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Der Rasen ist vom Tau bedeckt, die Sonne bahnt sich ihren Weg durch den Nebel. Mor­gens um viertel vor neun ist das Trai­nings­ge­lände des DSC Arminia Bie­le­feld ver­lassen und still. Eigent­lich unpas­send bei der Gegen­wart des Ver­eins. Bie­le­feld steht kurz vor dem Kol­laps. Binnen drei Jahren ging es von der Bun­des­liga in die Dritte Liga, finan­ziell drohte in dieser Zeit mehr­mals das Aus. Zwanzig Neu­zu­gänge mussten in dieser Spiel­zeit inte­griert werden und sollen diesem leid­ge­prüften Verein wieder eine Per­spek­tive geben. Bie­le­feld ist alles andere als ein Idyll.

Wir sind mit Kapitän Markus Schuler zum Inter­view ver­ab­redet, dem Spieler, der die beiden Abstiege mit­er­lebte und den Verein trotzdem nicht ver­ließ. Stur­heit? Opti­mismus oder schlicht die feh­lenden Alter­na­tiven? Um kurz vor neun biegt ein kleiner fran­zö­si­scher Klein­wagen auf den Weg zum Trai­nings­ge­lände ein. Markus Schuler sitzt am Steuer, auf dem Rück­sitz ein Kin­der­sitz. Zum Gespräch geht es in den Raum des Zeug­warts. Bälle. Tri­kots. Hand­tü­cher. Kurz­fristig gab es keine andere Mög­lich­keit. Sym­pa­thisch simpel und nicht so steril. In Bie­le­feld ist eben keine Bun­des­liga mehr. Will­kommen in der Dritten Liga. Ein Gespräch über Abstiege, feh­lende Stars und eine Tri­büne, die so recht keiner will.

Markus Schuler, was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie bei den Heim­spielen auf die neu gebaute Ost­tri­büne bli­cken?
Markus Schuler: Im Sta­dion ist es jetzt ein biss­chen kleiner und leerer. Unser Sai­son­start war für die Zuschau­er­zahlen auch nicht gerade för­der­lich. Trotzdem sagt das nichts über die Stim­mung im Sta­dion aus. Und die Ost­tri­büne? Nun ja, damit hat der Schla­massel ange­fangen.

Sie gilt als Sinn­bild für den Nie­der­gang der Arminia, das stein­ge­wor­dene Fehl­ver­halten. Sie ver­schlang 19 Mil­lionen statt der zunächst geplanten zehn Mil­lionen Euro und ihre Fer­tig­stel­lung kos­tete den Verein fast die Lizenz im März 2010. 
Markus Schuler: Als Erst­li­gist konnten wir diese hor­rende Fehl­pla­nung noch kaschieren, da die Ein­nahmen stimmten. Für mich als Spieler war die erste Zweit­li­ga­saison nach dem Abstieg auf­rei­bend, weil dau­ernd neue Hiobs­bot­schaften den Verein erreichten. Ich habe mir damals die Frage gestellt: Geht es hier über­haupt weiter? Danach war im gesamten Verein – salopp gespro­chen – der Wurm drin. Mit den Abstiegen wurde stets auch eine kom­plett neue Mann­schaft zusam­men­ge­stellt, die sich nicht immer gleich finden konnte. Bei Arminia ging es bergab. Die Ost­tri­büne ist für diese Situa­tion sicher­lich ein wich­tiger Grund.

In der zurück­lie­genden Saison ging es nicht mehr ums Sport­liche, son­dern ums Miss­wirt­schaften inner­halb des Ver­eins. Fühlten Sie sich als Spieler in Ihrer Situa­tion richtig wahr­ge­nommen?
Markus Schuler: Es klingt nach einer Stan­dard­ant­wort, aber solche Dinge dürfen dich nicht nerven. In der täg­li­chen Arbeit und im Spiel darf diese Geschichte keinen Ein­fluss haben. Der Abstieg in die Dritte Liga hatte klare Gründe.

