Mit dem besten Sturm der 2. Liga liegt der DSC Arminia aktuell auf den Relegationsplatz. Schießen Fabian Klos & Co. jetzt auch den VfB Stuttgart aus dem Stadion?
Es ist zugegebenermaßen schon sehr lange her, da gab es in Bielefeld den sogenannten 100-Tore-Sturm. In der Saison 1979/80 schossen die Stürmer Norbert Eilenfeldt, Christian Sackewitz und Gerd-Volker Schock die Konkurrenz in der Zweiten Liga Nord dermaßen in Grund und Boden, dass der Bundesligaaufstieg bereits mehrere Wochen vor dem letzten Spieltag feststand. Am Ende hatte der gesamte Kader des DSC Arminia sogar sagenhafte 120 Mal getroffen.
Aktuelle Hochrechnung
Vierzig Jahre später hat der Zweitligist aus Ostwestfalen nach dem 7. Spieltag bereits 19 Tore erzielt, mehr als jede andere Mannschaft im Unterhaus. Unseriöse Zeitgenossen könnten deshalb in Versuchung kommen, den aktuellen Wert frech hochzurechnen, was nach 34 Spielen eine stattliche Ausbeute von 92 Treffern bedeuten würde – quasi die Wiederauferstehung des 100-Tore-Sturms, nur dass die Knipser jetzt nicht mehr Schock, Sackewitz oder Eilenfeldt heißen, sondern Voglsammer, Edmundsson und Klos.
Vor allem Klos. Der 31-jährige Stürmer, der seine neunte Saison für Arminia Bielefeld spielt, mag sich im kalendarischen Herbst seiner Karriere befinden, ist aber zugleich in der Form seines Lebens. Nach sieben Spielen hat er bereits zehn Scorerpunkte (sechs Tore und vier Vorlagen) auf seinem Konto und trifft mit einer Kaltschnäuzig- und Selbstverständlichkeit, dass man sich fragt, warum zum Geier dieser Typ in seinem Leben noch nie in der ersten Liga gespielt hat.
Ganz lässig
Klos’ Wandel vom soliden zum überragenden Zweitligastürmer fällt wie vieles, an dem sich die Bielefelder Anhänger gerade erfreuen, in die Amtszeit von Uwe Neuhaus. Seit der frühere Coach von Union Berlin und Dynamo Dresden im Dezember 2018 den DSC übernahm, hat die Mannschaft von allen Klubs in der Zweiten Liga die meisten Punkte gesammelt, dabei ganze vier Partien verloren und seit 27 Spielen immer mindestens einmal getroffen. Irgendetwas ist auf der Alm passiert, nur dass sich gar nicht so genau sagen lässt, was das eigentlich ist.
Auf jeden Fall dabei: eine gewisse Lässigkeit, die sich vom Trainer aufs Team überträgt. In einer Zeit, in der viele Fußballlehrer in ihrer Coaching Zone herumhüpfen, als sei der Leibhaftige in sie gefahren, verströmt Neuhaus das Charisma eines Vertrauenslehrers. Die Situation, in der sich dieser Mann eine Gelbe Karte einfängt, muss wahrscheinlich erst noch erfunden werden. Wie der Coach, so verliert auch seine Mannschaft selten die Nerven, selbst dann nicht, wenn sie in Rückstand gerät.
Neben dieser Coolness, die sich aus einem gewachsenen (und weiter wachsenden) Selbstvertrauen speist, hat Neuhaus die Bielefelder Mannschaft aber auch spielerisch weiterentwickelt. Wo früher oft der lange Ball das Mittel der Wahl war, ist es jetzt ein interessanter Wechsel aus gefälligem Ballbesitzfußball und überfallartigen Kontern, die gerne mal von Keeper Stefan Ortega mit einem 60-Meter-Pass eingeleitet werden.
Dabei war Uwe Neuhaus bei seinem Amtsantritt durchaus kritisch beäugt worden, galt doch die ganze Liebe der Fans seinem Vorgänger Jeff Saibene. Der Luxemburger hatte die Bielefelder im März 2017 in schier aussichtsloser Lage übernommen, vor dem Abstieg gerettet und in der folgenden Saison auf Platz vier geführt. So etwas schweißt zusammen. Mittlerweile hat auch Neuhaus in Bielefeld einen ordentlichen Leumund, wenngleich Teile der Anhängerschaft noch immer mit seinem ballbesitzorientierten, bisweilen riskanten Spielstil fremdeln. Etwa dann, wenn sich die Elf so kompromisslos aus dem eigenen Strafraum kombiniert, dass sie sich ein Slapstick-Gegentor fängt, wie neulich im Spiel gegen Greuther Fürth.
Keine Prognose, aber…
Bei so etwas geht dem Bielefelder die Hutschnur hoch, da beginnt er zu murren: „Hau doch einfach die Pille weg, Mann!“ Nicht bedenkend, dass das ewige Pilleweghauen in der Vergangenheit für manches Ungemach verantwortlich war. Es spricht allerdings für die Mannschaft, dass sie sich von der Angst auf den Rängen nicht anstecken lässt und ihren Stiefel konsequent durchzieht.
Dabei kommt ihr zugute, dass sie fast unverändert in die Saison ging und damit bestens eingespielt ist, andererseits aber mit Marcel Hartel von Union Berlin einen Spieler dazubekommen hat, der im offensiven Mittelfeld für eine neue Qualität sorgt und am letzten Wochenende beim 5:2‑Sieg in Wiesbaden an gleich vier Toren beteiligt war.
Worauf das am Saisonende hinausläuft, lässt sich nach sieben Spielen natürlich nicht seriös prognostizieren. In jedem Fall liegen interessante Wochen vor den Arminen. Dem Spitzenspiel am Freitagabend gegen den VfB Stuttgart folgt das Derby in Osnabrück, dann das Heimspiel gegen den HSV. Danach werden die Bielefelder Fans eine genauere Vorstellung davon haben, ob sie für den weiteren Saisonverlauf Blutdruckpillen ordern müssen oder sich beruhigt wieder hinlegen und eine Spielzeit im gesicherten Mittelfeld genießen können.
Stuttgart kommt!
Jetzt aber erst einmal das Duell mit dem Tabellenführer, der trotz einiger wackliger Auftritte noch immer das Nonplusultra der Liga darstellt. Oder um es mit den Worten des DSC-Managers Samir Arabi zu sagen: „Stuttgart hat zwei Spieler gekauft, die teurer sind als Arminias komplette Lizenzspielerabteilung.“
Unabhängig von solchen ökonomischen Einordnungen trifft in diesem Spiel die beste Offensive der Liga auf die drittbeste (Stuttgart mit 13 Saisontoren), umgekehrt stehen nur sieben Gegentoren des VfB immerhin zehn der Bielefelder gegenüber, womit der aktuelle Tabellendritte lediglich im Mittelfeld der Liga liegt. Ganz anders als das Team mit dem berühmten 100-Tore-Sturm übrigens, denn das konnte sich bei lediglich 31 Gegentoren in der gesamten Saison auch auf die beste Abwehr verlassen. Davon kann sich die Klasse von 2019 dann doch noch eine Scheibe abschneiden.