Tom Starke soll vorerst Torwarttrainer des FC Bayern München sein. Keine üble Wahl, denn schon als ewige Nummer 2 wusste er, auf seine Kollegen zu achten.
Dieses Interview erschien erstmals 2021.
Tom Starke, mit dem FC Bayern München gewannen Sie 15 Pokale – und machten 12 Spiele. Keine schlechte Quote.
Stimmt, aber wissen Sie, was mir wichtiger ist: Dass niemand denkt, ich hätte mich auf dem Erfolg anderer ausgeruht. Beim FC Bayern kommt es eben auf Leistung an, auch als Ersatztorhüter. Und ich wusste nie, wann ich das nächste Mal gebraucht werde, ob heute oder in zwei Jahren. Ich wollte immer bereit sein und deshalb im Training niemals abfallen.
Hatten Sie je bei einer Siegerehrung den Gedanken: „Ja, das ist mein Pokal“?
Daran habe ich bei großen Siegen nie gedacht. Das hatten doch Wir geschafft, diese eingeschworene Truppe, in der es Häuptlinge und Indianer gab. Aber eine gewisse Genugtuung hat mich in den Tagen nach großen Titelgewinnen schon beschlichen. Ich hatte bis zu meinem Wechsel zu den Bayern ja keinen einzigen Titel gewonnen, mittlerweile sind es 15 als Spieler und sechs als Torwarttrainer. Und das macht mich stolz.
Was halten Sie von Spielern, die auf dem Siegerpodest – gemessen an ihrem Beitrag – ein wenig zu früh den Pokal in den Händen halten?
(Lacht.) Ich weiß, was Sie meinen, davon bin ich auch kein Fan. Also ich kam nie auf den Gedanken, mich bei einer Pokalübergabe neben Philipp Lahm zu stellen, ich kannte meinen Platz in diesen Situationen. Wer den Hauptanteil hat, sollte auch in der Mitte stehen. Eine Ausnahme gab es aber bei uns …
Ach ja?
2016, am Tag des Deutschen Supercupfinales, hatte Nico Feldhahn Geburtstag. Nico spielt bis heute in der zweiten Mannschaft, ist dort auch Kapitän. Aber an diesem Abend stand er im Kader der Profis und hatte Geburtstag. Bei der Siegerehrung hat ihm Manuel als allererstes den Pokal überreicht, das war schön, aber: Manu hat sich aktiv zu ihm bewegt, er hat sich nicht vorgedrängelt, ihm war es sogar etwas unangenehm.
Sie holten Titel ohne Ende, gespielt haben sie fast nie: die zweiten Torhüter des FC Bayern München. Aus dem Leben gut bezahlter Zuschauer.
Als Sie 2012 zum FC Bayern wechselten, hatten Sie gerade eine hervorragende Saison als Stammtorhüter bei der TSG Hoffenheim hinter sich. Trotzdem entschied sich der Verein im Sommer, Tim Wiese zu verpflichten und Ihnen zu empfehlen, sich einen neuen Verein zu suchen.
Ich hatte in meiner Karriere mehrere Phasen. Als junger Torwart in Leverkusen, als Stammtorhüter in Hoffenheim, dann als älterer Torwart in München – klar, da sind die Motivationen nochmal anders. Als junger Kerl war ich ungeduldig, habe Gas gegeben, um voranzukommen. In Leverkusen habe ich es lange probiert, es hat nie geklappt. Umso wichtiger war es, dass ich nach Hoffenheim gegangen bin, weil ich als Torwart auch mal im Schaufenster stehen musste. In München aber war es eine ganz andere Situation. Ich stand hinter dem Besten der Welt.
Manuel Neuer war die klare Nummer 1. Was hat Ihnen Sportdirektor Christian Nerlinger damals versprochen, um Sie von einem Wechsel zu überzeugen?
Versprochen wurde mir gar nichts. Mir gefiel, dass Christian Nerlinger mir gegenüber damals gar keine Luftschlösser gebaut hat, sondern Verständnis signalisierte. Er sagte: „Ich kann mich in deine Situation reinversetzen, das ist gar nicht so einfach, aus dem Rampenlicht herauszutreten, also überleg’s dir in aller Ruhe.“ Es ist ja nicht ganz selbstverständlich, dass der FC Bayern ruft, und ein Spieler erst einmal zögert, aber bei mir war das für den Verein in Ordnung.
Was fanden Sie in München vor?
Eine Mannschaft auf allerhöchstem Niveau. Die Jungs hatten im Sommer 2012 gerade das Champions-League-Finale verloren, aber wollten es unbedingt noch einmal wissen. Für mich war vieles neu: das tägliche Training auf absolutem Weltklasseniveau, die wöchentlichen Reisen, die Charaktere im Training. Und ich sollte Teil davon sein.
Welche Rolle nahmen Sie innerhalb der Mannschaft ein?
Ich würde jetzt nicht sagen, ich sei der Gute-Laune-Bär gewesen, aber ich habe zugehört, mich als Ansprechpartner angeboten. Ich glaube, das haben viele Kollegen geschätzt.
Zum Beispiel?
Ich will da keine Namen nennen, aber bei den Bayern kommt es vor, dass ein Spieler in seinen Augen zu früh ausgewechselt wird und er damit unzufrieden ist. Einmal hatte ich das Gefühl, dass dieser Spieler im nächsten Training eher gegen den Trainer gespielt hat, um ihm zu zeigen, wie sauer er war. Da habe ich mir den Kollegen geschnappt und ihm klar gemacht, dass er sich ja nur selber schadet und er den Trainer in dessen Meinung nur bestätige. Ich habe ihm gesagt: „Wenn du schon so egoistisch denkst, dann sorg’ dafür, dass der Trainer beim nächsten Mal nicht an dir vorbeikommt.“