Im Sommer beendet Christian Groß seine Karriere. Eine Karriere, die zu den unwahrscheinlichsten der Bundesliga-Geschichte gehört. Hier erzählt der Werder-Veteran von seinem extrem langen Weg nach oben.
Bundesliga-Fußballer: War das schon in der Jugend Ihr Traum?
Als Kind spielt man einfach Fußball und hat Spaß. Bei mir wurde es mit dem Schritt nach Hamburg ernst. A‑Jugend-Bundesliga, Hamburger SV – ich wollte versuchen, meinen Traum zu leben.
Wie sind Sie zum Fußball gekommen?
Ich bin als Sechsjähriger in den Verein bei uns im Stadtteil Sternbusch eingetreten, weil mein älterer Bruder auch schon dort spielte. Mit sechs Jahren bin ich übrigens auch zum ersten Mal auf einen Bundesliga-Torwart getroffen.
Auf wen? Und vor allem: Warum?
Auf Frank Rost, beim Tag der Fans von Werder. Ich durfte aufs Tor schießen, er stand zwischen den Pfosten. Allerdings war so wenig Kraft hinter dem Schuss, dass er gar nicht bis zu Rost kam.
Zehn Jahre später sind Sie als 16-Jähriger von zu Hause aus- und ins Internat in Hamburg eingezogen.
Was für viele Diskussionen mit meinen Eltern gesorgt hat. Ihnen war sehr wichtig, dass ich mein Abi mache, was ich zum Glück trotzdem geschafft habe. Aber auch darüber hinaus machen sich die Eltern natürlich Sorgen, wenn der Sohn, der behütet in einer kleinen Stadt wie Cloppenburg aufgewachsen ist, mit 16 auf eigene Faust in eine Metropole wie Hamburg zieht. Ich habe mittlerweile selbst Kinder – würden die in dem Alter ausziehen wollen, würde ich auch zunächst mit dem Kopf schütteln.
„Ich hatte eine Art Abo“
Weil Sie es als Jugendlicher in der großen Stadt erstmal richtig haben krachen lassen?
Natürlich, wir waren jeden Abend Party machen! (Lacht.) Quatsch, waren wir natürlich nicht. Das Leben im Internat folgte einem sehr geregelten Ablauf: Training, Schule, Hausaufgaben, Essen. Man hatte Pflichten, und die Verantwortlichen damals haben sehr darauf geachtet, dass man diesen auch nachkommt. Gleichzeit haben sie es geschafft, eine familiäre Atmosphäre zu erzeugen. Ich habe mich sehr wohl gefühlt. Das Internat hat mir Halt gegeben. Außerdem ist es ja so: Alle Jugendlichen, die dort landen, wollen oben ankommen. Uns ging es damals nicht darum, dauernd feiern zu gehen und Radau zu machen. Wir wollten Profis werden.
Sie haben in der Jugend mit Leuten wie Eric Maxim Choupo-Moting oder Sidney Sam zusammengespielt. Die sind durchgestartet, Sie nicht. Wie sind Sie als junger Mensch damit umgegangen?
Ich habe mich für jeden gefreut, der oben angekommen ist. Das waren ja nicht nur Choupo-Moting oder Sam, sondern auch ein Dani Schahin, ein Hanno Behrens, ein Tunay Torun, ein Muhamed Besic. Bei jedem von den Jungs zu denken: Warum klappt es bei ihm, aber nicht bei mir? Das bringt dich nicht weiter. Zumal es an der Schwelle zum Profibereich auf so viele Faktoren ankommt, die du selbst gar nicht unbedingt beeinflussen kannst: Du brauchst einen Trainer, der dich als Spielertyp mag, die Position, auf der du spielst, muss gefragt sein, dein Körper muss mitmachen. Es ist auch da wie so oft im Leben: Du musst zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Außerdem bin ich nach meiner Zeit in Hamburg ja auch nicht irgendwo gelandet, sondern in der 3. Liga, im bezahlten Fußball. Das hat mich damals eher stolz gemacht, als dass ich gehadert hätte. Genau das habe ich auch bei Werder II als Kapitän immer versucht, an die Jungs weiterzugeben: Dass die 3. Liga eine total spannende Liga ist, mit Traditionsvereinen und gut gefüllten Stadien. Nicht jeder kann ganz oben ankommen.
Sie konnten zumindest ganz oben schnuppern. In einer HSV-Mannschaft, die damals gespickt war mit großen Namen. Petric, Zé Roberto, Boateng, Trochowski…
… Jansen, Jarolim, und, und, und. In der Mannschaft steckte eine brutale Qualität. Eigentlich gab es ausschließlich Nationalspieler. Ich kann Ihnen sagen: Wer da als Nachwuchsspieler im Eck in der Mitte gelandet ist, der kam ewig nicht mehr raus. Ich hatte eine Art Abo. (Lacht.)
Ist Ihnen einer der Stars in besonders positiver Erinnerung geblieben?
Und ob: Ruud van Nistelrooy. Ich bekomme eine Gänsehaut, nur wenn ich an den denke. Der war in jeder Liga, in der er gespielt hat, Torschützenkönig, kam dann auf seine alten Tage zu uns und war unglaublich hilfsbereit. Der hat nach dem Training noch mit den jungen Spielern aufs Tor geschossen, ihnen Tipps gegeben, der war sich für nichts zu schade, der war fleißig ohne Ende. Der hatte schon alles erreicht, und wollte trotzdem jeden Tag besser werden. Ein Vorbild.
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