Fürs neue Heft trafen wir Christian Gentner zum Interview. Im Vorfeld beschäftigte unseren Autor vor allem eine bestimmte Frage.
Ich saß schon im ICE nach Stuttgart, als ich die Nachricht auf mein Handy bekam. „VfB sagt alle Medientermine ab“, hieß es dort. Es war Sonntag, der 16. Dezember. Am Abend vorher, nur Minuten nach dem Ende des Spiels zwischen dem VfB und Hertha BSC, war der Vater von Stuttgarts Kapitän Christian Gentner im Stadion zusammengebrochen. Er starb, während sein zweitältester Sohn vor den Kameras von Sky etwas zum Spiel sagte.
Sollte ich umkehren? Oder in Stuttgart anrufen, um zu hören, ob die Absage auch für die Art von Termin galt, wie ich ihn hatte? Für den folgenden Morgen um 9:30 Uhr war ich nämlich mit einem Fotografen und einem Vereinshistoriker des VfB in der Mercedes-Benz-Welt verabredet, ganz in der Nähe des Stadions. Wir wollten die Tatsache nutzen, dass der Klub dort gerade eine Ausstellung zu seinem 125. Geburtstag hatte, um einen Beitrag für unsere Rubrik „Fußballmuseum“ zu produzieren.
Kein normaler Termin
Am Ende entschied ich mich, gar nichts zu tun. Mein Kontaktmann beim VfB würde sich schon melden, wenn das Treffen abgesagt werden müsste. Wahrscheinlich war das aber nicht, überlegte ich, denn wir würden ja nicht mal das Vereinsgelände betreten. Ich behielt recht, denn unser Termin fand schließlich ganz normal statt.
Oder eben nicht ganz normal. Denn natürlich waren die Ereignisse vom Samstag auch am Montag noch ein Thema. Und von den Leuten in der Mercedes-Benz-Welt erfuhr ich auch ein paar Dinge, die mir als Außenstehendem vorher nicht so klar gewesen waren. Während wir die Exponate von A nach B schoben und der Fotograf mit den Lichtverhältnissen im vollverglasten Museum kämpfte, erzählte man mir, welche Bedeutung die Familie Gentner für das Vereinsleben des VfB Stuttgart hatte.
Verein unter Schock
Ich erfuhr, dass der jüngere Bruder von Christian Gentner einst als großes Talent in der Jugend des VfB galt und dass der ältere heute die Nachwuchsarbeit des Klubs koordiniert. Man erklärte mir, dass jeder – wirklich jeder im Verein – den Vater der drei, Herbert Gentner, gut gekannt hatte. „Und deswegen“, sagte jemand, „steht gerade der komplette Verein unter Schock. Vielleicht sogar die ganze Stadt.“
Als ich im Zug zurück nach Berlin saß, kam die Nachricht, dass Christian Gentner sich entschieden hatte, trotz der Tragödie am nächsten Tag das Trikot des VfB zu tragen und gegen Wolfsburg aufzulaufen. „Es spricht für seine persönliche Identifikation mit unserem Klub und die außergewöhnliche Beziehung der Familie Gentner zum VfB, dass Christian spielen wird“, zitierten die Medien den damaligen VfB-Manager Michael Reschke. Der Tag des Spiels in Wolfsburg wäre der 67. Geburtstag von Herbert Gentner gewesen.