Ihr wisst nicht, was ihr euch oder anderen zu Weihnachten schenken sollt? Wie wäre es mit Anteilen an einem Fußballspieler? Investmentfonds bieten Privatleuten die Transferrechte an Profis schon ab 2500 Euro an. Ein lukratives, aber fragwürdiges Geschäft.
Jordan Brown ist nicht einfach nur Mittelfeldspieler. Der Deutsch-Jamaikaner, gebürtig aus Hamburg, sagt, er sei auch „Investmentspieler“ und ziemlich stolz darauf, „dass die Geldgeber in mir eine mögliche Wertsteigerung sehen“.
Man könnte sich also, passend zur Weihnachtszeit, Brown auch gut mit einer Schleife um den Hals vorstellen – symbolisch, versteht sich, als eine Art Präsent, für sich oder für andere. Als Alternative für jene, die sonst Aktien oder Geld zum Fest verschenken.
Bei einjähriger Laufzeit knapp acht Prozent Rendite
Denn der junge Mann ist einer von aktuell acht Profis beim schweizerischen Zweitligaverein FC Wil 1900, an denen ein deutscher Investmentfonds die Rechte hält: Das Hanseatische Fußball Kontor, kurz HFK, nennt sich Spezialemissionshaus für Investitionen in Spieler-Transferrechte. HFK setzt auf Fußballer als Wertanlage. In den Fußball-Fonds kann man als Privatmann bereits ab 2500 Euro Einlage einsteigen. Und an Spielertransfers mitverdienen. Versprochen werden – und wo gibt es das heute noch? – bei nur einjähriger Laufzeit knapp acht Prozent Rendite. Bei längerer Laufzeit noch mehr.
Dass Brown überhaupt in Wil spielt, verdanke er nur dem Investment, sagt der 23-Jährige. „Wenn das Geld nicht geflossen wäre, würde ich vielleicht immer noch in der Regionalliga versauern.“ Und wenn er irgendwann weiterverkauft wird, dann verdient daran auch das HFK mit seinen Geldgebern.
Das klingt hart, wenn es um Menschen geht – aber Fußball ist doch längst in weiten Teilen nur noch Geschäft. Und Jordan Brown gehört zu jener Generation, die das schon ganz normal findet. Nun ist das beschauliche Wil im Kanton St. Gallen nicht der Nabel der Fußballwelt. Aber der Klub gilt als Talentschmiede in der Schweiz, hat schon dutzendweise Profis für die heimische erste Liga ausgebildet. Im Fall Brown ist es so, dass er laut dem Internetportal transfermarkt.de seit dem Wechsel vom Hamburger SV II nach Wil seinen Marktwert auf 300.000 Euro erhöht hat. Gekommen ist er für gerade einmal 10.000 Euro (also zum Preis von vier Kleininvestments) vor eineinhalb Jahren. Würde er nun für das dreißigfache transferiert, könnte sich mancher die Hände reiben.
„Investment für Ottonormalfans – Managerspiel for real“
„Das ist eine spannende Renditechance, ein interessanter Markt. Viele Leute verbinden damit auch ein bisschen Herzblut, der Fußball ist ihnen am Ende näher als die Solaranlage in Rumänien oder der Infrastrukturfonds in den USA“, sagt Dirc Seemann vom Hanseatischen Fußball Kontor. „Das ist Investment für Ottonormalfans. Managerspiel for real.“ Seemann, sportlicher Leiter und PR-Mann des HFK, ist in Deutschland durch seinen Zweitjob als Fußballkommentator für große Sender bekannt. Er findet öfter selber mal Talente. Hinter ihm arbeiten für das Unternehmen aber auch zahlreiche Scouts und Spielerberater. Aktuell liegt das Gesamtportfolio, wie es Seemann nennt, bei rund 50 Spielern. Das eingesammelte Kapital beträgt 15 Millionen Euro – angeblich stetig steigend. Der FC Wil hat einen Etat von 2,5 Millionen Euro, 400.000 Euro davon kommen vom Hanseatischen Fußball Kontor.
Wer den Verein in der Schweiz besucht, erhält einen Eindruck davon, wie das Geschäft läuft. Hier, im eher zweckmäßigen neuen Sportpark Bergholz mit Kunstrasenplatz, geht es bei dem Thema transparenter zu als anderswo.
Platini: „Undurchsichtige Gesellschaften“
Oft sickert es ja nur bruchstückhaft durch, aus all den Berichten rund um prominente Fälle wie Neymar, an dem wie an anderen Stars gleich mehrere Investmentfonds beteiligt sind. Zum Beispiel soll bei seinem Transfer vom FC Santos zum FC Barcelona die Doyen Investment Group mitverdient haben. Die wirbt offen im Internet mit ihren vielfältigen Fußballgeschäften – will aber auf Anfrage kein Interview geben. Irgendwann kommen per Mail aus Malta ein paar dürre Zeilen: Mit Dritteigentümerschaft habe man „gar nichts zu tun“.
Aha. Doyen steht aber ganz oben auf der Liste der Uefa zum Thema „Third Party Ownership“. Michel Platini redet oft über das Thema. Er gerät dann in Rage. Der Präsident der Europäischen Fußball-Union Uefa will die Dritteigentümerschaft verbieten. Er spricht dabei von „undurchsichtigen Gesellschaften mit Sitz in Steuerparadiesen“. Viele Spieler seien „nicht mehr Herr ihrer sportlichen Karriere und werden Jahr um Jahr weiterverkauft, um die Gier dieser Unbekannten aus dem Fußball zu stillen“. Um das intransparente Geschäft einzudämmen, brauchte die Uefa die Hilfe der Fifa. Der Weltverband wirkt jedoch weitgehend teilnahmslos, argumentiert auf Anfrage nur: Die Statuten seien ausreichend und klar definiert.
