Der aufregendste Klub Deutschlands? Der MSV Duisburg! Sagt jedenfalls Tristan Strothmann. Und der Bielefeld-Fan muss es wissen, schließlich hat er es ausgerechnet.
Das Endergebnis Ihrer Studie besagt, dass der MSV Duisburg der aufregendste Klub Deutschlands ist und der FC Bayern der langweiligste. Was schließen Sie aus diesem Resultat?
Dass im Fußball Platzierungen und Titel nicht alles sind. Wenn es so wäre, würden wir ja alle zu den Bayern gehen und die anderen Klubs würden vor drei Zuschauern spielen. Das bestätigt mich darin, dass uns Fußball mehr fasziniert, als das reine Ergebnis, dass es andere Faktoren gibt, die uns immer wieder ins Stadion ziehen. Beim MSV Duisburg spielt natürlich hinein, dass es bei dem Klub im letzten Jahrzehnt mehrfach hoch und runter ging und es kaum eine Saison gab, die unspektakulär austrudelte. Der Fall des MSV hat mich noch auf die Idee gebracht, dass ich die finanziellen Rahmenbedingungen der Klubs miteinberechnen könnte. Wie viel Wasserstandsmeldungen gibt es monatlich zum wirtschaftlichen Wohlbefinden der Vereine? 2013 musste der MSV ja aus der 2. Bundesliga zwangsabsteigen, nachdem er keinen Nachweis über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit für eine weitere Zweitligasaison erbringen konnte.
Die letzte Meisterschaft, die einer der fünf spannendsten Vereine Ihrer Studie geholt hat, ist mittlerweile 14 Jahre her. Das war die vom VfB Stuttgart im Jahr 2007. Ist Erfolg nicht mehr der maßgebliche Faktor dafür, wie spannend ein Klub ist?
In diesem Zusammenhang ist es eine Überlegung wert, die Einzelscores, die ich errechnet habe, nach Ligen abzuschwächen. Denn natürlich ist es diskutabel, ob die Rennen um den Aufstieg in der 2. oder 3. Liga gleichzusetzen sind mit dem Kampf um die vorderen Plätze in der Bundesliga. Andererseits: Ich habe als Bielefelder, zumindest was Abstiege und Aufstiege angeht, mittlerweile alles mitgemacht, von der ersten bis zur dritten Liga. Und ich kann zumindest nicht sagen, dass etwas davon aufregender war, nur weil es eine Liga höher stattgefunden hat. Bielefeld war immer Drama.
„Gerade als Fan eines Vereins, der nun wirklich nicht überaus erfolgreich ist, setzt man auf solche Spielverläufe, auf diesen einen Ball, der reinkugelt“
Welche Ergebnisse der Studie haben Sie überrascht?
Generell hat sich mein subjektives Empfinden doch halbwegs gut in den Ergebnissen widergespiegelt. Aber: Das beispielsweise Gladbach Drittletzter geworden ist, hat mich schon überrascht. Dass Dortmund und Bayern soweit unten landen, ist dagegen vor allem der Monotonie der Saisonverläufe geschuldet. Außerdem hätte ich nicht damit gerechnet, den FC Ingolstadt soweit vorne zu sehen. Das ist für mich von außen betrachtet alles andere als ein spannender Klub. Andererseits: Die haben in den letzten Jahren mehrmals Relegation gespielt, waren in Sachen Saisonverlauf also immer entweder oben oder unten mit dabei und haben vermutlich einige knappe Spiele erlebt in verschiedenen Ligen.
Begeistert Sie die Verbindung zwischen Fußball und Daten schon länger?
Als Jugendlicher habe ich 33 Bundesligasaisons mit Stift und Zettel durchgearbeitet. Meine Eltern haben immer nur gesagt: Der sitzt nur im Zimmer und schreibt Listen! Natürlich habe ich mit einem Plastikball im Zimmer auch die Szenen nachgespielt. Auf Basis der ganzen Daten habe ich mir dann eigene Sonderhefte zusammengebastelt, in denen ich wirklich alles notiert und zusammengefasst habe. Was man nicht alles so macht, wenn man keine Freundin hat und eher zur Fraktion Stubenhocker gehört. Und dazu noch eine Leidenschaft für Fußball und Statistiken hat. Manchmal vermisse ich das noch heutzutage. Später habe ich mich natürlich an den Fußball-Manager-Spielen versucht, aber das ist eben auch nicht das gleiche.
Leidenschaft trifft auf Leidenschaft: Tristan Strothmanns selbsterstellte Bundesligasonderhefte.
Nun ist der Fußball eine der wenigen Sportarten, in der eine Mannschaft, die statistisch während des Spiels völlig unterlegen ist, dennoch durch den einen Torschuss in der 90. Minuten mit 1:0 gewinnen kann. Widerspricht das in irgendeiner Form Ihrem Faible für Daten und Zahlen?
Eigentlich findet sich genau darin sogar die Faszination. Gerade als Fan eines Vereins, der nicht immer die dominanteste Spielweise an den Tag legt und der nun wirklich nicht überaus erfolgreich ist, setzt man ja auch auf solche Spielverläufe, auf diesen einen Ball, der reinkugelt. Würde man daran nicht glauben, würde man zu einigen Spielen doch gar nicht mehr ins Stadion gehen. Außerdem besteht die Gefahr, dass die kleineren Klubs in den kommenden Jahren noch stärker auf solche Spielverläufe angewiesen sind als heute. Weil die finanziellen und dadurch qualitativen Unterschiede zwischen den Klubs immer größer werden.
Basierend auf Ihren Erhebungen: Wenn Sie sich einen anderen Verein aussuchen könnten als Arminia, wohin würde es Sie ziehen?
Als ich angefangen habe, mich Ende der Achtziger für Fußball zu interessieren, habe ich auch nur stumpf auf die Tabelle geguckt. Das waren natürlich oft die Bayern oder der 1. FC Köln. Als naives Kind habe ich dann gesagt: Köln ist näher an Bielefeld dran, drum war ich in den ersten Jahren meines Lebens Köln-Fan, bis Arminia irgendwann aus der Versenkung kam. Dann war für mich vor allem der Faktor Nähe entscheidend. Dass ich mir Karten kaufen und in der eigenen Stadt ins Stadion gehen konnte. Ich habe beispielsweise sechseinhalb Jahre in Hamburg gewohnt und bin unter anderem deswegen wieder zurück, weil ich wieder näher an der Alm sein wollte. Wenn ich also diesen Umkreis-Faktor mit ins Spiel bringe, würde ich mich doch wieder für Arminia und das Drama entscheiden.