Seit seiner Kindheit ist Campino Fan des FC Liverpool. Hier spricht er über die erstaunlichen Parallelen zwischen Popstars und Fußballspielern, die Freundschaft zu Jürgen Klopp und den FC Liverpool als Dorfklub.
Wie war es denn nun, zum ersten Mal seit dreißig Jahren wieder Meister zu werden, dieser Titel war beim FC Liverpool ja zu einer regelrechten Obsession geworden?
Das stimmt, die Vergangenheit hatte die Gegenwart wie ein Unkraut überwuchert, und es war schon fast eine Kunst, wie der Klub in seiner ganzen Verkrampfung die eine oder andere Meisterschaft verstolpert hat. Manchmal gibt dir ein Es-muss-ja-nicht-sein die nötige Lockerheit, etwas zu schaffen.
Also war es für Sie persönlich eine gewaltige Gefühlsentladung, als es endlich passierte?
Nein, weil sich das so lange angekündigt hat. Da kann man sich selbst nicht bescheißen, noch überrascht zu sein. Bei Jürgen und Pete war das anders. Bei ihnen gilt das Gesetz, dass der Sektkorken in der Pulle bleibt, bis selbst die letzte theoretische Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass es noch schiefgehen könnte. Das hat man bei Jürgen gesehen, als er sich dann endlich den Gefühlsausbruch erlaubte und Tränen in den Augen hatte. Vorher wollte er sich nicht bei der Schwäche erwischen lassen, innerlich schon gefeiert zu haben, mit dem Risiko, das Kuchenstück doch noch weggezogen zu kriegen.
Ihr Bandkollege Breiti hat Sie früher nach Anfield begleitet, doch inzwischen ist ihm „der Kommerzfußball zuwider“. Wie viel von diesem Vorwurf stimmt?
Man muss beide Augen zudrücken, um seine Romantik als Fan in dieser Elite des Fußballs leben zu können, denn natürlich ist es auch Entertainment und Industrie. Es geht um krasse Zahlen, um Multimilliardäre und Oligarchen. Wenn ich ganz vernünftig überlegen würde, was man mit diesen verrückten Summen „Sinnvolles“ machen könnte, wäre ich nicht mehr in der Lage, das leidenschaftlich zu genießen.
Als Andreas Frege wuchs der Frontmann der Toten Hosen in Mettmann auf. Sein Vater ist Deutscher, seine Mutter Engländerin. In seinem gerade erschienenen Buch „Hope Street“ geht es um seine Familiengeschichte und die wichtige Rolle, die Fußball und insbeson-dere der FC Liverpool dabei spielt.
Muss man in Deutschland etwas weniger die Augen zudrücken?
Ich finde nicht. Ich kann zwar die Leute verstehen, die sagen: In Deutschland ist vieles lustiger, die Preise sind erschwinglich, und der Bierausschank ist auch lockerer. Das Prinzip Profifußball ist jedoch hier wie da ähnlich, nur die Dimensionen lassen sich schwer vergleichen. In England geht die Romantik des Fußballs, wie man ihn kannte, aber immer noch keine fünfzig Meter von den leuchtenden Stadien entfernt los. Da stehen die Fish & Chips-Buden, wo eine Portion immer noch drei Pfund 50 kostet, da sind die schlichten Pubs. Gerade in Liverpool, denn Anfield ist ein armer Stadtbezirk. Es bedeutet auch nicht, dass die Identität eines Klubs nicht mehr stimmt, wenn der Klub erfolgreich ist. Die Leute haben durchaus das Gefühl, die Erfolge haben etwas mit ihnen zu tun. Das sieht man bei den Straßenparaden, wenn eine Mil-
lion Menschen den Gewinn der Champions League feiern.
Wenn Jürgen Klopp den FC Liverpool eines Tages verlässt, werden Sie dann auch noch Anhänger seines nächsten Klubs?
Egal, wo es ihn hinzieht, ich werde ihm natürlich alles Gute wünschen. Mein Verhältnis zu Liverpool wird sich sicher etwas ändern, weil ich dann vermutlich nicht mehr so nah am Klub sein werde. Von mir aus kann das also gerne noch viele Jahre so weitergehen. Es könnte natürlich auch passieren, dass Jürgen eines Tages mal Nationaltrainer wird.
Wenn, es dürfte Sie gruseln, würde es höchstwahrscheinlich für Deutschland sein.
Das will ich mir eigentlich gar nicht ausmalen.
Klingt wie die ultimative Zwickmühle, Sie haben inzwischen ja sogar die britische Staatsbürgerschaft.
Trotzdem: Die Freundschaftsebene wäre für mich entscheidend, ich würde wohlwollender mit der deutschen Mannschaft sein. Aber nicht, wenn es gegen England geht.