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Seite 2: „Das Abkulten und Abfeiern von Deutschland bei großen Turnieren ist kaum ertragbar“

Mit kon­kreten Sprü­chen gegen ihn oder anderen pro­mi­nente Spieler halten Sie sich im Internet trotzdem zurück.
Wäh­rend der WM 2018 waren ein paar gegen Müller dabei. Da habe ich auch Mats Hum­mels für seine anti­fa­schis­ti­sche Arbeit gedankt, nachdem er den Ball gegen Süd­korea übers Tor geköpft hatte. Aber stimmt schon, danach kam nicht mehr viel in die Rich­tung. Was auch daran liegt, dass es extrem anstren­gend ist, sich mit Fuß­ball­fans im Internet zu streiten.

Auf Fans wie­derum hauen Sie gerne drauf, meis­tens nicht son­der­lich dif­fe­ren­ziert. Das dürfte auch für Streit sorgen.
Das pas­siert, ja. Aber meis­tens gibt es nur Streit, weil ich mit den Fans in der Regel die Leute in den Ver­eins­heimen, die Stamm­ti­sche, die Party-Patrioten meine. Und nicht die aktiven Fans oder Ultras. Die sich dann aber leider manchmal von mir ange­spro­chen fühlen, wenn ich in Tweets von Fuß­ball­fans schreibe. Ich weiß, wie wichtig viele Ultra­gruppen in den Kurven sind in Bezug auf anti­fa­schis­ti­sche Arbeit. Ich weiß, dass es Quatsch ist, Ultras gene­rell Kri­mi­na­lität oder Nähe zum rechten Rand vor­zu­werfen. Wie gesagt: In meinen Tweets sind die nicht gemeint.

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Pau­lina Hil­des­heim

Wie ist gene­rell Ihr Ver­hältnis zur Natio­nal­mann­schaft?
2006, beim Aus gegen Ita­lien, habe ich geflennt. Aber da war ich auch erst zehn Jahre alt. Mitt­ler­weile finde ich fast alles, was im Dunst­kreis vom DFB pas­siert, grau­en­haft. Den Umgang mit Mesut Özil und Ilkay Gün­dogan bei der WM 2018, das Tot­schweigen von Ras­sismus in der und um die Natio­nal­mann­schaft herum, all das fand ich schlimm und bedenk­lich. Aber als der zyni­sche Wichser, der ich bin, habe ich mir die Spiele bei der WM dann natür­lich trotzdem ange­schaut. Das Spiel gegen Süd­korea sogar im Kreise meiner Deutsch­land-Trikot tra­genden Mit­be­wohner. Der eine hatte Oreos, Was­ser­me­lone und Ananas als Schland-Fahne auf dem Tisch deko­riert. Ich fand es zum Schreien witzig. Das Aus­scheiden übri­gens auch. Und richtig, wir wohnen nicht mehr zusammen. (Lacht.)

Gegen Oreos, Was­ser­me­lone und Ananas gibt es eigent­lich nicht viel ein­zu­wenden. Konnten Sie ihrem Mit­be­wohner seine Begeis­te­rung nicht ein­fach lassen?
Heute, als etwas rei­ferer Mensch, würde ich mich viel­leicht ein wenig zurück­halten. Aber zum Thema Natio­nal­mann­schaft abfeiern“ hatte ich kurz vor dem Süd­korea-Spiel ein sehr prä­gendes Erlebnis. Beim Schweden-Spiel. Ein Ver­wandter meiner dama­ligen Freundin hatte ein­ge­laden, der hatte Geburtstag, und dort wurde in einer umge­bauten Scheune gefeiert. Die war wie­derum in zwei Räume auf­ge­teilt. Der erste Raum war kom­plett mit FC-Bayern-Merch aus­ge­stattet, so richtig over the top, Bayern-Schals als Tapete, aus­ge­schnitzte Logos in Feu­er­körben. Dort waren wir zuerst, und um 18 Uhr hieß es dann: Wir schauen das Län­der­spiel drüben im anderen Raum. Danach ging die Tür auf, und in der Scheune war alles aus­ge­kleidet mit Flaggen. Mit nor­malen Deutsch­land­flaggen – aber auch mit Reichs­kriegs­flaggen, schwarz-weiß-rot, Nazi­flaggen. Da habe ich auf dem Absatz kehrt gemacht und bin wortlos heim­ge­fahren. Das war offen rechts. Da konnte ich nicht Fuß­ball schauen. Diese Fans waren rechts und natio­na­lis­tisch. Auch des­halb ist für mich das Abkulten und Abfeiern von Deutsch­land bei großen Tur­nieren kaum ertragbar.

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Was ist mit Tweets wie diesem? Können Sie den ertragen?
Nein. Das ist rundum lach­haft. Dietmar Hopp als Huren­sohn zu beschimpfen ist sexis­tisch, da müssen wir nicht drüber reden. Aber sich aus­ge­rechnet dann gegen Ras­sismus und Dis­kri­mi­nie­rung zu posi­tio­nieren, wenn es um einen der reichsten Männer des Landes geht, ist lach­haft. Das macht mich wütend. Wo war er, als Özil belei­digt wurde? Wo ist der Post von Thomas Müller, wenn Moria brennt? Wo ist der Post zu Black Lives Matter? Aber wenn Dietmar Hopp beschimpft wird, dann ist er da?

Was ist Ihnen als Experte lieber: Der erste Tweet?

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Oder der zweite?

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Zunächst zwei Sachen: Accounts mit blauem Haken finde ich grund­sätz­lich unsym­pa­thisch. Und dass Leon Goretzka Bock hat, seinen Körper zu zeigen, checke ich total. (Lacht.) Zu dem zweiten Post kann ich nur sagen, dass das ein stink­nor­maler Agentur-Tweet ist. Ein genau berech­neter Gag, ohne Kante, total egal, Reis­waffel-Social-Media. Jeder Kom­mentar zu diesem Ding ist kom­plett vor­her­sehbar. 30 mal #mia­sanmia, ein paar vor Lachen wei­nende Smi­leys und einer, der möchte, dass Goretzka zu Fener­bahce wech­selt.

Gibt es bei all den aus­tausch­baren Accounts trotzdem einen Spieler, dem Sie gerne folgen?
Mats Hum­mels. Aber nur, weil der ab und zu meine Tweets liked, und ich das dann immer sofort wissen will. Also folge ich ihm, und wenn ihm was von mir gefällt, bekomme ich sofort eine Noti­fi­ca­tion. Meis­tens macht er das zu ganz selt­samen Zeit­punkten, 20 Minuten vor einem Spiel zum Bei­spiel. Da denke ich mir immer: Junge, was schaust du jetzt gerade bei Twitter rein? Soll­test du dich nicht auf das Spiel vor­be­reiten?“ Ich frage mich, was pas­sieren würden, wenn ich dem mal in die DMs slide. Ob ich dann mal in Dort­mund über­nachten dürfte?

Gibt es einen Spieler, mit dem Sie gerne mal ein Bier trinken würden?
Mit Marc Schnat­terer. Der hat eine Pro­mi­nenz in Hei­den­heim, die wird nie wieder jemand dort errei­chen. Hei­den­heim ist zwar ein egaler Ort, aber mit Schnat­terer dort durch die Kneipen zu ziehen, muss groß­artig sein. Allein schon, weil man nir­gendwo zahlen müsste. Und ich würde mich gerne mal von Dieter Hecking anschreien lassen. Ich denke, das würde in mir ganz neue Kräfte frei­setzen, das könnte mein Leben ver­än­dern.