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Mai­land oder Madrid!

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Mit Bernd Schuster spra­chen wir im November 2011. Mit vielen anderen Legio­nären spra­chen wir über ihre Zeit im Aus­land für das neue 11FREUNDE Spe­zial Legio­näre“. Ab sofort am Kiosk und bei uns im Shop erhält­lich.

Bernd Schuster, Ihr erster Coach vor 31 Jahren beim FC Bar­ce­lona war eine her­aus­ra­gende Per­sön­lich­keit, Caten­accio-Erfinder Helenio Her­rera. Über ihn sollen Sie gesagt haben: Der ist so alt wie der Böh­mer­wald, schon dreimal abge­holzt.“
Er kam für mich aus einer anderen Welt. Ich war zwanzig, er um die sechzig. Er kam in blauer Ski­hose und abge­tra­genen Bas­ket­ball-Stoff­schuhen in die Kabine. Ich dachte, ja, leck mich in de Täsch, wer kommt denn da? Als wir Pokal­sieger wurden, packte er beim Essen plötz­lich eine Wahr­sager-Kugel aus, sie nannten ihn ja El Mago“. Wir Spieler saßen also am Tisch, in der Mitte eine Art Bow­ling­kugel, und ich fragte mich, wo die ver­steckte Kamera ist.

Sind Sie mit Ihm anein­an­der­ge­raten?
Nur einmal, denn er ließ am Tag nur 45 Minuten trai­nieren. Das war mir ein­fach zu wenig! Ich war Jung­na­tio­nal­spieler und fürch­tete um meine Fit­ness. Also bin ich nach­mit­tags allein auf den Platz. Als er das mit­bekam, hat er sich furchtbar auf­ge­regt.

Wie lange dau­erte es für den Jung­spund Schuster, bis er sich nach 1980 hei­misch in Bar­ce­lona fühlte?
Es hat einige Zeit gedauert. Ich sprach kein Wort spa­nisch, konnte mich mit nie­manden unter­halten und hatte unglaub­li­ches Heimweh. Für meine erste Frau war es noch schwerer. Wir wohnten außer­halb von Bar­ce­lona in einem großen Haus. Dort war sie mit den Kin­dern sehr viel allein. Wir hatten ursprüng­lich nie vor­ge­habt, ins Aus­land zu gehen. Aber nachdem ich mich beim 1. FC Köln mit Trainer Karl Heinz Hed­der­gott über­worfen hatte, musste ich weg.

Woran Sie nicht ganz unschuldig waren, nachdem Sie laut­stark Kritik an dessen Methoden geäu­ßert hatten.
Schon richtig, aber ich hoffte damals, inner­halb Deutsch­land zu meinem Traum­verein FC Bayern zu wech­seln. Franz Becken­bauer war mein Gott. Aber der FC wollte 3,5 Mil­lionen Mark Ablöse haben. Uli Hoeneß sagte, so eine For­de­rung sei ein Skandal. Aber für den FC Bar­ce­lona waren die 150 Mil­lionen Peseten gar nichts. Die waren schlecht in die Saison gestartet, ich war frisch­ge­ba­ckener Euro­meister. Ein Schnäpp­chen.

Sie hätten absagen können.
Um Gottes Willen, ich wollte spielen. In Köln durfte ich nicht mal mehr mit­trai­nieren, ich habe mich fünf Wochen selb­ständig fit gehalten. Inner­halb der Bun­des­liga war außer den Bayern kein Klub in der Lage, die Ablöse zu bezahlen. Und Köln ließ auch nicht nach. Sie hatten auch ein Angebot von den New York Cosmos. Ich hatte sogar einen Ver­trag unter­schrieben. Hennes Weis­weiler war damals Trainer dort. Die Saison sollte erst zum Januar 1981 beginnen, aber vorher wurde dort auch eine Aus­län­der­be­gren­zung ein­ge­führt. Hennes rief an: Jung, Du kannst zuhause bleiben.“ Im Nach­hinein war ich froh. Ich, mit 20 in den USA – das wären ver­lo­rene Jahre gewesen.

Bei Barca wurden Sie zum Super­star.
Für einen Profi in Deutsch­land lief das Leben damals noch gemüt­lich ab. In Kata­lo­nien hörte das schlag­artig auf. Ständig waren Leute um uns. Und Spa­nier haben keine Hem­mungen, da kommt es auch vor, dass sich einer beim Essen zu dir an den Tisch setzt.

Schwer zu ver­kraften für einen 20-Jäh­rigen.
Des­wegen waren die Ein­la­dungen zur Natio­nal­mann­schaft immer eine tolle Sache. Die Vor­freude auf die Tage daheim mit den alten Kol­legen, das hat mir am Anfang sehr geholfen. Als später der Ärger bei der Natio­nalelf begann, mag es für viele so aus­ge­sehen haben, als inter­es­siere mich Deutsch­land nicht mehr. Ein großes Miss­ver­ständnis.

