Lange Zeit war der FC Basel die unangefochtene Nummer Eins der Schweiz. Nun feiert Young Boys Bern die vierte Meisterschaft in vier Jahren und mit etwa 30 Punkten Vorsprung. Wie ist das passiert?
Als Guillaume Hoarau in die Schweiz kam, wurde er zum Symbol für Young Boys Berns sportlichen Aufstieg. Der Franzose schoss die Schwarzgelben zu drei Meisterschaften, einen Pokalsieg und er qualifizierte sich mit ihnen für die Champions League. Im Herbst 2018 durfte sich der Verein mit Manchester United, Juventus Turin und dem FC Valencia messen. Hoaraus herausragende Bilanz in Bern: 118 Tore in 188 Spielen. Dennoch entschied sich Sportdirektor Christoph Spycher im Sommer 2020 ohne den 36-Jährigen weiterzumachen. Eine kontroverse Entscheidung, denn Hoarau galt als absoluter Publikumsliebling in der schweizerischen Hauptstadt. „Ohne Guillaume Hoarau ist die Berner Meisterparty etwa so glamourös wie das Abholen des Meisterpokals am Paketschalter“, schrieb die Neue Zürcher Zeitung vor wenigen Wochen. Aber allein der Abgang des Lokalhelden macht eine Meisterschaft doch nicht fad. Oder?
Wollte der Verein im Sommer wirklich einer seiner besten Spieler loswerden? Sportdirektor Spycher war sich sicher: Der Körper des Stürmers könnte nicht mehr so mithalten wie früher. Hoarau wechselte also zum FC Sion, viele Fans regten sich über den Wechsel auf. Doch Spycher lag richtig: In dieser Saison kam Hoarau, der wegen seiner Kopfballstärke oft Air France genannt wird, nur sechsmal zum Einsatz. Ende November fiel er sogar verletzungsbedingt länger aus. Der Fall Hoarau zeigt, wie viel die sportliche Führung um Spycher bei Young Boys richtig macht. Der 43-Jährige traut sich auch umstrittene Entscheidungen zu, wenn er der Meinung ist, sie seien die richtigen für den Verein. In seiner fünfjährigen Amtszeit hat er Young Boys zu einer absoluten Spitzenmannschaft geformt. Und das ist alles andere als selbstverständlich.
Lange war die Schweizer Super League vom FC Basel dominiert worden. Zwischen 2010 und 2017 gewann der Verein die Meisterschaft achtmal in Folge und war ständig in der Champions League oder in der Europa League zu finden. Der SC Young Boys aus Bern versagte dagegen immer wieder. Oft verspielte er dabei so gute Ausgangslagen, dass in der Schweiz der Begriff „Veryoungboysen“ enstand. Immer dann genutzt, wenn jemand in bester Position alle Chancen noch vergab. Doch seit der Saison 2017/18 heißt der Schweizer Meister: Young Boys Bern. In dieser Saison war die Liga sogar schon Mitte April entschieden. Aktuell hat Young Boys einen Vorsprung auf 28 Punkte auf den FC Basel, der auf Platz zwei rangiert. So ist der Abstand zwischen dem Tabellenersten und dem Tabellenzweiten größer als der zwischen dem Zweitplatzierten und dem Tabellenletzten (16 Punkte). Wie hat der Hauptstadtklub das geschafft?
Die Geschichte ist stark mit dem Sportdirektor Christoph Spycher verbunden. Der ehemalige Young-Boys-Spieler hatte den Verein 2016 übernommen und seitdem vieles richtig gemacht. Mit dem Scout Stéphane Chapuisat, dem Ausbildungsschef Gerárd Castella und dem Assistenztrainer Matteo Vanetta hat er um sich eine starke sportliche Leitung aufgebaut. Zudem hat Spycher in seiner Amtszeit einen balancierten und schlagkräftigen Kader aufgebaut und weiterentwickelt und dabei immer wieder die richtigen Spieler zum richtigen Zeitpunkt verpflichtet. Da wäre zum Beispiel der Ex-Herthaner Fabian Lustenberger, der nach Jahren in der Bundesliga zum Karriereende in die Schweiz zurückkehrte, als der junge Kader mehr Erfahrung brauchte. Da wären auch die im Sommer 2017 zum Verein geholten Offensivspieler Jean-Pierre Nsame und Christian Fassnacht, die zu jener Zeit als Unbekannte nach Bern kamen. Heute ist Fassnacht Schlüsselspieler im Mittelfeld, Stürmer Jean-Pierre Nsame wird in dieser Saison wahrscheinlich Torschützenkönig der Liga mit bis dato 18 Treffern.