Welche?
Markus Schuler: Durch die ange­spannte finan­zi­elle Situa­tion konnte der Kader nicht mehr ver­stärkt werden und es mussten sogar Leis­tungs­träger abge­geben werden. Wir sind sport­lich abge­stiegen und nicht etwa durch einen Lizenz­entzug.

Wie wurde inner­halb der Mann­schaft dar­über gespro­chen?
Markus Schuler: Natür­lich war diese Situa­tion ein Thema. Wir wurden ganz kon­kret gefragt, ob wir auf Gehalt oder Spiel­prä­mien ver­zichten oder ob Zah­lungen auf­ge­schoben werden können. Mit diesem Sze­nario mussten wir uns zwangs­läufig aus­ein­an­der­setzen.

Wie war die Stim­mung in der Stadt Bie­le­feld?
Markus Schuler: Anfangs war die Stim­mung kri­tisch und später wurde daraus dann Häme. Das war das Schlimmste. In der direkten Aus­ein­an­der­set­zung mit den Fans hat man die Wut und das Unver­ständnis gespürt.

Mit Unver­ständnis könnte man auch Ihrer Kar­rie­re­pla­nung begegnen?
Markus Schuler: Warum?

Sie sind mit Arminia Bie­le­feld 2009 in die Zweite Liga und 2011 in die Dritte Liga abge­stiegen. Warum haben Sie den Verein nicht wie viele andere Profis ver­lassen?
Markus Schuler: Ganz simpel: Fami­liäre Gründe. Wir fühlen uns in Bie­le­feld ein­fach sehr wohl. Unsere kleine Tochter kommt jetzt in die Schule. Im Sommer stand dann die Frage im Raum, wie es wei­ter­gehen soll. Nach den Gesprä­chen mit unserem dama­ligen Trainer Markus von Ahlen und dem Sport­di­rektor Samir Arabi wurde mir die Ent­schei­dung leicht gemacht.

Was haben die beiden gesagt?
Markus Schuler: Sie erklärten, dass sie mich als Fix­punkt in dieser jungen Mann­schaft sehen und so die Per­spek­tive schaffen wollen, um in den nächsten zwei oder drei Jahren wieder in die Zweite Liga auf­zu­steigen. Ich ver­traue den han­delnden Per­sonen bei Arminia. Die ver­gan­genen Par­tien haben wir auch gewonnen. Es geht also bergauf.

Sie haben 182 Bun­des­li­ga­spiele für Han­nover 96 und Arminia Bie­le­feld bestritten. Wie schaffen Sie es sich für die dritte Liga zu moti­vieren?
Markus Schuler: Ich muss mich mor­gens nicht aus dem Bett quälen. Es stimmt aber, dass ein volles Erst­li­ga­sta­dion reiz­voll und moti­vie­rend ist. In der Dritten Liga ist eine hohe Eigen­mo­ti­va­tion erfor­der­lich. Bei mir funk­tio­niert es, weil mir der Fuß­ball und Arminia wei­terhin Spaß machen.

Wo liegen die größten Unter­schiede zwi­schen der Bun­des­liga und der Dritten Liga?
Markus Schuler: Im Ober­haus gibt es viele Indi­vi­dua­listen und Stars, auf die die ein­zelnen Spiel­sys­teme aus­ge­richtet werden. In der Dritten Liga sind die Mann­schaften geschlos­sener und agieren sehr homogen, weil es kein großes Gefälle im Kader gibt. Ähn­lich wie in der Zweiten Liga wird häufig mit dem langen Ball gear­beitet. Das gibt es in der Bun­des­liga in dem Maße nicht.

Arminia Bie­le­feld steht im unteren Drittel der Liga. Was sagt diese Plat­zie­rung über die mann­schaft­liche Geschlos­sen­heit aus?
Markus Schuler: Wir mussten zu Beginn dieser Spiel­zeit 20 Neu­zu­gänge ins Team inte­grieren. Das braucht natür­lich Zeit. Zum Anfang der Saison mussten wir viele eng­li­sche Wochen spielen und ver­passten so ent­schei­dende Trai­nings­ar­beit. In den ver­gan­genen Wochen konnten wir inten­siver arbeiten und mit den Erfolgen aus den zurück­lie­genden Par­tien eine sicht­bare Ver­än­de­rung schaffen.

