Edin Terzic hat Borussia Dortmund in diesem Jahr nicht nur zum Pokalsieg geführt. Er gab dem Klub auch seine Identität wieder.
Leipzigs Trainer Julian Nagelsmann sagt gerne, dass Fußball kein Spiel der Trainer, sondern der Spieler ist. Das 78. DFB-Pokalfinale bestätigte und widerlegte ihn zugleich. Entschieden wurde das Spiel nicht, weil Terzic seinen Konkurrenten Nagelsmann ausgecoacht hätte. Für den Unterschied sorgten die Spieler: namentlich Erling Haaland und Jadon Sancho, die sich die vier Dortmunder Tore teilten. Besonders ihre ersten beiden Tore waren Treffer, wie sie nur Spieler schießen, die das Potenzial zur Weltklasse haben. Haalands 2:0 war ein brutalistisches Kunstwerk aus purer Kraft und feiner Raffinesse. Dass er Dayot Upamecano, der sonst wie eine Ein-Mann-Armee verteidigt, wie einen unbedarften Rookie aussehen ließ, sagt mehr über die phänomenale Klasse des Norwegers als über Upamecanos Schwäche in diesem Moment.
Neben Haaland und Sancho ließ auch Marco Reus die Borussia in der Offensive so glänzen, dass es immer logischer erscheint, ihn zur Europameisterschaft mitzunehmen. Und den meisten Anhängern der Borussia dürfte es warm ums Herz geworden sein, den 35-jährigen Piszczek in seinem letzten großen Spiel so agieren zu sehen wie in seinen besten Zeiten. Der Pole ist übrigens auch der BVB-Talisman, von den 18 Spielen in dieser Saison, bei denen er auf dem Platz stand, wurden 17 gewonnen. Es waren also die Spieler, die mit ihrer Kunst, Wucht oder Verlässlichkeit das Finale entschieden. Aber es war auch ein Spiel des Trainers.
Edin Terzic hat im Laufe der letzten Monate die Spielweise des BVB intensiviert. Die Mannschaft greift früher an, sprintet mehr und verteidigt unter Beteiligung aller Spieler. Den Spielern hat er das im Laufe von vielen Trainingseinheiten eingebläut und schmackhaft gemacht, verstärkt durch zunehmende Erfolgserlebnisse haben sie so das Mannschaftsgefühl wiederentdeckt. Zur Dialektik des Fußballs gehört es, dass je mehr der einzelne Spieler von seinem Ego an sein Team abgibt, desto größer seine Chance ist, im schönsten Lichte dazustehen. Doch so einfach dieser Zusammenhang auch sein mag, so schwer ist es, diesen immer wieder mit Leben zu füllen. Und selbst große Spieler wie Robert Lewandowski haben lange gebraucht, das wirklich zu verstehen.
Dem jungen Trainer ist das auf bewundernswerte Weise gelungen, weil er damit nicht nur eine halbtote Mannschaft mit Leben erfüllte, sondern Borussia Dortmund insgesamt seine sportliche Identität wiedergegeben hat. Terzic versteht den Klub, weil er selber durch und durch Borusse ist. Er verfügt aber auch über die Fähigkeit, das in praktische Arbeit zu übersetzen und nicht nur in rührende Reden. So sind BVB-Spiele inzwischen wieder emotionale Ereignisse. Insofern ist es ernsthaft bedauerlich, dass er in der kommenden Saison nicht mehr der Cheftrainer des Teams sein kann, das nun seins ist. Das ist aber kein Versagen der BVB-Bosse, denn hätten sie ihn vor Monaten zum Chef gemacht, wäre Terzic im Auf und Ab der letzten Monate vermutlich gekentert, weil er immer mit der zermürbenden Frage hätte leben müssen, ob die Aufgabe für ihn zu groß sei. Doch eins wissen wir jetzt genau: Sie war es nicht.