Stefan Szymanski, ab der Saison 2014/15 dürfen nur noch die Klubs international spielen, die nicht mehr ausgeben als einnehmen. Was bezweckt die UEFA mit der Neuregelung?
Stefan Szymanski: Sich für die Champions League zu qualifizieren, ist eine kommerziell unglaublich wichtige Geschichte geworden. Um sicher zu gehen, dass sie dabei sind, riskieren einige Klubs sehr viel. Die UEFA sagt: Die Vereine müssen vor sich selbst geschützt werden. Wenn ein Besitzer einen Klub in den Bankrott steuere, führe das zu weitreichenden Erschütterungen in der ganzen Liga.
Das kennen wir aus der Bundesliga, wird sich die europäische Fußballwelt durch die Einführung des Financial Fairplay grundlegend verändern?
Stefan Szymanski: Keinesfalls. Selbst wenn die Umsetzung gelingt, werden die Klubs weiterhin alles, was sie können, für Spieler ausgeben. Die Gehälter werden sich nicht verändern. Und wir werden weiterhin Klubs sehen, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
Aber UEFA-Präsident Michel Platini sagt doch, der Klubfußball solle „gerechter und moralischer“ werden. Was genau meint er damit?
Stefan Szymanski: Wäre es gerecht und moralisch, wenn wir in England das deutsche 50+1‑Modell übernähmen? Die Deutschen würden fortan alles gewinnen, weil sie die größte Wirtschaft Europas besitzen.
Welche Motive vermuten Sie stattdessen hinter der Initiative?
Stefan Szymanski: 52 der 53 Mitglieder der UEFA sind der Meinung, dass die Premier League gerade zu mächtig wird. Sie glauben: Wenn wir die englischen Klubs stoppen, immer mehr auszugeben, können wir selbst erfolgreicher sein. Das ist ein grundlegender Irrtum. Die heutige Position der englischen Liga hat nicht nur mit Oligarchen und Scheichs zu tun, sondern auch mit TV-Übertragungen, modernen Stadien und Merchandising. Die Mischung hat aus einem ehemals kranken Mann die stärkste Liga Europas gemacht.
Was wird sich für Roman Abramowitsch oder Scheich Mansour in der Praxis verändern?
Stefan Szymanski: Die Einhaltung der neuen Spielregeln wird bereits ab diesem Sommer kontrolliert. Wenn man seine Mannschaft in Zukunft verstärken will, muss man das geschickt verschleiern. Die Klubs müssen ihre Konten so verwalten, dass es so aussieht, als würden sie den Break Even erreichen, auch wenn es nicht wirklich der Fall ist. Die Folge: Es wird zukünftig weniger gerecht zugehen als zuvor. Und die Klubs werden immer mehr Juristen und Wirtschaftswissenschaftler einstellen, das können große eher als kleine.
Der europäische Klubfußball wird künftig von der Suche nach Schlupflöchern bestimmt?
Stefan Szymanski: Zwangsläufig. Der Katalog der UEFA besteht bereits jetzt aus 80 Seiten. In fünf Jahren wird er 800 Seiten lang sein. Wann immer man Marktaktivitäten reguliert, muss man sehr lange, detaillierte Spielregeln aufstellen, was erlaubt ist und was nicht. Selbst wenn man 95 Prozent der Betrüger fassen kann, werden die fünf Prozent, die man nicht erwischt, die Erfolgreichen sein. Es ist ein System, das am Ende die geschicktesten Betrüger belohnt.
Nur einmal angenommen, das Kontrollsystem funktioniert. Warum könnte es nichts an der englischen Dominanz ändern?
Stefan Szymanski: Es würde die Klubs auch nicht davon abhalten, mehr Geld auszugeben als alle anderen. Die Premier-League-Klubs generieren insgesamt mehr Einnahmen, sind nicht nur bei den ausländischen Fernsehrechten konkurrenzlos. Sie werden immer in der Lage sein, die besten Spieler zu kaufen.
In Deutschland glauben viele Fans, dass das Financial Fairplay den kleineren Klubs hilft.
Stefan Szymanski: Das Gegenteil ist der Fall. Es manifestiert die Dominanz der Großen. Wenn man besser werden will, muss man Geld ausgeben. Wie soll jemand besser werden, der nicht investieren darf?
Die UEFA droht in ihrem Katalog mit harten Strafen. Ist es tatsächlich vorstellbar, dass größere Klubs nicht zur Champions League zugelassen werden?
Stefan Szymanski: Es wäre sehr schwierig, Madrid, Manchester oder Bayern auszuschließen, nur weil sie eine wirtschaftliche Norm verfehlt haben. Die UEFA hat deshalb zahlreiche Sonderfälle formuliert. Mir scheint es nicht besonders moralisch, zwei Kataloge zu haben, einen für die Großen und einen für die Kleinen.
Welche wirtschaftliche Perspektive hat die englische Liga also?
Stefan Szymanski: Die Premier League wird gerade endgültig zu der globalen Liga. Traditionell gab es in Europa vier Ligen von ähnlicher Qualität. Bald werden wir nur noch eine relevante haben. Die Primera Division, Bundesliga und Serie A schrumpfen zu Satellitenligen. Barcelona und Madrid plädieren deshalb längst für zusätzliche Champions-League-Spieltage.
Warum?
Stefan Szymanski: Zukünftige Erlöse hängen stark von Einnahmen ab, die man außerhalb des eigenen Landes erzielen kann. Wenn diese Mannschaften in Spanien nur zweimal in der Saison gegeneinander spielen, haben sie wenig zu verkaufen. In der Premier League gibt es hingegen viel mehr große Spiele. Sie wird reicher und reicher.