Was bedeutet die hohe Zahl an Neu­ver­pflich­tungen für Ihre Arbeit als Kapitän von Arminia Bie­le­feld?
Markus Schuler: Ich musste nichts machen, da die neuen Spieler ihren Ein­stand geben. Die Jungs passen gut in die Mann­schaft. Ich habe aber deut­lich gemerkt, dass jeder Spieler in dieser Stadt auch erst einmal ankommen musste. Das kenne ich auch noch aus meinen Anfangs­zeiten. Es klingt banal, aber erst wenn du dich wirk­lich wohl­fühlst, kannst du auch opti­male Leis­tungen bringen. Wir haben bisher unter unseren Mög­lich­keiten gespielt. Arminia Bie­le­feld gehört nicht in die Dritte Liga.

Sie wurden zum neuen Kapitän und zur Leit­figur dieser Mann­schaft gemacht. Pro­vo­kant gefragt: Sie sind mit der Arminia zweimal abge­stiegen. Warum sind Sie trotzdem Experte im Abstiegs­kampf?
Markus Schuler: Ich habe mit Arminia Bie­le­feld immer gegen den Abstieg gespielt und dort meine Erfah­rungen gesam­melt, die ich direkt an die Mann­schaft weiter geben kann. Wahr­schein­lich sehen die Ver­ant­wort­li­chen meinen Umgang mit den anderen Spie­lern und ein Stück weit eine sport­liche Qua­lität.

Sie koket­tieren.
Markus Schuler: Ich nehme mich nicht ganz so wichtig und freue mich lieber über die Bewer­tungen des Trai­ners und pro­biere mich so ein­zu­bringen.

Welche Erfah­rungen geben Sie kon­kret weiter?
Markus Schuler: Ich bespreche mit den Jungs Lauf­wege und tak­ti­sches Ver­schieben und bin der­je­nige, der wäh­rend des Spiels auf dem Platz Anwei­sungen gibt.

Ihr jet­ziger Trainer Stefan Krämer ist vom Co-Trainer zum Chef beför­dert worden. Hat sich dadurch auch Ihre Trai­nig­s­ar­beit ver­än­dert?

Markus Schuler: Nein, ich bin Spieler und kein Trainer.

Das Tor­schuss­trai­ning würden Sie wahr­schein­lich nicht leiten.
Markus Schuler: Warum denn nicht?

Sie sind gemessen an Toren der erfolg­lo­seste Feld­spieler der Bun­des­liga-His­torie und haben in 182 Bun­des­li­ga­spielen keinen Treffer erzielt.
Markus Schuler: Vielen Dank für den Hin­weis! Das hängt mir wirk­lich nach. Mitt­ler­weile nehme ich diese Sta­tistik aber mit Humor. Ich bin Außen­ver­tei­diger und kein Stürmer. Bei den Stan­dards musste ich immer absi­chern. Mir ist noch nicht einmal eine Flanke abge­rutscht und im Tor gelandet. Pech gehabt. Bevor ich dann ein Stol­pertor mache, lass ich es lieber ganz.

Der Zeug­wart hat sein Reich wieder. Es wird noch über legen­däre Duelle vom Mit­tel­feld­stra­tegen und Ur-Arminen Rüdiger Kauf mit dem Han­no­ve­raner Altin Lala gefach­sim­pelt. Markus Schuler kennt und liebt sie beide. In diesen Duellen zog nie einer zurück. Genau das brau­chen wir in unserer der­zei­tigen Situa­tion eigent­lich auch.“ Kampf und Arbeit statt Schön­spie­lerei. Ein­satz beweist auch der Trainer. Beim Ver­lassen des Trai­nings­ge­ländes kommt uns Übungs­leiter Stefan Krämer völlig ver­schwitzt ent­gegen. Der Mann joggt zur Arbeit. In Bie­le­feld will man wieder nach oben. Dafür braucht es keine Idylle, son­dern viel Schweiß.