Martin Kobylanski erzielte einen Dreierpack im DFB-Pokal gegen Hertha BSC. Hier spricht er über unerwartete Gratulanten, einen möglichen Wechsel und den Moment, als ein Bayernspieler Eintracht Braunschweig in die zweite Liga schoss.
Herr Kobylanski, am Freitag gegen Hertha schossen Sie drei Tore und sorgten mit dafür, dass der Erstligist ausschied. Es heißt, Sie seien nach dem Pokalspiel vergangenen Freitag direkt nach Berlin gefahren. Warum?
Wir hatten unabhängig vom Ergebnis nach dem Pokalspiel zwei Tage frei und da bin ich nach Berlin gefahren, um meine Schwester und meine Freunde zu besuchen.
Nicht um einen Vertrag bei der Hertha zu unterzeichnen?
Ach Quatsch, nein! Da war ich wirklich nur zu Besuch (lacht).
Wurden Sie in Berlin auf den Straßen erkannt?
Nein, Berlin ist so groß, dass ich auch nach so einem Spiel nicht erkannt werde. Aber als ich mit ein paar Jungs unterwegs war, habe ich zufällig Max Kruse getroffen. Er hat mir gratuliert und wir haben über gemeinsame Bremer Zeiten gequatscht. Grundsätzlich habe ich aber versucht, nicht so viel über Fußball zu reden und mich zu erholen. Das war an dem Wochenende bei so vielen Anrufen und Nachrichten nicht ganz einfach.
„In der Kabine liefen Malle-Hits. Das musste auf jeden Fall sein“
Welche Nachricht hat Sie besonders gefreut?
Solche Glückwünsche liest man natürlich alle besonders gerne. Ich habe auch unerwartete Nachrichten bekommen, zum Beispiel von Lukas Podolski, mit dem ich jetzt nicht wirklich viel Kontakt habe.
Was hat er geschrieben?
Das verrate ich nicht (lacht)
Ihr Trainer Daniel Meyer sagte, er würde mal beobachten, ob Sie den Dreierpack realistisch einschätzen oder ab sofort mit einem offenen Bus durch die Stadt fahren würden. Wie sahen die Feierlichkeiten nach dem Spiel aus?
In der Kabine liefen Malle-Hits. Das musste auf jeden Fall sein und wir haben den Abend genossen. Aber jetzt müssen wir in der Liga abliefern.
Wer bestimmt in der Kabine, was gehört wird?
Ich habe eine Playlist, die wir immer vor dem Spiel hören und nach dem Spiel wird das Kabel der Box auch gerne mal rumgereicht.
Was legt DJ Kobylanski auf?
Da ich Berliner bin, wird schon House und ein bisschen Techno gespielt. Das gefällt nicht allen, aber ich glaube, dass wir uns vor den Spielen mit dieser Musik pushen können.
Sie sagten 2019, es gebe kaum etwas Geileres als einen Sieg am letzten Spieltag einer Saison am Freitagabend unter Flutlicht. Wie fühlt sich so ein Sieg zu Beginn einer Saison an?
Es war endlich wieder Atmosphäre im Stadion. Die 500 Menschen, die da waren, haben richtig Stimmung gemacht. Bei dem Spielverlauf konnten wir den Fans alles bieten. An diesem Freitagabend waren auch nur zwei Spiele im DFB-Pokal angesetzt, sodass viele Augen auf uns gerichtet waren. Das macht den Sieg noch ein bisschen schöner.
Wie erinnern Sie sich an Ihre drei Treffer?
Der Boden war nass, deswegen habe ich bei dem Freistoß einen Aufsetzer versucht und darauf gehofft, dass der Torwart spekuliert. Hat funktioniert, meinen Strafstoß hat er dagegen abgewehrt. Vielleicht muss ich mir für den nächsten Elfmeter eine neue Strategie überlegen, mir vorher eine Ecke aussuchen und ihn reinmachen. In dem Fall war es gut, dass ich direkt nachgegangen bin und den Nachschuss verwertet habe. Und beim dritten Tor legt Fabio (Kaufmann; d. Red.) super auf und mit zwei Toren im Hinterkopf gelang mir dann auch so eine Direktabnahme.
„Ich nehme mir immer vor, gelassen zu bleiben, aber ich muss gestehen: Beim Trashtalk gehe ich gern voran“
Wann haben Sie gemerkt, dass gegen die Hertha wirklich was zu holen ist?
Wir wussten schon vor dem Spiel, dass wir gewinnen können. Das erste Tor nach einer Minute spielte uns natürlich in die Karten. Wir legten nach und von da an war das Selbstbewusstsein schon sehr hoch.
Dann kassierten Sie in nur sechs Minuten zwei Tore zum 2:2.
Das ist erstmal in den Köpfen, aber trotzdem hatten wir gemerkt, dass das so ein Tag ist, an dem etwas gehen kann. Wir erzielten noch vor der Pause das 3:2 und dann hat uns der Trainer in der Halbzeit die passenden Impulse mitgegeben.
Gab es Psychotricks oder Trashtalks, als es für Sie besser lief als für den vermeintlichen Favoriten?
Die Trashtalks gibt es immer, da kommen wir nicht herum, egal ob wir führen oder zurückliegen. Ich nehme mir immer vor, gelassen zu bleiben, aber ich muss gestehen: Beim Trashtalk gehe ich gern voran (lacht.)
