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Dieser Text erschien erst­mals im Mai 2021.

Es war erstaun­lich, mit wie viel Wärme sich das fast men­schen­leere Olym­pia­sta­dion am Don­ners­tag­abend gegen elf Uhr füllte. Borussia Dort­mund hatte gerade zum fünften Mal den DFB-Pokal gewonnen, 4:1 in einem außer­ge­wöhn­lich guten und mit­rei­ßenden Finale. Nun tollten die Dort­munder Spieler in wel­pen­haften Über­schwang über den Rasen, warfen den schluch­zenden Łukasz Piszczek in die Luft, herzten, knud­delten und drückten sich gegen­seitig in kaum nach­las­sender Aus­dauer. Zum Abschluss­foto holten sie alle Mit­ar­beiter des Staffs zusammen und liefen dann mit dem Pokal in der Hand über die leeren Tri­bünen. Dorthin also, wo ihre Fans nicht stehen konnten.

Es war auch des­halb beson­ders bewe­gend, weil kein Sta­dion ohne Publikum leerer wirkt als das Olym­pia­sta­dion in Berlin mit seinem Meer aus trüb­grauen Sitz­schalen. Die gigan­ti­sche Schüssel ist aus rät­sel­haften Gründen stets der käl­teste Ort der Stadt, und dieses frös­telndste Pokal­fi­nale seit Jahr­zehnten fühlte sich nach einem beson­ders unan­ge­nehmen Novem­ber­abend an. Aber das alles spielte nun keine Rolle mehr, weil sich die Dort­munder auf eine Weise über sich freuten, die man so nicht unbe­dingt erwartet hätte.

Keine Zweck­ge­mein­schaft der Ich AGs

BVB-Boss Hans-Joa­chim Watzke sprach ja später davon, dass Edin Terzic im letzten Herbst eine halb­tote Mann­schaft“ über­nommen hätte. Er hätte auch sagen können, dass sie damals nicht mehr wie eine Mann­schaft wirkte. Die Abwehr­spieler fanden, dass die Stürmer vorne zu viel her­um­dad­delten anstatt Tore zu schießen. Die Stürmer zeigten auf die Ver­tei­diger, die angeb­lich pflau­men­weich ver­tei­digten. Die Super­ta­lente wirkten wie auf der Durch­reise zu grö­ßeren Klubs. Auf starke Leis­tungen folgten prompt des­in­ter­es­sierte und bes­ten­falls mit­tel­kon­zen­trierte Auf­tritte.

Inso­fern war das Erstaunen über den Dort­munder Jubel ange­bracht. Denn da freute sich unüber­sehbar eine rich­tige Mann­schaft und keine Zweck­ge­mein­schaft der Ich-AGs. Es war auch eine Mann­schaft, die das Finale gewonnen hatte, denn nur gemeinsam über­standen sie das gewal­tige Anrennen des Geg­ners aus Leipzig, der sich selbst beim Stand von 0:3 zur Halb­zeit nicht geschlagen gab. Borussia Dort­mund brauchte eine Menge Glück, um das Spiel nicht ganz aus der Hand zu geben, aber sie arbei­teten eben auch als Team zusammen.

Es war eine Mischung aus der Schlacht­for­ma­tion der römi­schen Schild­kröte, wie man sie aus Asterix-Heften kennt, und dem Rope-a-Dope eines Muhammad Ali, mit dem der BVB stand­hielt. Eng an eng drängten sie sich zusammen, um ihr Tor zu ver­tei­digen und hielten den Dau­er­druck der Leip­ziger lei­dens­be­reit und dul­dungs­voll aus. Das war ver­mut­lich nicht der Plan, aber zumin­dest zeigten die Schmerzen der zweiten Halb­zeit, dass diese Mann­schaft inzwi­schen das hat, was ihr so lange abge­spro­chen wurde: Men­ta­lität. Soli­da­risch betei­ligten sich auch die Offen­siv­spieler an einem Abwehr­kampf, in dem jeder gebraucht wurde, um Löcher zu stopfen.