Die Nationalmannschaft zeigte unter Marcus Sorg ein runderneutes Gesicht. Was für Verwirrung sorgen könnte, wenn Joachim Löw zurück zur Arbeit kommt. Ein Blick in die Zukunft.
Nicht mit Erfindungen, sondern mit Verbesserungen macht man Vermögen. Der Satz geistert Joachim Löw noch durch den Kopf, als er die Einfahrt zur Otto-Fleck-Schneise passiert. Gesagt hat ihn Henry Ford, und eigentlich dürfte das hier keinerlei Erwähnung finden, schließlich hat ein anderer Automobilhersteller sehr viel Geld für sehr exklusive Sinnsprüche bezahlt. Aber es ist nichts Geistreiches von einem VW-Vorstandschef zu finden, außer vielleicht: „Warum bot Toyota den Prius an? Weil sie keinen Diesel hatten. Da waren wir schon viel weiter, was Verbrauchseffizienz, Gewichtsreduktion und Reibungsminimierung betraf.“
Und das interessiert Joachim Löw nicht. Nicht an seinem ersten Arbeitstag nach der Zwangspause. Es müssen Verbesserungen her. Keine Schnellschussideen, sondern stetige Erweiterungen des Vorhandenen. Automatismen, die wieder greifen müssen wie eine Hand die Hantelstange.
7:55 Uhr
Routiniert zückt Joachim Löw den Schlüssel zum Haupttor der DFB-Zentrale. Seit er sich die ulkigen Gummiringe um die Schlüsselhälse gezogen hat, spart Joachim handgestoppte fünfeinhalb Sekunden beim Öffnen jeder Tür. „Das muss man mal auf eine Woche hochrechnen“, hatte Löw gesagt. Aber es dann doch gelassen. Das hätte nur unnötig Zeit gekostet.
Gerade will er das Stück feingeschliffene Metall in den Schließzylinder stecken, da macht Joachim Löw eine unangenehme Entdeckung. Der Schließzylinder ist gar nicht mehr vorhanden! „Ha, da ist man mal einmal drei Monate nicht da“, lacht er noch, als eine junge Frau im Vorbeilaufen ihre Chipkarte an ein Lesegerät hält, ehe die schwere Eisentür summt. „Obwohl,… Nach der WM war ich ja auch drei Monate nicht da.“
7:58 Uhr
Schwungvoll läuft Joachim Löw die Treppen in Richtung Nationalmannschaft, in Richtung Beletage hoch. Sicher, die Verletzung auf der Hantelbank hat ihm einiges gekostet, nicht nur fünf Zentimeter Brustumfang. Aber die Zeit der Rehabilitation hat Joachim Löw seriös genutzt. Und die Mühen der Agilitätsübungen zahlen sich jetzt, zwischen Treppe 64 und 65, voll aus.
„Zwei Minuten habe ich noch. Reicht eigentlich noch für einen Espresso“, denkt sich der Bundestrainer. Vor dem 8‑Uhr-Sitzungssaal, nicht zu verwechseln mit dem 10-Uhr- und Fünf-vor-Zwölf-Sitzungssaal im DFB-Quartier, will er noch einen schnellen Zwischenstopp in der Kaffeeküche einlegen. Da kommen ihm bereits die ersten bekannten Gesichter entgegen.
8 Uhr
„Mensch, Joachim, du wieder hier?! Mit dir haben wir ja noch gar nicht gerechnet.“ Zugegeben, die Begrüßung der Kollegen Schneider und Kuntz hätten herzlicher ausfallen können. Aber warum denn schon in Richtung Einzelbüros? – Die Morgenkonferenz beginnt doch gleich.
„Ach, Joachim, die machen wir doch schon lange nicht mehr um 8.“
„Ach nein?“
„Ne, die läuft jetzt immer schon um 7.“
„Warum denn das?“
„Das hat der Marcus so bestimmt.“
„Wer?“
„Was?“
„Hm?“
„Guten Tag.“