Wie gehen Sie als neuer Kapitän mit der gestiegenen Verantwortung um?
Das ist so nicht ganz richtig, der Trainer hat ganz deutlich gesagt, dass er bis zur Länderspielpause abwarten möchte, um einen offiziellen Kapitän zu bestimmen. Bis dahin haben wir noch drei Spiele, in denen ich jetzt die Binde trage und dann werden wir sehen.
Trotzdem übernehmen Sie auf dem Platz Verantwortung. Nicht zuletzt mit drei Treffern gegen einen Bundesligisten.
Selbst wenn ich keine drei Buden mache, versuche ich immer voranzugehen. Ich war auch in Münster ein paar Mal Kapitän. Vor allem wenn es mal nicht so läuft, wird es wichtig, Verantwortung zu übernehmen. Ob ich jetzt drei Tore schieße oder nicht, ändert nichts an meiner Einstellung.
Benno Möhlmann hatte Sie 2017 von Lechia Gdánsk zu Preußen Münster geholt. Wie lief das ab?
Ich habe in Polen ein schwieriges Jahr durchlebt, in dem ich nur drei Ligaspiele gemacht habe. Benno Möhlmann kannte mich noch aus der zweiten Liga, als ich mit Union Berlin gegen den FSV Frankfurt ein Tor gemacht habe. Für mich war zu dieser Zeit einfach wichtig, Spielpraxis zu sammeln – egal in welcher Liga. Ich war dann in Münster und habe richtig gute Gespräche mit Benno Möhlmann geführt. So habe ich mich ein halbes Jahr ausleihen lassen und wollte danach nicht mehr weg, weil ich mich so wohlgefühlt habe.
Vor der vergangenen Saison sind Sie zu Eintracht Braunschweig gewechselt und trugen mit 18 Toren maßgeblich zum Aufstieg bei. Die Hälfte davon erzielten Sie nach der Corona-Pause. Worauf achteten Sie in dieser freien Zeit besonders?
Während der Pause war ich selbstverständlich viel laufen und habe für mich persönlich viel gemacht. Ich wollte immer für den Tag X, an dem es weitergeht, bereit sein und dann abliefern können.
Nach einem 3:2‑Heimsieg gegen Waldhof Mannheim am vorletzten Spieltag verfolgten Sie die letzten Minuten des Parallelspiels zwischen Bayern II und dem MSV Duisburg auf der Anzeigetafel im Stadion. Erst durch das 2:2 in der Nachspielzeit war der Aufstieg perfekt. Wie haben Sie diese Minuten erlebt?
Das Bild auf der Anzeigetafel war ein bisschen verzögert, aber wir haben irgendwo im Umfeld des Stadions schon Leute schreien gehört. Daher konnten wir uns schon denken, was wir gleich zu sehen bekommen. Das Tor von Leon Dajaku, der für die Bayern das 2:2 gemacht hat, bedeutete Emotionen pur. Wir kannten kein Halten mehr und sprangen durch den Strafraum. Wir hatten uns alle das Ziel Aufstieg gesteckt und eine schwere und turbulente Saison hinter uns. Dann kam die Corona-Pause dazu und viele Faktoren haben für uns gespielt. Von daher waren das unglaubliche Momente, von denen ich mir wünsche, jeder Fußballer könnte das erleben.
Der Moment, in dem alle Dämme brachen: Eintracht Braunschweig ist zurück in der 2. Bundesliga.
Sie sind jetzt 26 und es wirkt ein bisschen so, als würde Ihre Karriere jetzt so richtig Fahrt aufnehmen.
Das ist natürlich schön, weil ich in Polen in einer Phase war, in der es nicht gut lief. Ich habe mich trotzdem da rausgekämpft und bin auf gutem Weg, meine Ziele zu realisieren. Schritt für Schritt will ich noch mehr arbeiten und immer besser werden.
Nach den vergangenen Monaten und dem Pokalspiel gegen Hertha BSC haben Sie sich in den Fokus mehrerer Vereine gespielt. Was sagen Sie den Eintracht-Fans, die Angst haben, Martin Kobylanski noch in dieser Transferperiode zu verlieren?
Den Fans kann ich sagen, dass ich noch zwei Jahre Vertrag habe und ich mich hier wohl fühle. Aber auch, dass ich weiß, wie schnell es in der turbulenten Welt des Fußballs gehen kann. Ich kann sowohl einen Verbleib als auch einen Wechsel nicht ausschließen. Ich versuche mich aus vielen Dingen wie Spekulationen rauszuhalten, darum kümmern sich mein Papa und mein Berater. Für mich zählt die Leistung auf dem Platz.
In den kommenden Wochen dürfen die Stadien immerhin wieder zu 20 Prozent gefüllt werden. Freuen Sie sich darauf, Ihre Tore wieder mit den Fans zu bejubeln?
Definitiv! Da kann ich mir immer wieder was Schönes überlegen beim Torjubel. Fußball macht mir einfach viel mehr Spaß, wenn ich höre, wie die Fans sich freuen. Egal ob wir vorne oder zurück liegen, es sind viel mehr Emotionen dabei und die Fans pushen uns. Deshalb wäre es schön, wenn sich alle an die Hygienekonzepte halten und nach und nach wieder mehr Fans ins Stadion kommen können.