In unserer Serie „Meine Lieblingself“ präsentieren 11FREUNDE-Autoren die Mannschaft ihres Lebens. Heute: Stephan Reich, der selig an eine Grätsche Dirk Schusters denkt und sein Kunstverständnis von Dennis Bergkamp hat.
Offensives Mittelfeld: Dennis Bergkamp
Dass Fußball in seinen besten Momenten tatsächlich Kunst sein kann, ist eine Erkenntnis, die ich Dennis Bergkamp verdanke. Sein Tor gegen Newcastle, als er den Ball in einer unmöglichen Drehbewegung an seinem Gegenspieler vorbeichippte, um auf der anderen Seite an ihm vorbeizugehen und den Ball lässig ins lange Eck zu schieben, ist das wohl eindrucksvollste Beispiel fußballerischen Genies, an das ich denken kann. Dabei war mir die herausragende Klasse Bergkamps auch vorher schon bewusst. Ihm beim Kicken zuzusehen war wie der Blick auf eine Lavalampe unter Rauschmitteleinfluss. Elegant, flüssig, leuchtend und irgendwie logisch.
Offensives Mittelfeld: Uwe Bein
Uwe Bein ist für mich das fleischgewordene Symbol der guten, alten Fußballzeit, als die Schuhe noch schwarz, die Oberlippen beschnauzt und meine Eintracht ein Spitzenklub war. Als etwa Sechsjähriger bekam ich mein erstes Frankfurt-Trikot, beflockt mit Beins Nummer, und wenn ich vor der Sportschau saß und Bein seine Traumpässe durch die Abwehrreihen steckte, in Gassen, von denen niemand sonst auf dem Feld wusste, dann war mir selbst als Kleinkind klar, dass so etwas nicht jeder x‑beliebige Kicker kann.
Stürmer: Tony Yeboah
Treuer Abnehmer der Beinschen Pässe war damals Tony Yeboah, und noch auf dem Totenbett werde ich mit letzter Kraft die Faust gen Himmel recken und wütend „Heynckes“ knurren, ob der damaligen Demission Yeboahs durch ebenjenen. Yeboah büffelte sich damals unaufhaltsam und doch elegant durch die Strafräume und war seinerzeit einer der besten Stürmer weltweit. Ich bin mir sicher, dass die Eintracht Meister geworden wäre, wenn sich Yeboah 1993 nicht das Kreuzband gerissen hätte, aber das ist nur eine von vielen Hätte-wäre-wenn-Geschichten der Eintracht, wegen denen ich nachts wachliege. Einen weltbesten Stürmer wird Frankfurt wohl nicht mehr haben, so viel steht fest. Zum Heulen.
Stürmer: Ruud van Nistelrooy
Als der späte Ruud van Nistelrooy seine illustre Karriere bei einem darbenden HSV ausklingen ließ, hatte ich das Glück, seinem ersten Einsatz im Stadion beizuwohnen. Der HSV führte in Köln 3:2, mein Kumpel, der HSV-Fan ist und mit dem ich damals im Stadion war, pöbelte wie viele andere Hamburger an diesem Tag trotzdem 90 Minuten durch, und als irgendwann Van the Man vom Aufwärmen zur Seitenlinie gerufen wurde, brandete ein Jubel durch den Hamburger Block, als sei gerade das 4:2 gefallen. Erwachsene Menschen lagen sich in den Armen und feierten eine Einwechslung lautstark mit Sprechchören, während ich verwundert in das von Freudentränen glänzende Gesicht meines Kumpels sah. Die völlig unverhältnismäßige Reaktion der Fans damals sagt viel aus über den Stellenwert, den sich van Nistelrooy im Laufe der Jahre im europäischen Fußball erbombt hatte. Mit seiner Wucht und Eiseskälte vor dem Tor war er einer der besten Stürmer der Welt geworden, erfolgreich bei Manchester und in Madrid, der nun, da er an der Seitenlinie zum Wechsel bereitstand und sich mit weltmännischer Lässigkeit den Nacken dehnte, mitansehen musste, wie der 1. FC Köln noch das 3:3 schoss.
Stürmer: Ronaldo
Es gibt bei Youtube ein Video, in dem Ronaldo, also der echte, brasilianische Ronaldo, im Trikot des FC Barcelona durch die Abwehrreihen Compostelas treckert und vor seinem Treffer sämtliche Abwehr- und Mittelfeldspieler und wahrscheinlich auch das Trainerteam samt Busfahrer und Mannschaftskoch aussteigen lässt, während im Hintergrund Beethovens „Für Elise“ läuft. Eine wunderbar passende Musikauswahl, denn ähnlich wie bei Tony Yeboah war es bei Ronaldo auch immer die Symbiose aus Power und Eleganz, die mich so fasziniert hat. Hinzu kam, dass ich in meiner Jugendmannschaft ebenfalls Stürmer spielte und ebenfalls die Neun auf dem Rücken trug, einzig Hasenzähne hatte ich leider nicht. Ronaldo ließ sich ein „R9“ auf seine Nike-Schuhe sticken, was ich ihm ganz unbescheiden gleichgetan hätte, wäre nicht mein Taschengeld zu bescheiden für die Schuhe gewesen. Später ist Ronaldo dann dick geworden, sein Biorhythmus habe sich umgestellt, behauptete er, und auch das fand ich ok, gab es mir schließlich gleich eine Ausrede für meinen sich langsam herausbildenden Bauchansatz.