Aber Ihr Ver­hältnis zu Bun­des­trainer Jupp Der­wall war stets von Span­nungen geprägt.
Über­haupt nicht. Er hat mich schon bei meinen ersten Ein­sätzen gegen Irland und Island durch­spielen lassen. Leider war ich damals der Über­zeu­gung, immer meinen Kopf durch­drü­cken zu müssen. Letzt­lich trug indi­rekt auch das Heimweh dazu bei, dass ich mich falsch ver­hielt.

Wie dürfen wir das ver­stehen?
Der ganze Ärger fing an, weil ich der Ansicht war, dass der Auf­wand, den ich betrieb, um zur Natio­nalelf zu kommen, von den DFB-Funk­tio­nären nicht genug gewür­digt wurde.

Meine Gene­ra­tion, der Litti und der Lothar, ist nachher Welt­meister geworden. Da hätte ich dabei sein können.“

Von wel­chem Auf­wand spre­chen Sie?
Damals mussten die Ver­eine ihre Spieler nicht wie heute für Län­der­spiele frei­geben. Im Mai 1981 fand an einem Diens­tag­abend in Stutt­gart ein Freund­schafts­spiel gegen Bra­si­lien statt. End­lich konnte ich gegen Zico und Socrates spielen. Das Pro­blem: Tags drauf spielten wir mit Bar­ce­lona im Pokal gegen einen Zweit­li­gisten, man verbot mir zur Natio­nalelf zu reisen. Also flog ich ohne Erlaubnis nach Stutt­gart.

Ein uner­hörte Dis­zi­plin­lo­sig­keit.
Den Ärger nahm ich für so ein Spiel in Kauf. So war ich. Aber in Deutsch­land nahmen die Offi­zi­ellen über­haupt nicht wahr, was für einen Auf­stand ich machte, um dabei zu sein. Der­wall ließ mich nur eine Halb­zeit spielen. Nach dem Spiel lud Hansi Müller die Mann­schaft zu einer Feier bei sich ein. Da ich aber in der Früh fliegen musste, sagte ich einem Mit­spieler, dass ich nicht mehr mit­käme. Mein Fehler war, dass ich mich nicht offi­ziell beim Trainer abmel­dete. Das führte zu mächtig Groll gegen mich im DFB-Tross.

Woran merkten Sie das?
Mor­gens um vier Uhr klin­gelte bei mir im Zimmer das Telefon. Ein DFB-Mit­ar­beiter teilte mir mit, dass ich zum Län­der­spiel gegen Nor­wegen am dar­auf­fol­genden Samstag nicht mehr kommen müsste, der Bun­des­trainer sei furchtbar ent­täuscht. Ich war völlig fertig. Ein paar Minuten später wieder Telefon. Udo Lattek war dran, er hatte die Sache irgendwie mit­be­kommen, und er sagte, ich solle mich nicht auf­regen, er würde das mit Jupp Der­wall regeln. Er mel­dete sich kurz darauf dann nochmal und sagte, es sei alles okay. War es aber nicht. Als ich zurück nach Spa­nien kam, herrschte dort natür­lich furcht­bares Theater. Am Abend musste ich spielen, ich war abge­hauen und bekam erst nach und nach mit, dass mein Aus­schluss offenbar doch beschlos­sene Sache war.

Jetzt kommen wir aber langsam nicht mehr mit.
So ähn­lich ging es mir auch. Fol­gendes war pas­siert: Ein Freund von mir aus Köln namens Die­wald hatte am Tag des Bra­si­lien-Spiels bei uns im Mann­schafts­hotel genäch­tigt. Von ihm erfuhr ich, dass er in dieser Nacht mor­gens um halb fünf einen mys­te­riösen Anruf bekommen hatte. Er schreckte hoch, nahm ab und hörte wie ein Mann davon sprach, dass der Bernd nicht aus­ge­schlossen werden dürfe und wieder mit­ge­nommen werde müsse.“ Mein Kumpel dachte sich nichts dabei, sagte Alles klar, schon richtig“ und legte auf. Sie ahnen, was pas­siert war: Die Rezep­tio­nistin hatte Lat­teks Anruf nicht zu Herrn Der­wall, son­dern zu Herr Die­wald durch­ge­stellt.

Und so bekam Ihre Kar­riere in der deut­schen Natio­nalelf den ent­schei­denden Dämpfer?
Es klingt aben­teu­er­lich, ich weiß. Es war sicher nicht der ein­zige Grund. Im Ver­band haben viele Politik gegen mich gemacht. Jupp Der­wall hat sich davon beein­flussen lassen. Ver­setzen Sie sich in meine Situa­tion: Beim FC Bar­ce­lona war die Hölle los, bei der Natio­nal­mann­schaft war ich draußen. Ich war traurig und sehr, sehr wütend. In dieser Situa­tion habe ich mich zurück­ge­zogen und ver­sucht, mich auf Fuß­ball zu kon­zen­trieren. Mir war klar, nur wenn ich gut spiele, würden sich die Wogen glätten. Heute bereue ich, dass ich nicht etwas diplo­ma­ti­scher war und irgend­wann auch von mir aus zurück­ge­treten bin. Meine Gene­ra­tion, der Litti und der Lothar, ist nachher Welt­meister geworden. Da hätte ich dabei sein können.