Zum Einstand bei Lazio Rom sang Elseid Hysaj „Bella Ciao“. Dass er damit den rechten Fans derart auf die Füße treten würde, hat er vermutlich nicht erwartet.
Vor zehn Tagen veröffentlichte Elseid Hysaj eine rührselige Nachricht auf seinem Instagram-Account. Aus dem Flugzeug schrieb er: „Ihr seid eine besondere Stadt mit besonderen Fans, die allen, die das Trikot tragen, sehr viel geben!“ Mit diesen Worten bedankte sich er sich für seine sechs Jahre bei SSC Neapel und verabschiedete sich nach Rom. Die letzten Worte seines Posts waren: „Ciao Guagliò“. In etwa „Tschüss, Jungs!“
Auch bei seinem Einstand in Rom sollte „Ciao“, das Wort, das im Italienischen sowohl Begrüßung als auch Abschied sein kann, eine wichtige Rolle spielen. Lazio Rom hatte gerade in einem Freundschaftsspiel 10:0 gegen Radio Club gewonnen, die Stimmung war ausgelassen. Wie bei vielen Vereinen üblich, sollte Neuzugang Elseid Hysaj zum Einstand ein Lied zum Besten geben. Er wählte „Bella Ciao“. Ein Video zeigt ihn, wie er die Zeilen des Partisanensongs grölt und dabei immer wieder auf das Display seines Handys schaut. Textsicher ist er nicht, aber er bringt seine Darbietung mit Überzeugung rüber. Danach lässt er sich erleichtert auf einen Stuhl plumpsen.
Vermutlich hat Elseid Hysaj nicht erwartet, was er damit auslösen würde, als er gut gelaunt „Bella Ciao“ trällerte. Das Lied hatte durch die spanischen Netflix-Serie „La casa de papel“, „Haus des Geldes“ in den vergangenen Jahren neue Beliebtheit erfahren. Hysajs neuer Teamkollege Luis Alberto hatte die Darbietung für die sozialen Medien aufgenommen. Und Hysaj geriet daraufhin in das Fadenkreuz der ultrarechten Fanszene in Rom. Die war nicht begeistert, dass der neue Verteidiger zum Einstand ein Lied gewählt hatte, das einst als Hymne gegen den italienischen Diktator Mussolini bekannt wurde.
Ein paar Tage nach der „Bella Ciao“-Gesangseinlage erschien an einer Brücke in Rom ein Banner, auf dem übersetzt steht: „Hysaj ist ein Wurm, Lazio ist faschistisch.“ Außerdem berichteten italienische Zeitungen, dass Fans die direkte Konfrontation mit dem Spieler gesucht hätten. Eine italienische Nachrichtenagentur zitierte einen Anführer der „Ultras Lazio“ wie folgt: „Unsere Fans waren historisch immer rechtsextrem, und das sage ich mit Stolz.“
Damit hat der Anführer recht. Die Fans von Lazio sind schon in der Vergangenheit mit faschistischen Aktionen aufgefallen. Besonders eine Gruppe ist für ihre rechte Gesinnung bekannt: Irriducibili Lazio, auf Deutsch „Die Unbeugsamen“. Sie hatten sich 1987 gegründet. In ihrer 33-jährigen Fangeschichte haben sie sich als eine der rechtesten Fangruppen Europas etabliert: Schon 1999 fielen sie mit Nazisprüchen auf Bannern auf, die deutlich rassistisch und antisemitisch waren und dazu noch eine Prise Holocaustbezug mit sich trugen. Im Gedächtnis geblieben ist auch der Kapitän von Lazio Paolo Di Canio, der einige seiner Tore mit dem römischen Gruß feierte. Dieser Gruß sieht dem Hitlergruß sehr ähnlich, gilt aber dem italienischen Faschisten Benito Mussolini. Di Canio war Mitglied von Irriducibili Lazio. 2017 wurden im Stadion Aufkleber gefunden, die Anne Frank im Trikot des Stadtrivalen AS Rom zeigten. Während einer Gedenkminute für Anne Frank stimmten Lazio-Fans faschistische Gesänge an. Einige Fans erhielten ein Stadionverbot, eine Strafe musste der Verein nicht bezahlen. Zwei Jahre später zog die Gruppe erneut die Aufmerksamkeit auf sich, weil sie mit einem Banner posierte, auf dem „Ehre für Benito Mussolini“ stand. Dabei skandierten sie faschistische Parolen.
2020 verkündete die Gruppe ihre Auflösung. Seither sollen sich alle Lazio Fans unter einem Banner vereinen und den Namen „Ultras Lazio“ tragen. Ultras Lazio war auch die Signatur, die auf dem Banner „Hysaj ist ein Wurm, Lazio ist faschistisch“ prangte.