Werder Bremen entlässt vor dem letzten Spieltag Florian Kohfeldt. Weil der Verein zuvor nibelungentreu am Trainer festgehalten hatte, wirkt die Entscheidung aktionistisch. Dabei geht es in Bremen um mehr.
Wie ernst es um den Verein bestellt ist, räumte Geschäftsführer Frank Baumann schon vor der Niederlage gegen Augsburg ein. „Man kann das nicht komplett ausschließen“, sagt er und meinte damit eine mögliche Insolvenz. Er sei zwar optimistisch, die Lizenz von der DFL zu erhalten, auch aufgrund einer Mittelstandsanleihe, die Werder plant, aber der Verein werde sich um Geld bemühen müssen, um die Liquidität zu sichern und damit eine Insolvenz abzuwehren.
Das zeigt nicht nur, wie überlebenswichtig die kommende Woche für Werder sein wird, sondern auch, unter welchen Bedingungen Florian Kohfeldt gearbeitet hat. Es wäre zu einfach, am Tag der Entlassung mit dem Trainer abzurechnen. Er, der in den vergangenen Jahren Abgänge solcher Top-Spieler wie Max Kruse oder Davy Klaassen hinnehmen musste, für die der Verein oft nur unzureichend Ersatz organisierte. Frank Baumann räumte am Sonntagmorgen im Doppelpass ein: „Florian musste aufgrund der Situation, in der wir uns befinden, einen Fußball spielen, für den er selbst gar nicht stehen kann. Weil er einen anderen Fußball von seiner Mannschaft sehen möchte.“ Damit stellte Baumann auch sich selbst ein schlechtes Zeugnis aus.
Für die Entlassung von Florian Kohfeldt führte Baumann im Doppelpass die Entwicklung in den vergangenen zwei Jahren als Begründung an. Zwei Jahre Zeit, um dann erst sieben Tage vor Saisonende zu erkennen: Es muss sich etwas ändern? Natürlich nicht. Schon nach der Niederlage gegen Union Berlin, als Kohfeldt die kommunikative Vorlage bot, um ihn zu beurlauben, wäre die Zeit reif für eine Veränderung gewesen. Danach hatten sich die Verantwortlichen zu einer 48-stündigen Krisensitzung getroffen. Baumann sagte im Doppelpass: „Da ging es nicht nur um die Leistung, sondern vor allem auch um die Art und Weise, wie die Mannschaft aufgetreten ist.“ Doch Werder und Kohfeldt einigten sich auf einen Neustart. „Flo hat das Training verändert. Die Art und Weise, an die Spieler heranzugehen, verändert. Wir haben eine sehr gute Reaktion im Pokalspiel gegen Leipzig gesehen.“ Man ist geneigt, bei der Volksbank Vegesack nachzuhaken, ob nach dem Pokalspiel eine höhere Summe auf dem Konto von Florian Kohfeldt einging – der Kredit muss enorm gewesen sein.
Dabei hatte die Mannschaft gegen Leipzig gekämpft, hatte ein wenig über ihren Möglichkeiten gespielt. Aber das war immerhin das Pokalhalbfinale. Daraus abzuleiten, dass die Mannschaft neue Impulse im Abstiegskampf der Bundesliga gewinnen könnte, scheint mittlerweile halsbrecherisch. Es war nicht nur so, dass sich die Verantwortlichen um Geschäftsführer Frank Baumann von diesem Auftritt hatten blenden lassen, nein, sie hatten sich – um im Bild zu bleiben – die Taschenlampe selbst und mit voller Wucht vor die Augen gehalten. Durch diesen Fehler ist nicht nur viel Zeit verloren gegangen, sondern auch die Möglichkeit, den Abstieg fußballerisch zu verhindern. Auch deshalb wirkt die Entscheidung nun aktionistisch. Hauptsache reagiert, besser spät als nie. Oder?
Die späte Installation von Thomas Schaaf bedeutet auch, dass man in Bremen ab jetzt vor allem Glauben und Hoffen und Bangen wird.„Es wird darum gehen, ihnen die unbedingte Überzeugung und den absoluten Willen für das letzte Saisonspiel und eventuell auch für die Relegation mit auf den Weg zu geben“, erklärte Baumann. Ob es genau daran mangelt, bleibt abzuwarten. Kämpfen, Kratzen, Beißen – das hatte die Mannschaft ja schon unter Kohfeldt getan, als es im Pokal um Alles oder Nichts ging. Wird Schaaf seinen Spielern mehr mitgeben können als das? Die Zeit dafür ist knapp. Es bleiben zwei Halbzeiten.