chen. Hartwig stellte sich im Sta­dion vor die Kurve und diri­gierte das ras­sis­ti­sche Gebrüll ein­fach mit. Da waren diese Leute natür­lich still. Das war nichts für mich, und ich bin sicher keine Mimose, das können Sie mir glauben (lacht). Ich war dann doch ein etwas anderer Typ, bin damit nicht so offensiv umge­gangen. Ich habe lieber zwei Tore geschossen und wir haben das Spiel gewonnen. Dann haben die Idioten auch den Mund gehalten (lacht).

Haben Sie auch Tole­ranz erfahren im Ver­lauf Ihrer Kar­riere?

Natür­lich. Ich erin­nere mich an eine Epi­sode aus Baden-Baden. Ich stand kurz vor meinem ersten Län­der­spiel­ein­satz gegen Malta im Dezember 1974 und wir waren mit dem Kader der Natio­nal­mann­schaft im Kur­saal zur Pre­miere des Films über die Welt­meis­ter­schaft von 1974 ein­ge­laden. Als ich dort mit Berti Vogts und dem Sänger Udo Jür­gens, der damals auch ein­ge­laden war, durch den Ein­gang ging, kam ein älterer Poli­zist auf mich zu. Er gab mir die Hand, fing an zu weinen und gra­tu­lierte mir zu meiner Beru­fung in die Natio­nal­mann­schaft, dass er sich sehr dar­über freue. Diese Freu­den­tränen haben mich damals so gerührt, dass werde ich nie ver­gessen.

Trotz allem reichte es nur zu drei Ein­sätzen im National-Dress. War die Kon­kur­renz in der DFB-Elf Mitte der 70er Jahre zu groß?

Das war sie sicher­lich. Vorher war ja Gerd Müller im Sturm ein rich­tiges Phä­nomen. Es war auch ins­ge­samt schwer rein­zu­kommen, als Spieler bei einem klei­neren Verein, wie damals Kickers Offen­bach. Die Spieler von Bayern Mün­chen oder aus Mön­chen­glad­bach kannten sich gut und waren auch dem­entspre­chend ein­ge­spielt. Es gab diese beiden großen Blöcke damals. Leider hat es nicht zu mehr Län­der­spielen gereicht.

Ärgert Sie das heute noch?

Ja, das fuchst mich schon immer noch. Ich hätte gerne mehr Län­der­spiele gemacht und dabei auch gerne Tore geschossen.

Ihre Kar­riere führte Sie nach den Sta­tionen Hertha BSC Berlin, Borussia Dort­mund und einer ein­jäh­rigen Rück­kehr nach Lüt­tich nach Frank­reich, wo Sie ein Jahr bei Stade Laval in der ersten fran­zö­si­schen Liga spielten. Auch dort sind Sie mit 21 Tref­fern Tor­schüt­zen­könig geworden.

Ja, und zwar zusammen mit dem Argen­ti­nier Delio Onnis vom AS Monaco (Onnis ist heute noch der füh­rende in der ewigen Tor­schüt­zen­liste der fran­zö­si­schen Liga, d. Red.) Und das auch noch vor Michel Pla­tini und Johnny Rep, die damals bei AS St. Eti­enne spielten. Mit der Mann­schaft waren wir nur unteres Mit­telmaß, aber das war für Laval schon sehr erfolg­reich. Und das jemand aus dem eigenen Team Tor­schüt­zen­könig wurde kannten die dort gar nicht.

So haben Sie sich ein zweites Mal für die Bun­des­liga emp­fohlen. Rudi Assauer holte Sie damals als Manager des gerade aus der Bun­des­liga abge­stie­genen Werder Bremen in die zweite Liga. Von Assauer stammt auch der Satz: Bei uns braucht der Kos­tedde nicht mehr zu laufen, es genügt, wenn er im geg­ne­ri­schen Straf­raum steht und mit seinem Hin­tern noch Tore macht.“

Stimmt. Das habe ich ja dann auch gemacht (lacht). Nur mit Rum­stehen war es unter dem Trainer Kuno Klötzer natür­lich nicht viel, der hat einem dann Beine gemacht (lacht).

Mit 29 Toren trugen Sie dann wie­derum maß­geb­lich zu einem Auf­stieg bei. Bremen war zugleich auch ihre dritte Sta­tion unter dem Trainer Otto Reh­hagel.

Herrn Reh­hagel hatte ich in Offen­bach, Dort­mund und in Bremen als Trainer. In Bremen kam er dann nach dem Unfall von Klötzer. Wie man heute weiß, war das für Reh­hagel das große Los.

Haben Sie noch Freunde, die Ihnen aus der Fuß­ball-Zeit geblieben sind?

Also mit Willi Lip­pens bin ich noch eng befreundet. Sehr eng.

Sie sind in Münster geboren, wo auch Ihre Fuß­ball-Kar­riere star­tete. Ist die Stadt Ihre Heimat?

Auf jeden Fall. Ich bin hier auf­ge­wachsen, Münster ist meine Heimat. Sicher­lich könnte ich auch in Lüt­tich sehr gut leben, dem Klein-Paris“ (lacht). Dort hatte ich eine fan­tas­ti­sche Zeit. Aber ich bin eben echter Müns­te­raner.