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Seite 2: Und di Caprio sang: „It's Coming Home“

Es wird Eng­lands viertes Elf­me­ter­schießen bei einer WM. Nie­mand muss (uns) daran erin­nern, was bei den ersten dreien pas­siert ist“, sagte der Kom­men­tator der BBC. Kolum­bien begann und ging in Füh­rung. Harry Kane und Marcus Rash­ford trafen tro­cken links unten. Beide Straf­stöße waren unhaltbar. Beide Schützen ließen sich einen Moment Zeit zum Ein­atmen, nachdem der Ball frei­ge­geben war. Das musste ein­geübt sein, das war ein­geübt.

Doch der Dritte, Liver­pools Jordan Hen­derson, schob den Ball nach rechts, auch dieser Schuss nicht mal schlecht – doch Kolum­biens Tor­wart hielt. Eng­land ver­schoss und alles sah danach aus, dass sich das Drama wie­der­holte. All das Trai­ning, all die Psy­cho­tests schienen ver­ge­bens. Genau in diesem Moment aber blieb South­gate unge­rührt stehen. Er haderte nicht, er bewegte nicht mal den Kopf. Es schien, als hätte der Trotz seine Gesichts­züge ein­ge­mei­ßelt. Als wüsste South­gate, dass er beim Schicksal noch einen gut hatte.

Und tat­säch­lich: Zwei Kolum­bianer schei­terten, an der Tor­latte und an Jordan Pick­ford.  So kam es, dass Eng­lands letzter Schütze Eric Dier mit nur einem Schuss die His­torie drehen konnte. This is the moment. This could be the moment for Eng­land“, zit­terte der BBC Radio5-Kom­men­tator ins Mikro. Dier wackelte, die Schwere der Ver­ant­wor­tung drückte merk­lich auf den Schul­tern. Er schoss nach links, nicht fest, nicht ent­schlossen und in die Rich­tung des Kee­pers. Doch der Ball flutschte durch, er flutschte ins Netz.

Eng­land siegte nach Elf­me­ter­schießen. Haltet die Dru­cker­pressen an! Der Kom­men­tator schrie: And Dier does it – Eng­land win a World Cup penalty shoo­tout for the first time ever – maybe time’s are chan­ging. This team is chan­ging things.“

Man schaue sich dazu nur dieses Video, womög­lich das beste Fuß­ball-Video dieses Jahres, an und eine der letzten Ein­stel­lungen. Wie South­gate die Fäuste ballt und schreit. So wie es nur jemand tun kann, der nicht nur schreit, son­dern etwas raus schreit.



Die Eng­länder haben die bewun­derns­werte Fähig­keit, eine Sache wie den Fuß­ball bis ins kleinste Detail auf­zu­saugen und sich gleich­zeitig über die Sinn­lo­sig­keit ihres eigenen Tuns lustig zu machen. Diese Selbst­ironie nimmt dieser Geschichte oft das kleb­rige Pathos und machte nicht nur in Eng­land eine oft spröde WM zu einem großen Spaß.

Ich fei­erte den Typen in Midd­les­b­rough, der über Diers Tor beson­ders glück­lich war: siehe hier. Ich liebte die Memes zu It’s coming home“, mit denen die Eng­länder ja nicht wirk­lich in purer Über­heb­lich­keit vom Titel­ge­winn schwa­dro­nierten, son­dern vor allem die Stim­mung im Land kari­kierten. Jeder in Eng­land sprach von dieser Mann­schaft und von diesem Trainer, jeder sang den Hit der Light­ning Seeds“, warum also nicht Leo­nardo di Caprio oder Wla­dimir Putin??! (Wahr­schein­lich legte auch ich des­wegen beim Live­ti­cker zum Halb­fi­nale jeg­liche Über­par­tei­lich­keit ab.)

Und ich besuchte wäh­rend der WM ein Kon­zert von Liam Gal­lagher in London und sah, wie die Eng­länder danach in Trauben hüpften und sangen: South­gate you’re the one – you still turn me on – Football’s coming home again.“ Der Trainer hatte sich einen eigenen Song wahr­lich ver­dient. Man kann dar­über streiten, ob es dann aus­ge­rechnet ein Song von Atomic Kitten sein musste. Doch viel­leicht steht der Ori­gi­nal­titel dann am Ende doch für Eng­land 2018 – und für Gareth South­gate. Er hieß: Whole again“. Alles war wieder ganz.