Erst mit 17 Jahren kam Hans-Peter Briegel zum Fußball, nur wenig später war er Europameister. Hier spricht er über sein Leben als Volksheld in Verona, Weihnachtskarten von Diego Maradona und Kinder, die „Briegel“ heißen.
Dafür haben Sie mit der Nationalelf den EM-Titel geholt.
Ich bin mit nicht einmal zehn Länderspielen Europameister geworden. Damals gab es bei der EM nur zwei Gruppen, deren Gewinner im Finale aufeinandertrafen. Wir mussten also von Beginn an hellwach sein. Das war gar nicht so einfach, weil unsere Mannschaft quasi nur aus Offensiven bestand. Bernhard Dietz, Karl-Heinz Förster, Uli Stielike und ich mussten den Laden dicht halten, während sich der Rest vorne vergnügte. Ich machte alle Spiele, auch wenn ich mich im Finale dann verletzte. Auf die Ehrenrunde musste ich leider verzichten.
Wie wird denn ein Europameister in Rodenbach empfangen?
Es war überwältigend. Die Leute vom SV organisierten einen Empfang, der mir fast unangenehm war. In Rodenbach wohnen 2000 Leute, es empfingen mich 1000 davon. Ich wurde in einem dekorierten Auto durchs Dorf gefahren, am Vereinsheim gab es dann 6000 Liter Freibier. Die waren innerhalb einer Stunde weg. Nach den Weltmeisterschaften war es aber noch verrückter. 1982 warteten knapp 10 000 Menschen auf mich. 1986 sogar 20 000. 1986 saß ich in einem großen Fußball, der auf einem Autodach befestigt war und sich öffnete und schloss. (Lacht.)
Apropos WM 1982. Kriegen Sie noch Post aus Algerien?
Sie spielen auf die Schande von Gijon an, aber ich sag Ihnen etwas: Es gab keine Absprache zwischen uns und den Österreichern. Allerhöchstens eine stillschweigende Übereinkunft. Als die Torchancen ausblieben, fingen die Fans auf den Rängen an, weiße Taschentücher zu wedeln. Ich wusste nicht, was das bedeutet und dachte erst, die freuen sich. Bis ich später erfuhr, dass das die Leute beim Stierkampf machen, um den Torero zu verspotten. Als wir abends am Hotel ankamen, warteten dort schon die deutschen Fans. Und warfen mit faulen Eiern.
Haben Sie eins abbekommen?
Nein, aber Jupp Derwall. (Lacht.) Wir haben uns dann schnell ins Hotel verzogen.
Es dauerte ein halbes Jahr, bis ich körperlich wieder auf der Höhe war.
Gewonnen haben Sie die WM 1982 nicht. Auch eine körperliche Frage?
Zu Beginn des Turniers wog ich 93 Kilo, nach dem Turnier nur noch 83. Zum einen lag das an der Hitze in Spanien, es war beständig über 40 Grad. Dann kam noch eine Magen-Darm-Grippe hinzu. Allein im Endspiel habe ich fünf Liter verloren. Es dauerte ein halbes Jahr, bis ich körperlich wieder auf der Höhe war.
Und 1986? Wie oft denken Sie noch an das verlorene Laufduell mit Jorge Burruchaga im Finale?
Bei jeder WM, weil ich dann von Journalisten angerufen werde. Wenn die Bilder irgendwann schneller laufen, dann hole ich ihn noch ein. Mittlerweile könnte man das ja per Computertechnik regeln.
Kalle Rummenigge sagte, Sie hätten auf Abseits spekuliert und seien deswegen einen Schritt zu spät gekommen.
Zehn Minuten vor Schluss, nach sieben Spielen und auf 2500 Metern Höhe, ist man auch vom Kopf her nicht mehr richtig da. Ob ich deswegen einen Schritt zu spät kam, weiß ich nicht. Letztlich war ich auch 25 Meter von ihm entfernt und musste ihn schräg anlaufen. Ich hätte ihn nicht mal mehr umhauen können.
1984 gingen Sie zu Hellas Verona. Wie kam es zu dem Wechsel?
Es war lange undenkbar für mich, aus Kaiserslautern wegzugehen. Real Madrid fragte 1982 an, aber ich war vor den Toren Kaiserslauterns aufgewachsen, FCK-Fan durch und durch, hatte die Pfalz nie verlassen. Zwei Jahre später änderte sich mein Gefühl. Wir spielten eine schlechte Saison, plötzlich gab es wieder Pfiffe, und ich wollte etwas Neues machen. Erst kamen Funktionäre des SSC Neapel zu Verhandlungen. Aber nach zwei Tagen hörte ich nie wieder etwas von denen. Dann fragte Hellas Verona an. Ich dachte: „Nicht schon wieder die Italiener. Die verarschen dich doch wieder.“ Also stellte ich aus Jux eine sehr, sehr hohe Forderung. Sie sagten zunächst ab, zwei Wochen später bekam ich einen Anruf. Sie waren bereit, die Forderungen zu erfüllen. Mir sackte das Herz in die Hose. Ich dachte nur: „Verdammt, jetzt muss ich ja wirklich zu Hellas gehen.“ Ich musste Verona erst einmal auf der Karte suchen.