Er nennt sich selbst einen Internet-Clown und erreicht mit seinen Sprüchen hunderttausende Menschen täglich: Sebastian „El Hotzo“ Hotz über schöne Trikots, Reichsflaggen bei der WM und Notifications von Mats Hummels.
Sebastian Hotz, haben Sie als Kind Fußball gespielt?
Klar. Ich komme aus einem bayrischen Dorf, da ist das Pflicht. Du bist ein Junge? Dann magst du gefälligst die Farbe Blau und gehst in den Fußballverein! Aber bei mir war von Anfang an klar, dass ich kein Talent habe. Viele Leute behaupten ja immer, sie hätten kein Talent, spielen dann aber als Erwachsene trotzdem jahrelang Kreisklasse. Bei mir hat es nicht mal dafür gereicht. Ich habe mich, seit ich acht Jahre alt bin, in Bezug auf Fußball motorisch nicht weiterentwickelt. Nach der A‑Jugend war dementsprechend Schluss. Da habe ich gesagt: „Jungs, wir wissen alle, dass es nichts bringt.“
Klingt etwas traurig.
Ein bisschen das Herz bricht es mir im Nachhinein schon. Weil ich immer mit so viel Einsatz bei der Sache war. Ich habe zwar sehr früh gemerkt, dass es mit einer Profikarriere nichts werden würde – eine recht tragische Einsicht für einen Achtjährigen – aber ich habe dann trotzdem zehn Jahre im Verein verbracht. Ich war bei jedem Training, bei jedem Spiel, selbst wenn mir der Trainer davor per Nachricht mitgeteilt hatte, dass er nur 14 Trikots dabei hätte und ich deswegen nicht zum Einsatz kommen würde. Ich bin trotzdem mit.
Warum?
Ich wollte Teil der Mannschaft sein. Und es hat mir auch so Spaß gemacht. Der Geruch vom Rasen, die muffigen Kabinen, die fetten Knöchelschoner, ich fand das immer toll. Mein Problem waren aus fußballerischer Sicht die Jahre in der F- und E‑Jugend. Da stand ich im Tor, während bei den anderen Kindern die technischen Grundlagen geschaffen wurden. Statt das wirklich wichtige Zeug zu lernen, habe ich mich zwei Stunden abballern lassen. Andererseits finde ich noch heute: Torwart ist die coolste Position!
Als El Hotzo erreicht Sebastian Hotz, Jahrgang 1996, via Twitter und Instagram mehr als 350.000 Menschen. In seinen Tweets geht es häufig um Studenten, anstrengend urbane Menschen – und um Fußball.
Weil?
Weil die Kerle keinen Respekt vor dem eigenen Körper haben, das hat was von Selbstaufgabe. Die lassen sich abschießen, die springen in Gegenspieler rein, die werfen sich auf den Boden – irgendwie gut. Ich fand auch Dreck schon immer toll. (Lacht.)
Wer war ihr Lieblingkeeper?
Oliver Kahn natürlich. Ich habe, und das ist kein Spruch, als Kind in Bayern-Bettwäsche geschlafen. Mein Vater hat dafür gesorgt, der ist Bayern-Fan, meine Oma war auch Bayern-Fan. Ich habe mich später, nach dem Tod meiner Oma, davon abgenabelt, auch aus jugendlichem Trotz. Ich hatte irgendwann keinen Bock mehr auf die Bayern, ich wollte meinem Vater nicht mehr blindlings nacheifern, außerdem war mir die Allianz-Arena zu klinisch, zu sehr Freizeitpark, zu wenig Fußballstadion. Doch als Kind war das bei uns so ein Mehr-Generationen-Ding. Wir haben uns zu dritt im Wohnzimmer getroffen und die Bayern geschaut. Dazu muss man ja auch sagen: Früher war das Leben als Bayern-Fan zumindest ab und an noch mit einer gewissen Tragik verbunden, wenn Felix Magath Ali Karimi eingewechselt hat oder so. Da gab es zumindest die theoretische Möglichkeit, dass etwas schief geht. Heute ist ein 0:0 in Bochum undenkbar.
„Sebastian, du musst hier irgendwie die Notbremse ziehen“
Haben Sie sich als Jugendlicher dann einfach einen neuen Lieblingsverein ausgesucht?
Mittlerweile drücke ich – ekelhafte Hipster-Antwort, aber ist halt so – Nottingham Forest und Arminia Bielefeld die Daumen. In Bielefeld habe ich studiert.
Und Nottingham Forest?
Das ist ein Klub mit gigantischer Geschichte. Die haben als einziger Verein Europas mehr internationale als nationale Titel geholt! Aber der wahre Grund, warum ich die mag, ist natürlich der Football Manager. Ich habe mich beim Zocken in die Truppe verliebt.
Football Manager ist eher ein Spiel für Tüftler und Nerds.
Es ist, ich betone, kein Entertainment. Also so gar nicht. (Lacht.) Ich habe mich Anfang April mal dabei beobachtet – eine Art Out of Body Experience –, wie ich zu Hause vorm Rechner sitze und eine schlechte 3D-Animation von einem Fußballspiel sehe, in dem noch nicht mal die Mannschaft zu sehen ist, die ich betreue, sondern zwei fremde Teams. Weil ich einen Spieler scouten wollte. Da habe ich mir gedacht: Sebastian, du musst hier irgendwie die Notbremse ziehen. Aber ich finde es alles in allem trotzdem geil. Vorhänge zuziehen, 16 Stunden zocken, sich danach wie ein Stück Dreck fühlen.
Apropos 16 Stunden vorm Bildschirm hängen und sich hinterher mies fühlen: Sie sind sehr aktiv auf Twitter. Als „El Hotzo“ stänkern Sie bis zu 30 Mal täglich, in der Regel gegen weiße, privilegierte Männer, die keine echten Probleme haben, dafür aber eine unangenehme Auffassung von Humor. Was die Frage aufwirft: Was haben Sie gegen Thomas Müller?
Ha! Zunächst muss ich an der Stelle sagen, dass ich selber diesem Feindbild ja total entspreche, ich bin ein privilegierter Studentenbengel, insofern basieren viele meiner Sachen auf einer ordentlichen Portion Selbsthass. Zweitens habe ich tatsächlich einen Hals auf Thomas Müller. (Lacht.) Beziehungsweise auf die Art und Weise, wie er wahrgenommen wird. Es gibt keinen Artikel über ihn, in dem nicht mindestens einmal das Wort „kultig“ fällt. Ich finde es unfassbar, wie ein Kerl mit so wenigen lustigen Sprüchen so dermaßen abgekultet wird. Das schlimmste daran: Ich schätze den als Fußballer total. Ich bewundere, wie der es mit seinen vermeintlichen Kreisliga-Skills immer wieder schafft, auf diesem Niveau zu spielen. Und trotzdem kann ich dieses Gesicht nicht mehr sehen! Diese bewusste „Ich trage keine bunten Schuhe, ich habe nie eine ausgeflippte Frisur“-Attitüde, dieses Anbandeln mit den Stammtischen – ich kann es nicht mehr ertragen.