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Seite 2: Bei den letzten Spielen mit Zuschauern

Wer sich rund um die Spiele mit ein­zelnen Fans unter­hält, trifft sehr wohl auch kri­ti­sche Geister und nach wie vor sport­be­geis­terte Anhänger. Letz­tere wollen einmal einen Spieler wie Toni Kroos live sehen; sie gehen mit Freunden ins Sta­dion, die sonst in der Bun­des­liga zum großen Rivalen halten. Oder sie wollen die junge Mann­schaft unter­stützen. Doch die gesamte Sze­nerie erin­nert an eine Abfer­ti­gungs­halle voller deut­scher Mal­lorca-Pau­schal­tou­risten. Leicht beschwipst, alle Sorgen ver­ges­send, Brat­wurst und Bier acht­fünfzig? Immer gerne, heja DFB. Im Sta­dion aller­dings ver­liert sich der Taumel schnell. Dort ist die Stim­mung gequält, die Ober­ränge sind leer. Deutsch­land gewinnt 4:0 – doch der Abpfiff erlöst beide Mann­schaften, frie­rende 33 000 Zuschauer – und zwanzig Yetis.

Die Nord­iren singen das Sta­dion nieder

Beim Spiel gegen Nord­ir­land wird es nicht anders. Immerhin, die LaOla beherr­schen die Deut­schen noch so gut wie das Melden von Falsch­par­kern. Nur zwei Blöcke machen nicht mit, träl­lern dafür unent­wegt We’re on our way, on our way, to the Euros, we’re on our way“. Die Nord­iren singen den Rest des Sta­dions nieder. Es wirkt, als hätten George Best und seine Kum­pane den Canasta-Abend von Berti Vogts gestürmt.

Oliver Bier­hoff hat zwi­schen den Spielen nicht viel Zeit für Ein­zel­ter­mine, doch zur Pres­se­kon­fe­renz im Düs­sel­dorfer Hotel erscheint er mit flu­sen­freiem schwarzem Pull­over und ereig­nis­freier Rhe­torik. In der Erin­ne­rung der Deut­schen beju­belt er immer noch wahl­weise das Golden Goal oder die Vit­amine für die Haar­wurzel im Wer­be­spot. Weil ich es mir wert bin. Er ist seit 15 Jahren der Manager der Natio­nal­mann­schaft, am Anfang brach der Sohn eines Kon­zern­vor­standes ver­krus­tete Struk­turen im Ver­band auf. Unter seinem Mit­wirken wurde die Natio­nalelf Welt­meister und über­dies ein fluk­tu­ie­rendes Unter­nehmen mit smartem und kos­mo­po­li­ti­schem Image. Doch spä­tes­tens seit der WM 2018 wirkt sie nicht mehr smart, son­dern ent­rückt und über­heb­lich. Der DFB hat bei der Steue­rung des Mar­ke­tings Bremse und Gas ver­wech­selt. Da war der brä­sige Hashtag #zsmmn, dazu der all­ge­gen­wär­tige Slogan Best never rest, der Fan-Club powered by Coca-Cola und das Label Die Mann­schaft. Bier­hoff lässt sich dazu im Jah­res­be­richt 2019 zitieren: In Zusam­men­ar­beit mit dem DFB-Brand-Manage­ment wurde die Marke Die Mann­schaft‘ umfas­send unter­sucht.“ Eine Sit­zung habe mit einem Com­mit­ment zur Marke Die Mann­schaft‘“ geendet. Dieser Busi­ness-Sprech klingt wie aus­ge­dacht, gibt aber tat­säch­lich Bier­hoffs Duktus genau wieder.

In Zusam­men­ar­beit mit dem DFB-Brand-Manage­ment wurde die Marke Die Mann­schaft‘ umfas­send unter­sucht.“

Oliver Bierhoff im Jahresbericht des DFB

Womög­lich fließen die Mar­ke­ting­vo­ka­beln auch zwangs­läufig in den Sprach­ge­brauch, weil der DFB längst eine Armada von Agen­turen um sich schart. Die PR-Agentur Hering Schup­pener beriet den Ver­band nach der WM 2018, Burson-Mar­steller die Bewer­bung für die EM 2024, McK­insey beglei­tete unter anderem die Struk­tur­re­form, und Egon Zehnder küm­merte sich um die Aus­wahl von neuem Per­sonal. Eine solche Fülle an externen Ein­flüs­te­rern würde sogar Beob­achter in Wirt­schaft oder Politik befremden – außer viel­leicht Ursula von der Leyen. Für erd­ver­bun­dene Fuß­ball­fans wird das Schau­spiel gro­tesk: So kün­digte Bier­hoff nach dem WM-Aus an, sich über die Kritik am aus­ufernden Mar­ke­ting aus­zu­tau­schen – und zwar mit den Stake­hol­dern“. Auf dem Podium in Düs­sel­dorf sagt Bier­hoff zudem zum aus­blei­benden Fan-Inter­esse: Wir stehen mit 90 Pro­zent Aus­las­tung im inter­na­tio­nalen Ver­gleich vorne. Mit dem Schnitt sind wir sehr zufrieden.“ Soll man das ernst­haft glauben? Zumal die Aus­las­tungs­quote des­halb ordent­lich aus­sieht, weil die Mann­schaft auch in kleinen Sta­dien wie in Mainz oder Wolfs­burg spielte. Eng­land hin­gegen begrüßte gegen Länder wie Mon­te­negro, Bul­ga­rien oder Tsche­chien jeweils um die 80 000 in Wem­bley. Die hol­län­di­sche Mann­schaft spielt regel­mäßig vor aus­ver­kauftem Haus in Ams­terdam. Beide Natio­nal­mann­schaften kommen gerade nach langer Krise wieder in ein Stim­mungs­hoch, das Deutsch­land hinter sich hat. Bier­hoff sagt zurecht: Wir kommen von einer langen Phase der Begeis­te­rung mit Beginn der WM 2006. Uns ist bewusst, dass wir jetzt bei den Zuschauern und Spon­soren mehr tun müssen.“ Hype hält nun einmal nur einen begrenzten Zeit­raum. Heute bieten sich gerade für die Jugend­li­chen andere Fas­zi­na­tionen. Der lang­jäh­rige DFB-Sponsor McDonald’s been­dete jüngst die Part­ner­schaft. Man wolle nah an der Lebens­welt unserer Gäste sein – beson­ders der Teens und Twens“, teilt das Unter­nehmen auf Nach­frage mit. Und nennt als neues Gebiet des Enga­ge­ments eSport.