Roberto Hilbert, noch 2004 haben Sie für den 1. SC Feucht in der Regionalliga gespielt, jetzt sind Sie nah dran an Champions League und Nationalmannschaft. Das muss Ihnen doch unwirklich vorkommen.
Es ging in den letzten Jahren ziemlich schnell nach oben, und das ist mir in der Tat manchmal unheimlich, aber in erster Linie freut es mich natürlich sehr.
Wenn man sich Ihren Weg anschaut, kommt man nicht umher, das Wort Musterprofi in den Mund zu nehmen.
Ich habe sicherlich den Weg eingeschlagen, den ich über Jahre mit meiner Frau und meinem Berater angestrebt und geplant habe. Wir haben uns vorgenommen, das nach der Zeit in Feucht, Schritt für Schritt zu tun. Konkret also: erstmal zweite Bundesliga, und dann lag es auch nahe, dass ich irgendwann versuche, in der ersten Liga Fuß zu fassen. Über die Geschwindigkeit bin ich manchmal selbst überrascht.
Als Sie aus der Jugend von Greuther Fürth nach Feucht gingen, haben Sie den Fürthern das Versprechen gegeben, dass Sie noch einmal zurückkehren. Wie kam es dazu?
Ich habe mir damals mit meinem Berater Folgendes überlegt: Wenn ich das Zeug haben sollte, in der zweiten Liga zu spielen, und tatsächlich Profifußballer werden sollte, dann wird Greuther Fürth für mich der erste Ansprechpartner sein. Und daran habe ich mich gehalten.
Haben Sie sich denn manchmal geärgert, dieses Versprechen abgegeben zu haben? Schließlich hatten Sie auch noch andere Angebote vorliegen.
Ich bereue den Weg, den ich gegangen bin, in keinster Weise. Die beiden Jahre in Fürth haben mir unendlich viel gegeben. Die Zeit hat mich weitergebracht. Was kann ich mehr verlangen?
Sie sind also ein loyaler Mensch.
Ich stehe zu dem, was ich sage. Ich bin ein grundehrlicher Mensch und versuche immer, mein Wort zu halten.
Sie haben mal gesagt, dass sie gern für Arsenal London spielen würden. Würden Sie springen, wenn Arséne Wenger morgen anruft?
Nun ja, was heißt schon springen? Ich habe schließlich vier Jahre Vertrag in Stuttgart und fühle mich hier rundum wohl. Aber Arsenal ist seit meiner Kindheit mein absoluter Traumverein. Es ist zwar ein großer Verein, aber gerade, wenn man sieht, wie viele junge Spieler dort immer wieder spielen, ist das einfach toll. Und Arséne Wenger ist eben ein Coach, der auf die Jungen baut. Das imponiert mir. Und natürlich könnte man sich bei so einem Verein auch noch beträchtlich weiterentwickeln – das ist klar.
Sie sind neben Matthieu Delpierre der einzige VfB-Profi, der in dieser Saison in jedem Spiel aufgelaufen ist. Ist die Konstanz Ihre große Stärke?
Ich versuche in jedem Training, mein Bestes zu geben und mich für einen Platz in der Mannschaft zu empfehlen. Glücklicherweise habe ich relativ gute Fitnesswerte und bin deshalb körperlich noch nicht in ein Loch gefallen. Um aber über einen langen Zeitraum konstant am Limit zu spielen, fehlt mir noch Einiges.
Armin Veh hat nach dem 6. Spieltag über Sie gesagt, dass Ihnen im Grunde noch zwei Dinge fehlen: der entscheidende, letzte Pass und die Torgefährlichkeit.
Das ist sicherlich richtig, dass ich mich gerade da noch verbessern muss. Aber den perfekten Fußballer gibt es nun mal nicht. Ich kann und will nur immer wieder versuchen, an mir zu arbeiten.
Als Sie zum VfB Stuttgart kamen, war das der teuerste Transfer eines Zweitligaspielers ohne Erstligaerfahrung in die höchste deutsche Spielklasse. Haben Sie in Stuttgart einen enormen Erwartungsdruck verspürt?
Nein, überhaupt nicht. Da hat mir von Anfang an niemand Druck gemacht. Sicherlich war die Ablösesumme sehr hoch, aber damit sind alle gut umgegangen. Vielmehr habe ich mir selbst viel Druck gemacht, um das zu rechtfertigen. Ich bin schließlich nach Stuttgart gekommen, um mein Bestes zu geben. Dafür ist es aber auch notwendig, mir selbst immer wieder Druck zu machen. Ich wollte mit guten Leistungen überzeugen, so dass ich im Laufe der Zeit Stammspieler werde. Dass das so schnell gegangen ist und ich vom ersten Spieltag an auf dem Platz stand, damit konnte niemand rechnen.
Vor der Saison galt der VfB nicht als Kandidat für die internationalen Ränge. Jetzt spielen Sie um die Champions-League-Ränge. Woran liegt das?
Nach dem schlechten Saisonstart sind wir sehr eng zusammengerückt. Wir haben die ersten beiden Heimspiele direkt verloren. Dementsprechend groß war die Kritik der Medien an Mannschaft und Trainer. Mit dem Sieg in Bremen ist das Team viel geschlossener geworden, weil wir einfach gemerkt haben, dass wir kämpfen und siegen können. Und in der Folge, das hat man sowohl in der Hinrunde als auch jetzt in der Rückrunde sehen können, sind wir als geschlossene Einheit aufgetreten. Dass jeder für den anderen mitläuft und mitkämpft – das macht uns stark.
