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Sie haben es wirk­lich getan. Die Ver­ant­wort­li­chen beim SV Werder Bremen haben sich tat­säch­lich von einem ein­zigen guten Auf­tritt im DFB-Pokal blenden lassen. Ende April war deut­lich geworden, dass Werder noch einmal in den Abstiegs­kampf der Bun­des­liga geraten würde. Flo­rian Koh­feldt selbst hatte Frank Bau­mann, den Geschäfts­führer Sport, eine Räu­ber­leiter für seinen Raus­schmiss gebaut und gesagt: Wenn jemand das Gefühl hat, dass es mit einer anderen Person besser geht und es einen neuen Impuls braucht, muss man mir das sagen und mit mir bespre­chen.“ Statt­dessen sprach Bau­mann eine Job-Garantie für das Pokal­halb­fi­nale gegen Leipzig aus. Das ging zwar 1:2 ver­loren, aber so denkbar knapp, dass Koh­feldt den Job behielt. Die Mann­schaft, klar, die hatte ja gezeigt: Kämpfen, Kratzen, Beißen, das ist noch drin. Auch unter Koh­feldt. Kein Grund, keine Gele­gen­heit, um dem Trainer die Garantie nach aus­ge­rechnet diesem Spiel zu ent­ziehen.

Und nochmal: Sie haben es wirk­lich getan. Sie haben den Trainer ent­lassen. Zwei­ein­halb Wochen, ein Unent­schieden gegen Lever­kusen und eine Nie­der­lage gegen Augs­burg später, ist dann doch Schluss für Flo­rian Koh­feldt. Auf dem Rele­ga­ti­ons­rang ste­hend und vor dem letzten Spieltag trennt sich Werder von dem Trainer, der Bremen in den letzten vier Jahren geleitet, vor einem Jahr in der Rele­ga­tion gegen Hei­den­heim vor dem Abstieg bewahrt hatte. Werder Bremen ver­traut im aller­letzten Spiel auf Thomas Schaaf.

Ein Trai­ner­wechsel bei Werder Bremen ist immer über­ra­schend“

Frank Baumann, hat den Trainer gewechselt

Nun muss man gar nicht das Bei­spiel von Jörg Berger bemühen, der Arminia Bie­le­feld am letzten Spieltag 2008/09 über­nahm und abstieg, um zu ver­stehen, wie undankbar diese zwei Halb­zeiten für Thomas Schaaf sein werden. Sicher­lich, das Mate­rial, aus dem sein Denkmal an der Weser gebaut wurde, ist stark genug, dass auch ein Abstieg nur einen win­zigen Kratzer hin­ter­lassen würde. Die Folgen für den Verein wären jeden­falls weitaus größer.

Ein Trai­ner­wechsel bei Werder Bremen ist immer über­ra­schend“, sagte Bau­mann. Und das stimmt. Aber egal, wie das Spiel am Samstag gegen Glad­bach enden wird, ob Bremen gerettet ist oder nicht. Dass Thomas Schaaf nach der Saison Trainer bleiben wird, scheint aus­ge­schlossen, es wird also einen Neu­an­fang geben. Mög­li­cher­weise, die Rufe werden lauter, auch mit einer neuen sport­li­chen Füh­rung. Das wären große Ver­än­de­rungen für einen Verein, der auf Bestän­dig­keit setzt. Dessen Fans, als das noch erlaubt war, ihre Mann­schaft mehr­fach durch den Abstiegs­kampf trugen. Mit Green-White-Won­der­wall, mit für Han­seaten unge­wöhn­lich viel Pathos und bedin­gungs­loser Treue.

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Fans, die seit mehr als einem Jahr kein gewöhn­li­ches Bun­des­li­ga­spiel besucht haben. Wenn sie zurück­kehren, wird Werder Bremen ein anderer Verein sein. Natür­lich, diese Geschichte werden auch Men­schen auf Schalke, in Düs­sel­dorf oder Unter­ha­ching erzählen können. Doch kaum ein Verein wirkte einst so ruhig, in sich geschlossen und nun dem Chaos nahe wie Werder. Das Ende von Flo­rian Koh­feldt ist vor­erst auch das Ende eines für Bremen unwür­digen Schau­spiels. Erkennen die Fans ihren Klub wieder, gleich in wel­cher Liga, wenn sie wieder im Sta­dion stehen werden?

Wie ernst es um den Verein bestellt ist, räumte Geschäfts­führer Frank Bau­mann schon vor der Nie­der­lage gegen Augs­burg ein. Man kann das nicht kom­plett aus­schließen“, sagt er und meinte damit eine mög­liche Insol­venz. Er sei zwar opti­mis­tisch, die Lizenz von der DFL zu erhalten, auch auf­grund einer Mit­tel­stands­an­leihe, die Werder plant, aber der Verein werde sich um Geld bemühen müssen, um die Liqui­dität zu sichern und damit eine Insol­venz abzu­wehren.

