Vor dem Oberliga-Derby gegen Uerdingen haben die Ultras des Wuppertaler SV mit einem Video ihre Gegner provoziert. Wir haben das filmische Meisterwerk analysiert.
Ultras organisieren Choreographien, bestimmen maßgeblich den Support im Stadion und engagieren sich oftmals wie selbstverständlich für den guten Zweck. Sie stecken unzählige Stunden ihrer Freizeit in ihren Verein, ihre Gruppe. Davor kann man nur den Hut ziehen.
Aber es gibt eben auch andere Beispiele. Gruppen, die ihre Aufgabe nicht nur im bedingunslosen Support ihres Klubs sehen, sondern sich andere Betätigungsfelder suchen. Auch außerhalb des Stadions sogenannte Matches organisieren, die Normalsterbliche einfach dumpfe Schlägereien nennen würden. Bei diesen Gruppen ist der Übergang vom Ultra zum Hooligan fließend. Vielleicht sogar gewollt.
Grandioser Schwachsinn
Die Ultras des Oberligisten Wuppertaler SV haben nun, pünktlich vor dem Derby gegen den KFC Uerdingen am Sonntag, ein Video veröffentlicht, dass einem Meisterwerk gleicht. Zeit, es sich mal genauer anzusehen.
Los geht es mit einer offenbar niemals enden wollenden Eröffnungszene, in der man auf eine spärlich beleuchtet Straße blickt. Es regnet, es ist ungemütlich, im Hintergrund vernimmt man schweres, pornofilmähnliches Schnaufen. Dazu dumpfe Schläge. Ist das ein verwirrter Asthmatiker? Ein Pferd auf der Flucht? Vor allem ist es ein mysteriöses Setup, das den Zuschauer irritiert. So verrinnen zwanzig Sekunden Lebenszeit, und just in dem Moment, in dem man sich lieber wieder seinen geliebten Katzenvideos zuwenden möchte: ein Paukenschlag. Boom. Ein Schwenk. Wackel. Und der Blick auf eine Sturmhaube samt WSV-Strickmütze.
Ein Anblick, der offenbar so erschreckend sein soll, dass selbst dem Protagonisten selbst vor Erregung die Kamera aus der Hand fällt. Schnitt.
Ultrageheime Szenecodes
Der Zuschauer kann kaum verleugnen, dass er schon jetzt jede Menge Angst hat. Vor dem ungemütlichen Herbst. Vor der Sturmhaube. Vor dem was noch kommt. Erstmal ist das eine Kellertreppe. Braun, abgewetzt, von einigen Hochwassern gegerbt. Davor eine ausgetretene Fußmatte. Und schon treten schwarze Sneaker entschlossen die Stufen hinab, ignorieren den Fußbabtreter. Eine beiläufige Geste für Ahnungslose, doch natürlich ein ultrageheimer Szenegeheimcode. Eine Protestnote kleinbürgerlicher Gemütlichkeit. Zwar wohnt man noch bei Mama und Papa unterm Dach, lässt sich gerne die Wäsche waschen, Taschengeld zustecken und am Sonntag Sauerbraten mit Klößen auf den Tisch stellen, aber nur mit innerem Widerstand. Ein starkes Bild.
Natürlich gehören zu den Protestsneakern ein paar stabile Jungs in schwarzen Anzügen und Sturmhaube. Der Anführer trägt weiße Handschuhe und wie selbstverständlich einen Schafskopf mit einer St. Pauli-Mütze vor sich her, seine Kollegen wackeln mit Grablichtern bewaffnet hinterher. So langsam dämmert es dem Zuschauer, dass hier gleich nicht die Teletubbies aus dem Nachbarkeller hüpfen werden, sondern diese Jungs es ernst meinen. Was auch immer „Es“ genau ist.
Cineastische Reminiszenz an echte Meisterwerke
Das Bild verkörnt, eine cineastische Reminiszenz an die großen Mystery-Blockbuster der Vergangenheit. Hier wurde nicht lieblos dahingeschnitten, sondern gelernt. Von „Donny Darko“, dem „Blairwitch Projekt“ und „Scream IV“. Klaviermusik ertönt, CB-Funk-Stimmen kratzen im Hintergrund, der Blick wandert auf eine Art Opferaltar, bestehend aus einem Sticker des KFC Uerdingen, ein paar Spraydosen und einem Stück Pappe. Die Klavieranschläge fräsen sich langsam in die Synapsen des gebannten Zuschauers, als der Schafskopf fast schon liebevoll niedergelegt wird. Eine Geste, die der Laie beiläufig wahrnimmt, die aber so viel mehr ist.
Denn der martialisch gekleidete Sturmhaubenträger will hier auch seine sanfte Seite zum Ausdruck bringen. Die Seite, die verborgen bleibt, wenn er mit seinen Jungs Eisen frisst. Da muss ihm das Adrenalin aus den Augen spritzen. Aber tief in ihm drin, das verrät er uns hier, da ruht auch nur ein Junge, der gerne mal in den Arm genommen werden würde. Von Mama. Seinen Kumpels. Vielleicht sogar von einer hübschen Krefelderin.