Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Seite 2: Bierbäuchige K-Pop-Fans

Und des­wegen sollte man lieber auf den Mann schauen, der sich ver­än­dert hat. Einen großen Teil seines Trainerle­bens lang galt Tuchel als deut­sche Ver­sion von Guar­diola. Wie der Kata­lane, so war der Schwabe berühmt für seine sich ständig ändernden Match­pläne“, gab prak­tisch keine Inter­views, hielt sein Pri­vat­leben sehr privat, fiel nicht durch Inter­esse an den Fans seiner Ver­eine auf und hatte den Ruf, in seinen Spie­lern wenig mehr zu sehen als Salz­streuer, die man auf dem Restau­rant­tisch ver­schiebt, um tak­ti­sche Nuancen zu ver­an­schau­li­chen.

Doch schon Thiagos erste innige Umar­mung vor neun Monaten passte nicht ins Bild. So tröstet ein Spieler keinen kalten Tech­no­kraten, so ver­ab­schiedet ein großer Spieler jemanden, den er für einen großen Trainer hält. Der Bra­si­lianer wusste da ja schon, dass er Paris ver­lassen würde, und hätte sich kaum träumen lassen, dass Tuchel ihm nur rund fünf Monate später nach London folgen sollte. Und dort, beim FC Chelsea, gab es dann rasch Bilder zu sehen, die man in Dort­mund nie für mög­lich gehalten hätte. Zum Bei­spiel bier­bäu­chige Anhänger, die Tuchels Auto auf der Straße erkennen, und dem Wagen jubelnd nach­rennen, wie ver­zückte K‑Pop-Fans, die ein Teenie-Idol ent­deckt haben.

War das wirk­lich Tuchel?

Mit ähn­li­chen Szenen begann auch der Abend in Porto Ende Mai. Als Tuchel lange vor dem Anpfiff auf den Rasen schlen­derte, um die Inter­views zu geben, die er laut Ver­trag geben muss, sprangen die Chelsea-Fans auf und jubelten ihm lauter zu als jedem ihrer Spieler. Und zwei­ein­halb Stunden später, als die letzten Minuten des Finals zu einer Abwehr­schlacht für Chelsea wurden, stand Tuchel vor der Tri­büne und diri­gierte nicht seine Elf, son­dern die Anhänger. Wie ein Low-Carb-Karajan riss er die Arme hoch, damit die Zuschauer ihr Team durch die bangen Schluss­mi­nuten trugen.

Nach dem Abpfiff wid­mete Tuchel den Sieg diesen Anhän­gern. Dann sagte er: Das ganze Spiel ist für die Fans. Das Spiel ist kom­plett anders, wenn Fans da sind.“ Da fiel so man­chem Fern­seh­zu­schauer am Borsig­platz die Fla­sche Kronen Export“ aus der Hand. War das der Thomas Tuchel, der in Dort­mund den Ein­druck machte, als wäre das Para­dies ein Ort, an dem man unter Aus­schluss der Öffent­lich­keit trai­nieren und spielen darf?