Das zeigt nicht nur, wie über­le­bens­wichtig die kom­mende Woche für Werder sein wird, son­dern auch, unter wel­chen Bedin­gungen Flo­rian Koh­feldt gear­beitet hat. Es wäre zu ein­fach, am Tag der Ent­las­sung mit dem Trainer abzu­rechnen. Er, der in den ver­gan­genen Jahren Abgänge sol­cher Top-Spieler wie Max Kruse oder Davy Kla­assen hin­nehmen musste, für die der Verein oft nur unzu­rei­chend Ersatz orga­ni­sierte. Frank Bau­mann räumte am Sonn­tag­morgen im Dop­pel­pass ein: Flo­rian musste auf­grund der Situa­tion, in der wir uns befinden, einen Fuß­ball spielen, für den er selbst gar nicht stehen kann. Weil er einen anderen Fuß­ball von seiner Mann­schaft sehen möchte.“ Damit stellte Bau­mann auch sich selbst ein schlechtes Zeugnis aus.

Frage der Art und Weise

Für die Ent­las­sung von Flo­rian Koh­feldt führte Bau­mann im Dop­pel­pass die Ent­wick­lung in den ver­gan­genen zwei Jahren als Begrün­dung an. Zwei Jahre Zeit, um dann erst sieben Tage vor Sai­son­ende zu erkennen: Es muss sich etwas ändern? Natür­lich nicht. Schon nach der Nie­der­lage gegen Union Berlin, als Koh­feldt die kom­mu­ni­ka­tive Vor­lage bot, um ihn zu beur­lauben, wäre die Zeit reif für eine Ver­än­de­rung gewesen. Danach hatten sich die Ver­ant­wort­li­chen zu einer 48-stün­digen Kri­sen­sit­zung getroffen. Bau­mann sagte im Dop­pel­pass: Da ging es nicht nur um die Leis­tung, son­dern vor allem auch um die Art und Weise, wie die Mann­schaft auf­ge­treten ist.“ Doch Werder und Koh­feldt einigten sich auf einen Neu­start. Flo hat das Trai­ning ver­än­dert. Die Art und Weise, an die Spieler her­an­zu­gehen, ver­än­dert. Wir haben eine sehr gute Reak­tion im Pokal­spiel gegen Leipzig gesehen.“ Man ist geneigt, bei der Volks­bank Vege­sack nach­zu­haken, ob nach dem Pokal­spiel eine höhere Summe auf dem Konto von Flo­rian Koh­feldt ein­ging – der Kredit muss enorm gewesen sein.

Was kann Schaaf in einer Woche bewegen?

Dabei hatte die Mann­schaft gegen Leipzig gekämpft, hatte ein wenig über ihren Mög­lich­keiten gespielt. Aber das war immerhin das Pokal­halb­fi­nale. Daraus abzu­leiten, dass die Mann­schaft neue Impulse im Abstiegs­kampf der Bun­des­liga gewinnen könnte, scheint mitt­ler­weile hals­bre­che­risch. Es war nicht nur so, dass sich die Ver­ant­wort­li­chen um Geschäfts­führer Frank Bau­mann von diesem Auf­tritt hatten blenden lassen, nein, sie hatten sich – um im Bild zu bleiben – die Taschen­lampe selbst und mit voller Wucht vor die Augen gehalten. Durch diesen Fehler ist nicht nur viel Zeit ver­loren gegangen, son­dern auch die Mög­lich­keit, den Abstieg fuß­bal­le­risch zu ver­hin­dern. Auch des­halb wirkt die Ent­schei­dung nun aktio­nis­tisch. Haupt­sache reagiert, besser spät als nie. Oder?

Die späte Instal­la­tion von Thomas Schaaf bedeutet auch, dass man in Bremen ab jetzt vor allem Glauben und Hoffen und Bangen wird.„Es wird darum gehen, ihnen die unbe­dingte Über­zeu­gung und den abso­luten Willen für das letzte Sai­son­spiel und even­tuell auch für die Rele­ga­tion mit auf den Weg zu geben“, erklärte Bau­mann. Ob es genau daran man­gelt, bleibt abzu­warten. Kämpfen, Kratzen, Beißen – das hatte die Mann­schaft ja schon unter Koh­feldt getan, als es im Pokal um Alles oder Nichts ging. Wird Schaaf seinen Spie­lern mehr mit­geben können als das? Die Zeit dafür ist knapp. Es bleiben zwei Halb­zeiten.