Und ja, in den Paragrafen steht, dass nur ein Klub oder ein Spieler selbst die Transferrechte halten kann. Aber das ist leicht zu umgehen, indem eben zusätzliche Vereinbarungen über die „wirtschaftlichen Rechte“ geschlossen werden, die im Grunde nichts anderes besagen als: Bei Transfers verdient der Investor mit, der im Gegenzug zuvor für Ablöse und Gehalt, zumindest teilweise, aufkommt. In der Regel wird beim Verkaufserlös dann halbe-halbe gemacht.
Jochen Lösch mischt weltweit auf diesem Gebiet mit. Er macht auch immer mal wieder Geschäfte mit Bundesligisten, Bayer Leverkusen ist ein Kunde. Der Deutsch-Uruguayer leitete das Auslandsgeschäft von Traffic Sports aus São Paulo und sagt: Ohne dieses Modell würde der globale Transfermarkt zusammenbrechen. In Südamerika ist ein solcher Rechtehandel seit vielen Jahren gang und gäbe, manche klammen Klubs könnten ohne ihn kaum noch Kader zusammenstellen. Traffic unterhält mit Desportivo Brasil sogar eine eigene Firma mit Jugendinternat und Profiteam, in dem quasi Talente für den Investmentmarkt ausgebildet werden.
„Man kann mit einem Spieler Millionen gewinnen“
Mit GD Estoril aus Portugal gibt es einen Traffic-Klub als Schaufenster für solche Spieler, der in der Europa League mitspielt. „Das ganze Geschäft funktioniert nur über ein größeres Portfolio an Spielern, denn alles andere wäre viel zu riskant“, sagt Lösch. „Man kann mit einem einzigen Spieler Millionen gewinnen – oder verlieren.“ Traffic hantiert mit dem Geld von Großinvestoren.
„Im Prinzip ein ganz übliches Modell im Profigeschäft“, sagt auch Jörg Jakobs, Sportdirektor des 1. FC Köln. Sein Klub hatte einen Traffic-Spieler im Kader, Verteidiger Bruno Nascimento, inzwischen an GD Estoril weitergereicht. Jakobs betont: „Wir hatten in der Vergangenheit schon öfter Investoren im Boot, mit denen es so lief, dass sie an eventuellen zukünftigen Transfererlösen beteiligt werden.“ Lösch sagt: „Der FC Bayern, Manchester United oder Real Madrid brauchen das nicht, die haben genug eigenes Geld. Aber sonst machen das viele Vereine so. Nur reden sie nicht gerne darüber, weil dem Ganzen aus unverständlichen Gründen etwas Schmuddeliges anhaftet.“ Der Ruch von Menschenhandel.
Die Hoffnung auf den dicken Fisch
Das stört das Hanseatische Fußball Kontor nicht. Deutschlandweit einmalig, hat man in Schwerin das Fußball-Investment für den kleinen Mann erfunden. Schon über 1000 Anleger sind an Bord. Sie erwerben Anteile am Spieler, zugespitzt: Sie kaufen bei einem Spieler ein Bein, bei einem anderen nur den rechten Zehennagel. Sie mischen so mit in einem „globalen Geschäft“, wie Seemann es nennt. Und so hoffe man, irgendwann mal einen dicken Fisch zu angeln, der für Millionen an einen Topklub weiterverkauft wird. Es würde auch die Anleger freuen. Den einen oder anderen Transfer mit zwei- bis dreihundertfacher Rendite habe man jedenfalls schon getätigt.
Neulich blieb ein mazedonischer Spieler aus dem Investment nur wenige Wochen in Wil, quasi als Durchgangsstation – bevor er weiter in die Ukraine transferiert wurde. Mit enormem Gewinn.
Dafür ist man Partnerschaften mit Klubs wie FK Spartaks Jurmala in Lettland, Asteras Tripolis (Griechenland), NK Domzale (Slowenien), Austria Klagenfurt oder eben dem FC Wil eingegangen. „Das ist eine Win-win-Situation für beide“, sagt Roger Bigger, der Präsident des Schweizer Klubs, der übrigens eine Aktiengesellschaft ist. Ohne den Fremdinvestor hätte man sich schon einige Spieler nicht leisten können – und deshalb gäbe man auch gerne was ab beim Weiterverkauf, betont Bigger.
Dass der Investor mitbestimmt, welcher Spieler wie viel spielt oder wohin geht, wird von beiden Seiten bestritten. Was manche Kritiker natürlich nicht glauben wollen. In Wil jedoch behaupten sie: Man einige sich stets partnerschaftlich. Dass dies anderswo schon zu handfesten Streitigkeiten zwischen Klub und Investor gesorgt hat, für frustrierte, hin- und hergeschobene Spieler und dafür, dass die Ligen in Polen, Frankreich und England solche Modelle auch aus Furcht vor Wettbewerbsverzerrung verbieten – kein Thema in der Schweiz.
Auch nicht bei einem Spieler wie Jordan Brown. „Man kann in Aktien investieren, man kann in Spieler investieren“, sagt der 23-Jährige, der erfolgreich auf dem Weg vom Investment- zum Renditespieler ist: „Es ehrt mich doch, wenn ich dieses wirtschaftliche Potenzial habe.“