Insbesondere das überrascht, denn die Mannschaft musste ja einen großen Personalumbruch verkraften. Der VfB steht derzeit als Paradebeispiel für die Integration einer Vielzahl neuer Spieler. Ist das Armin Vehs Verdienst?
Ganz klar, ja. Er hat von Anfang an den neuen Spielern und auch den nachgerückten Jugendspielern, sprich Serdar Tasci, Andi Beck oder Samy Khedira, gezeigt, dass nicht nur große Namen eine Chance bekommen. Und das wussten wir von Anfang an. Wir haben alle eine faire Chance bekommen, zu spielen.
Über Armin Veh ist im Vergleich zu anderen Bundesligatrainern wenig bekannt. Er gilt als ruhiger Zeitgenosse. Wie erleben Sie ihn?
Er ist ein sehr ruhiger und vor allem sehr ehrlicher Mensch. Er sagt jedem geradeheraus seine Meinung, egal wer das ist. Er ist ein akribischer Arbeiter, der uns jede Woche eindringlich und persönlich auf das jeweilige Spiel vorbereitet. Und auch wenn es mal bei dem einen oder anderen nicht so gut läuft, versucht er ihn aufzubauen und gibt ihm Halt. Er spart nicht mit Kritik, ist sich aber auch nicht zu schade für ein Lob. Das zeichnet ihn aus.
In der Bundesliga hat Stuttgart in den letzten Wochen geschwächelt. Haben Sie durch die Unentschieden gegen Hertha und Wolfsburg und die Niederlage in Leverkusen sogar eine mögliche Meisterschaft verspielt?
Natürlich will jeder Spieler, jede Mannschaft in der Bundesliga Deutscher Meister werden, aber wir haben ja nie damit gerechnet, da in dieser Saison eine Chance zu haben. Insofern kann man auch nicht von Verspielen reden. Mannschaften wie Bremen oder Bayern müssen natürlich den Anspruch haben, Deutscher Meister zu werden. Bei uns gibt es in diese Richtung keinen Druck von oben oder von außen. Für uns ging es immer nur darum, so weit wie möglich nach oben zu kommen. Wir stehen momentan auf einem guten Tabellenplatz und den wollen wir auch verteidigen. Wir machen uns keinen Stress, aber die anderen Teams haben in den letzten Wochen auch nicht so viele Punkte geholt. Da ist noch alles offen.
Aber mannschaftsintern wird doch sicherlich das ein oder andere Mal laut über den Meistertitel nachgedacht.
Nein, warum auch? Wie gesagt: Es gibt wahrscheinlich keinen Fußballer, der nicht von der Deutschen Meisterschaft träumt. Aber das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Wir wissen, dass wir eine gute Mannschaft sind, und wir stehen sicherlich zu Recht auf dem dritten Tabellenplatz. Nicht mehr, nicht weniger.
Was hat für Sie persönliche Priorität – der Gewinn des DFB-Pokals oder das Erreichen eines Champions-League-Platzes?
Im Idealfall natürlich beides. Wir haben beste Chancen, den DFB-Pokal zu gewinnen. Wir haben uns das hart erarbeitet, und es ist natürlich klar, dass wir jetzt ins Finale wollen. Aber nun haben wir erstmal ein schweres Spiel in Wolfsburg. Wenn wir das gewinnen, sehen wir weiter.
Erwin Staudt hat in einem Interview auf Schalke als Meister getippt. Demotiviert Sie das, wenn Ihr Präsident eine andere Mannschaft vorne sieht?
Überhaupt nicht. Er hat ja nicht Unrecht, wenn er sagt, dass Schalke über die Saison die konstanteste Mannschaft ist. Die spielen für mich derzeit den besten Fußball in der Bundesliga.
Am Wochenende geht’s für den VFB nach Schalke. Was muss im Vergleich zu den letzten Spielen geändert werden, um dort zu gewinnen?
Am besten gar nichts. Wir haben eigentlich gut gespielt. Nur kamen mit Hertha und Wolfsburg einfach zwei sehr defensiv eingestellte Mannschaften, die nur auf Konter lauerten. Und auch in Leverkusen haben wir eine sehr gute Mannschaftsleistung geboten, an der Einstellung hat es bestimmt nicht gelegen. Leverkusen ist nun auch keine schlechte Mannschaft. Sicherlich waren die Resultate nicht so gut wie in den Wochen zuvor, aber das wird wieder kommen. So eine Mannschaft wie Schalke, die mitspielt, liegt uns.
Mario Gomez hat sich in der vergangenen Woche schwer verletzt, muss sechs Wochen pausieren. Ist das in dieser Phase überhaupt zu kompensieren?
Mario Gomez ist der derzeit beste Torjäger der Liga und hat schon viele Partien für uns entschieden. Er fehlt uns natürlich sehr, aber wir haben mit Benny Lauth, Cacau und Marco Streller drei sehr gute Spieler vorne, die auch Tore erzielen und Punkte für uns holen können.
Kleiner Ausblick zum Schluss: Wer wird Deutscher Meister?
Bayern München.