Nach der EM im Sommer ist Joachim Löw von seinem Posten als Bundestrainer zurückgetreten. Zeit für einen Blick zurück auf 17 überaus erfolgreiche Jahre.
Revolution der Strahlemänner: Nach dem Rücktritt von Rudi Völler übernimmt Jürgen Klinsmann im Juli 2004 das Amt des Bundestrainers. Oliver Bierhoff wird Teammanager, Joachim Löw Co-Trainer.
Einigkeit und Recht und (Krawatten-)Freiheit: Klinsmann und Löw verordnen dem DFB einen radikal neuen Stil.
Die Rollenverteilung ist klar: Klinsmann ist der große Reformer und Motivator, Löw das Mastermind im Hintergrund.
Aber der Mann im Hintergrund weiß: Wer schreibt, der bleibt.
Zu Beginn riecht es nicht unbedingt nach Erfolg. Im Vorfeld der WM 2006 gibt es eine denkwürdige 1:4‑Niederlage gegen Italien.
Doch es kommt ganz anders.
Die WM im eigenen Land wird für Klinsi und Jogi zu einem Jubellauf direkt in die Herzen der Menschen.
Entschuldigung. „Jubelsprint“ muss es natürlich heißen.
Klinsmanns Energie und Löws Taktik sind die Grundlagen des Sommermärchens.
Am Ende wird die deutsche Mannschaft Dritter. Der weitaus größere Erfolg: Nach biederen Jahren schafft es eine deutsche Nationalelf wieder, die Menschen zu begeistern.
Auch die Bundeskanzlerin ist ganz hin und weg.
Nach dem Turnier verkündet Jürgen Klinsmann, dass er seinen auslaufenden Vertrag nicht verlängert. Der logische Nachfolger: Joachim Löw. Sein erstes Spiel ist ein 3:0‑Sieg gegen Schweden. Und direkt umweht die Nationalelf eine neue Lässigkeit.
Die EM 2008 in Österreich und der Schweiz ist das erste Turnier unter Löws Regie als Bundestrainer. Und der bläst gleich mal zum Angriff auf den Gipfel.
Um das Ziel zu verdeutlichen, hat der DFB eine (Zug-)Spitzenidee: Der Kader für das Turnier wird auf Deutschlands höchstem Berg bekanntgegeben. Vor diesem Panorama werden auch die Nationalspieler auf einmal ganz klein.
Auch in ihren Auftritten an der Seitenlinie machen Löw und sein Assistent Hansi Flick klar: Sie wollen hoch hinaus.
Doch im Finale gegen Spanien folgt die Bruchlandung. Hier leistet Löw erste Hilfe bei Bastian Schweinsteiger.
Anschließend stromert der Bundestrainer allein über den Rasen des Ernst-Happel-Stadions in Wien. Wird eine solche Chance je wieder bekommen?
Immerhin: Die Kanzlerin ist immer noch verliebt.
Nächster Anlauf: Die WM 2010 in Südafrika. Natürlich bleiben klischeebeladene Bilder im Vorfeld des Turniers nicht aus.
In Südafrika überzeugt die deutsche Mannschaft mit teils berauschendem Offensivfußball. Und die Trainer…
… mit einheitlichen Outfits.
Doch am Ende heißt es wieder einmal: Endstation Spanien. Im Halbfinale ist Schluss.
Wie 2006 wird die deutsche Nationalelf auch 2010 WM-Dritter.
Für seine Leistungen erhält Löw sogar das Bundesverdienstkreuz – und natürlich anerkennende Blicke von Angela Merkel.
In Polen und der Ukraine unternimmt Löw bei der EM 2012 den nächsten Versuch, einen Titel zu holen.
Und zumindest jubeltechnisch versprühen Hansi und Jogi leichte Klinsi-und-Jogi-Vibes.
Doch im Halbfinale bringen Mario Balotelli und die italienische Nationalelf Joachim Löw auf den Boder der Tatsachen zurück.
