Sie kacken in den Bus, grinsen diabolisch oder jagen Linienrichter: Maskottchen in deutschen Stadien. Eine Abhandlung über die schlimmsten Zombies an der Seitenlinie.
„Das hat es früher aber nicht gegeben.“ Ein Satz, eigentlich reserviert für Weltkriegsteilnehmer, und doch darf er auch von Jüngeren bemüht werden, angesichts des wohl Schrecklichsten, was der moderne Fußüball für die Zuschauer bereithält: den Maskottchen. Tumbe Ungeheuer in unförmigen Plüschkostümen, die vor, während und nach Bundesligaspielen unablässig am Spielfeldrand auf und ab tigern und debil ins Publikum winken.
Sie heißen Berni, Wölfi und Hoffi. Namen, die selbst Zweijährige intellektuell hoffnungslos unterfordern. Ja, das hätte es früher aber nicht gegeben. Man stelle sich nur vor, die dreisten Ranschmei?üer hätten sich in den achtziger Jahren ins Stadion getraut. Binnen weniger Sekunden hätten sie von aufrechten Kuttenträgern mit ein paar Wirkungstreffern das Esszimmer gerade gerückt bekommen.
Die Hölle ist voll
Heute hingegen dürfen die plüschigen Winkelemente ungestört ihr Schreckenswerk verrichten. Also wanken die Maskottchen so zombiegleich über den Rasen, dass der Betrachter unwillkürlich an eine alte Horrorfilm-Weisheit denken muss: Die Hölle ist voll, die Toten kommen auf die Erde zurück.
Besonders gerne platzieren sich die Laiendarsteller vor den sogenannten Familienblöcken. Dort finden sich immer ein paar Kinder, die den HSV-Dino, die BVB-Biene und das Gladbacher Fohlen f√ür echte Tiere halten. Diese Kinder halten allerdings auch den Heidepark Soltau für eine unberührte Urstrom-Landschaft. Dabei hat einst alles ganz harmlos angefangen. Der Geißbock Hennes war Deutschlands erstes Maskottchen. Ein lebendiger Vierbeiner, der sogar im Mannschaftsbus mit zu Auswärtsspielen genommen wurde. Allerdings nur eine Saison lang, dann scheiterte die Mitnahme am Protest des Fahrers. Der Bock hatte ständig in den Bus gekackt.
Irrer Triebtäter
Später kamen auch andere Vereine auf die Idee, statt in ordentliche Stürmer lieber in ein Maskottchen zu investieren. Das konnte nur schiefgehen. In Mönchengladbach kreierte Manager Helmut Grashoff einen diabolisch grinsenden Ball mit wirren Haaren, der stark danach aussah, als sei ein irrer Triebtäter kurz vor dem Zugriff durch das SEK. Zu allem Überfluss hatte der Manager auch schon einen Vorschlag zur Namensgebung: Das Maskottchen sollte Bumsi heißen. Bevor sich allerdings der Kinderschutzbund am Bökelberg zusammenrotten konnte, verschwand Bumsi schnell in Ablage P.
In Bremen wiederum ersann man als Maskottchen eine Möwe namens Werdi. Diese wurde jedoch bei ihren Rundgängen vom Anhang in der Ostkurve ausgepfiffen und mit halbvollen Bierbüchsen beschmissen. Der anschließende bittere Kommentar eines Werder-Vorstands: Konnte ja nichts werden: ein Maskottchen, das dir auf den Kopf scheißt. Werdi verschwand ebenfalls spurlos. Wahrscheinlich wurde das flugunfähige Vieh während des Neubaus des Weserstadions lebend im Frischbeton entsorgt.