Die Curva Nord von Atalanta Bergamo engagierte sich sozial, sammelte Gelder für Obdachlose und baute Schulen in Afrika. Gleichzeitig kämpfte sie jahrzehntelang mit der Justiz. Jetzt hat sie sich aufgelöst. Über eine besondere Ultraszene und ihren Capo.
Immer wieder missachte er die Auflagen, ließ die Justiz verlauten. So reiste er 2018 mit nach Dortmund zum Europa-League-Spiel, das er in einer Kneipe in der Stadt schaute. Ferner habe er sich einmal neben das heimische Stadion gesetzt, als UC AlbinoLeffe spielte, ein kleines Team aus Bergamo, das in der Serie C kickt. Nur um seiner Curva Nord mal wieder nahe zu sein.
Es wirkt, als hätte man sich auf Bergamos Polizeistation ein Versprechen gegeben. Eins, das Il Bocia nie wieder erlaubt, ein Fußballstadion von innen zu sehen. Laut einigen italienischen Medienberichten muss er seit Jahren mitunter willkürliche Hausdurchsuchungen, Maßnahmen und Urteile durchstehen.
Wie groß die Anerkennung für diesen Mann ist, zeigen die Solidaritätsbekundungen, die Galimberti seit Jahren erhält. Regelmäßig finden Protestaktionen der Ultraszenen in ganz Italien statt. Ex-Spieler und Funktionäre, Pfarrer, ganze Mannschaften oder Giorgio Sandri, Vater des durch einen Polizisten 2007 getöteten Lazios-Ultras Gabriele, zeigten sich solidarisch mit Galimberti.
Sie alle hatten irgendwann in den letzten Jahren von Hilfs- und Spendenaktionen der Curva Nord profitiert. Auch Antonio Conte, einst Atalanta-Coach, habe in einer Nachricht seine Solidarität mit Galimberti bekundet, wie unter anderem die Gazetta dello Sport bestätigte. Und sogar Brescia Calcio zeigte ein Banner in der Kurve mit den Worten „Nemico leale, Boci non mollare!“ – Bocia, unser loyaler Feind, gib nicht auf! Brescia ist der größte Rivale Atalantas.
„Wenn die Roma Francesco Totti, Juventus Alessandro Del Piero und Milan Paolo Maldini hat, dann hat Atalanta Claudio Galimberti.“
Der Journalist Martino Simcik beschrieb es in der „Derby Days“-Episode zum Lombarden-Derby von Copa90 so: „Wenn die Roma Francesco Totti, Juventus Alessandro Del Piero und Milan Paolo Maldini hat, dann hat Atalanta Claudio Galimberti.“
Woher aber kommt diese Anerkennung für einen Mann, der davon spricht, es sei eine Droge, anderen Männern die Fäuste ins Gesicht zu drücken?
Unter der Regentschaft von Il Bocia organisierte die Curva Nord jahrelang Aktionen zur Obdachlosenhilfe, unterstützte Einrichtungen für Drogenabhängige, sammelte Spendengelder für von Erdbeben betroffenen Regionen oder Schulen in Ruanda. In Zeiten der Corona-Krise halfen die Ultras dabei, ein provisorisches Feldkrankenhaus hochzuziehen.
Außerdem veranstaltet die Curva Nord jährlich eine große karnevalsähnliche Party in den Straßen Bergamos – „La Festa della Dea“, das Fest der Göttin. Dort gibt es Konzerte, Umzüge, Neuzugänge werden präsentiert, aktuelle Atalanta-Spieler so wie Ex-Spieler sind zugegen, Ultras der Curva Nord wie Fans außerhalb der Szene kommen zusammen. Und das gesammelte Geld wird an gemeinnützige Projekte gespendet.