Am vergangenen Wochenende machte Mark Noble sein letztes Spiel für West Ham United, nun beendet er seine Karriere. Über einen Typen, den der moderne Fußball eigentlich nicht mehr vorgesehen hatte.
Es sind Geschichten wie diese, die Mark Noble bei den Fans ein hohes Standing verleihen. Zweimal wählten sie ihn zu ihrem West-Ham-Spieler der Saison, nicht selten erhielt er auch Applaus bei Auswärtsspielen. Was die eigenen Anhänger ihm zudem bis heute zugute halten: Als der als hochtalentiert geltende Hammers-Jugendspieler Gray Diangana 2020 zum Unmut der Fans verkauft wurde, ohne eine echte Bewährungschance bei den Profis erhalten zu haben, sprang Noble den Anhängern zur Seite und positionierte sich in einem Statement auf Twitter gegen die Entscheidung des Vereins. Was bei allen anderen Spielern wohl ein ernstes Gespräch mit den Verantwortlichen samt Geldstrafe bedeutet hätte, blieb bei Noble folgenlos – ein Zeichen seines Standings im Verein.
Bei seinem letzten Heimspiel vor knapp zwei Wochen war das London Stadium, die Spielstätte des Vereins, mit 60.000 Fans wie so häufig ausverkauft, die ikonischen West-Ham-Seifenblasen flogen durch den Innenraum – und Noble wandte sich ein letztes Mal als Spieler in einer fünfminütigen Rede an die Fans. Er bedankte sich mit Tränen in den Augen und gebrochener Stimme für die Unterstützung während seiner Karriere und die Fans feierten ihn mit „Oh, Mark Noble“- Sprechchören. Seine Rede beschloss er dann mit einem Satz, den die Fans sogar noch ein Tick lauter bejubelten: „Ich habe hier meinen Traum gelebt. Und jeder einzelne von euch ist ein Teil meiner Familie geworden.“
Aber nicht nur die Fans, sondern auch seine Mitspieler gerieten regelmäßig ins Schwärmen, wenn sie auf ihren Teamkollegen angesprochen wurden. So bezeichnete Declan Rice Noble zuletzt als „zweiten Vater“. Sein ehemaliger Mitspieler und Jugendfreund Darren Behcet fand ebenfalls nur warme Worte und nannte Noble „einen echten Gentleman und als Person außergewöhnlich im modernen Fußball.“ Und teilte in einem Interview eine Geschichte, die er als Paradebeispiel für den Charakter Nobles sieht: Als er vor einigen Jahren plötzlich dringend eine neue Wohnung für sich und seine Familie suchen musste, habe ihm Noble sofort seine eigene überlassen, obwohl er diese selbst erst wenige Wochen zuvor erworben hatte.
Nach Heimspielen am Wochenende findet man Noble nicht selten in einer örtlichen Einrichtung für Obdachlose, wo er Essen verteilt und Spenden organisiert. So sammelte er 2018 einen sechststelligen Betrag bei seinen Teamkollegen, um wärmeisolierte Schlafsäcke für die Einrichtung zu besorgen oder spendierte dort während den Anfängen der Corona-Pandemie unzählige Mahlzeiten aus eigener Tasche. Öffentlich kommuniziert Noble all diese Dinge allerdings selten bis nie. Ein Zitat, dass er einst auf sein Fußballspiel bezog, ist deshalb auch prädestiniert, um sein Engagement außerhalb des Platzes zu beschreiben: „Ich packe Dinge lieber an, als ständig im Mittelpunkt zu stehen und darüber zu reden.“
Vor seinem letzten Heimspiel bedankte sich Noble zudem bei allen Journalisten, die zur Pressekonferenz im Vorfeld gekommen waren. Sie alle fanden einen signierten Zettel auf ihrem Stuhl, worauf eine persönliche Botschaft zu lesen war. Darin bedankte sich Noble für die Berichterstattung und Zusammenarbeit im Laufe seiner Karriere und schrieb, dass er hoffe, dass sie ihn als aufrichtig, ehrlich und aufgeschlossen erlebt hätten.
Es sind Attribute, die gut eine Woche später in ähnlicher Auflistung in einem weiteren Loblied auf Mark Noble Platz fanden. Es war Graham Potter, der davon sprach, wie viel Noble für den Fußball geleistet habe den West-Ham-Kapitän einen „vorbildlichen Repräsentanten des Sports“ nannte. Dabei ist erwähnenswert: Potter ist Manager von Brighton and Hove Albion und hat mit West Ham eigentlich gar nichts am Hut. Dennoch bekam Noble nach dem Spiel auch vom letzten gegnerischen Verein, gegen den er in seiner Karriere auflief eine persönliche Verabschiedung – bevor er dann den letzten Besendienst seiner Karriere erledigte.
_