Der nächste verrückte Transfersommer wird kommen. Wäre das erfolgreiche US-Modell der Gehaltsgrenzen eine Alternative zum millionenschweren Wettbieten in Europa?
Helmut Dietl, Sie sind Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Zürich und haben in vielen Arbeiten das amerikanische Modell der Gehaltsobergrenzen im Sport untersucht. Teilen Sie das Gefühl vieler Fußballfans, dass es auf dem Markt ungerecht zugeht?
Wir dürfen nicht jede Art von Ungleichheit sofort als ungerecht kritisieren, denn so empfinde ich es nicht. Gehen Sie durch die Straßen, und Sie werden dort einen Smart und auch einen Porsche sehen. Warum hat der eine, was der andere nicht hat? Diese Ungleichheiten existieren auch im Fußball. Nur der Abstand zwischen Arm und Reich sollte nicht zu groß werden.
Das jüngste Beispiel: Kevin de Bruyne und sein 75-Millionen-Euro-Wechsel. Eine oft geforderte Alternative, um Exzesse einzudämmen, ist die Einführung der „Salary Caps“, der Gehaltsbegrenzungen. Damit könnte ein Verein nicht jeden Spieler mit Geld zuschütten, wenn er ihn haben möchte. Warum funktioniert das in den großen nordamerikanischen Ligen wie der NFL?
Die meisten Klubbesitzer dort sind steinreiche Millionäre, die mit ihrem Team ein Geschäft machen wollen. Mit das Wichtigste dafür ist ein spannender Wettbewerb, denn der begeistert Zuschauer und lockt sie in die Stadien. Deshalb einigen sich die Besitzer und die Spieler jedes Jahr auf eine Gehaltsobergrenze und einen Mindestbetrag, der ausgegeben werden muss. Die Folge daraus: Jeder kann jeden schlagen.
In den vergangenen 20 Jahren gab es so 13 unterschiedliche Super-Bowl-Gewinner. Können Sie das amerikanische System erklären?
Es gibt verschiedene Ausprägungen. Das Grundprinzip geht so: Die amerikanischen Ligen sind geschlossene Systeme, in denen die Teams weder auf- noch absteigen können. Es könnte schnell langweilig werden, wenn nur das Geld entscheidet. Also ist das Hauptziel der Gehaltsgrenzen sportliche Ausgeglichenheit, denn davon profitieren fast alle: Die Zuschauer bekommen Spannung, die TV-Sender vermarkten ein aufregendes Produkt, und die Teams reiben sich ständig auf Augenhöhe aneinander.
Wie müsste man es anpassen, damit es auch in Europa sinnvoll wäre?
Man müsste als Obergrenze einen Betrag finden, der Darmstadt 98 die Chance gibt, mit dem FC Bayern zu konkurrieren. Gleichzeitig will Bayern aber in einer Liga mit Real Madrid spielen. Das ist unmöglich.
Aber auch der FC Bayern sollte doch an einem spannenden Wettbewerb interessiert sein. Momentan schaut es in der Bundesliga nicht danach aus.
Die Bayern wollen selbst auch nicht jede Woche einen 5:0‑Sieg feiern. Das ist einfach nicht attraktiv. Nur: Schwächt man die Bayern, um eine spannende Bundesliga zu haben, freuen sich Madrid und Manchester, weil sie einen internationalen Konkurrenten weniger haben. Das ist der Spagat, den die Deutschen machen müssen. Das Gleiche gilt für Vereine wie Gladbach oder Wolfsburg, die dieses Jahr in der Champions League antreten. Hätten sie in der Liga eine Gehaltsgrenze, wäre es vielleicht dort spannender, in Europa aber wären sie chancenlos.