Dafür gelingt der Start ins WM-Turnier in Brasilien 2014 wieder einmal fulminant: Deutschland besiegt Portugal und Cristiano Ronaldo mit 4:0.
Bei Spaziergängen am Strand sammelt der Bundestrainer Energie für die anstehenden Aufgaben.
Wie zum Beispiel für das Wiedersehen mit Jürgen Klinsmann, der im letzten Gruppenspiel mit den USA wartet.
Doch der Fokus liegt klar auf Rio de Janeiro.
Im Halbfinale wird nochmal kurz der Gastgeber mit einem historischen 7:1 in die Schranken gewiesen. Spätestens jetzt ist klar: Da geht was.
Dann im Finale Mario Götze ein paar legendäre Worte ins Ohr flüstern.
Und dann endlich diesen verdammten Pokal in die Höhe stemmen!
Zur Belohnung gibts innige Umarmungen mit Bastian Schweinsteiger…
… Franz-Beckenbauer-Gedächtnis-Moves…
… und natürlich schmachtende Blicke von Angela Merkel.
Ach ja, und ein Bad in der Menge bei der Rückkehr nach Berlin.
2016 schickt sich Löw an, nach dem WM- auch den EM-Titel zu holen.
Blöd nur, dass dieses Mal kein Messi mitspielt, der für legendäre Einflüsterungen herhalten kann.
Im Viertelfinale schlägt Deutschland Italien nach Elfmeterschießen. Es ist der erste Pflichtspielsieg einer deutschen Mannschaft gegen Italien überhaupt. Und langsam muss die Frage erlaub sein: Kann dieser Joachim Löw vielleicht einfach alles?
Die Antwort folgt prompt: Nein.
Im Halbfinale unterliegt die Mannschaft Gastgeber Frankreich mit 0:2.
Dafür holt Löw 2017 mit einer Truppe, die größtenteils aus unerfahrenen Nationalspielern besteht, den Confederations Cup.
Zur Belohnung gibt es Umarmungen mit echten Fußballlegenden. Hier mit Diego Maradona.
Hier mit Ronaldo.
Hier mit… Moment. Wir haben Fußballlegenden gesagt!
Moment. Wir haben FUSSBALLLEGENDEN gesagt!
2018 tritt Löw in Russland zur Verteidigung des WM-Titels an. Und irgendwie scheint es, als hätte er von Beginn an kein gutes Gefühl.
Zurecht! Schon im Auftaktspiel gegen Mexiko setzt es eine 0:1‑Niederlage.
Der Bundestrainer muss nachdenken.
Aber wirkt doch ratlos.
Gegen Schweden gibt es zwar noch einen späten 2:1‑Sieg.
Doch nach einer 0:2‑Niederlage gegen Südkorea scheidet die deutsche Nationalmannschaft schon in der Gruppenphase aus.
Nie hat eine deutsche Mannschaft schlechter bei einer WM abgeschnitten.
Da hilft
auch
alles
Gestikulieren
nichts.
Das Turnier wird zum Debakel.
Im Anschluss an die WM stellen sich Joachim Löw und Oliver Bierhoff der Presse. Mit 110 Minuten ist es die längste Pressekonferenz der DFB-Geschichte. Löw räumt ein, Fehler begangen zu haben, die „fast schon arrogant“ gewesen seien.
Doch aus der Krise kann der Trainer die Mannschaft nicht mehr befreien. Oft ist die Nationalelf nur noch das Ziel von Spott. Im vergangenen November setzt es mit einem 0:6 gegen Spanien eine historische Pleite.
Dennoch: Mit Ausnahme der WM 2018 führte Löw die deutsche Nationalmannschaft bei großen Turnieren immer mindestens bis ins Halbfinale. Dafür gebührt ihm beim Blick zurück vor allem eins: högschde Anerkennung.