Der FC Bayern beendet seine Krise mit einem knappen 2:1‑Sieg gegen den SC Freiburg. Fünf Punkte, die während des Spiels aufgefallen sind.
Wenn der FC Bayern München verliert, schreckt ganz Fußball-Deutschland hoch. Niederlagen des Rekordmeisters sind so selten geworden, dass jede einzelne eine Debatte nach sich zieht. Steckt der FC Bayern nun in einer Krise?
Selten waren diese Debatten so gerechtfertigt wie in der vergangenen Woche. Die Bayern verloren nicht nur gegen Borussia Mönchengladbach, sie flogen sogar noch gegen Holstein Kiel aus dem Pokal. Gegen einen Zweitligisten! Das hat es seit fast zwanzig Jahren nicht mehr gegeben.
Gegen den SC Freiburg hatten sie nun die Chance zur Rehabilitation. Eine leichte Aufgabe war dies nicht: Der SC ist die Mannschaft der Stunde, seit November hatten sie kein Bundesliga-Spiel mehr verloren. Wie gelang dem FC Bayern ein 2:1‑Sieg gegen die eingespielte Freiburger Mannschaft? Fünf Beobachtungen.
1. Die Bayern kennen nur einen Weg: den Weg nach vorne
Oft wurde in den vergangenen Tagen die Frage gestellt, ob die Taktik von Bayern-Trainer Hansi Flick zu offensiv sei. Immerhin hatten die Bayern vor dem Spieltag bereits 24 Gegentore in der Bundesliga kassiert. Das waren mehr als in der gesamten Meistersaison 2016/2017.
Wer von Flick eine Anpassung seines Spielsystems erwartete, wurde enttäuscht. Flick peitschte sein Team auch gegen den SC Freiburg nach vorne. Die Bayern starteten mit ihrer nominell besten Elf in einem 4−2−3−1. Bauten die Freiburger das Spiel auf, stürmten die Bayern-Angreifer auf den Gegner. Ihr Pressing zeigte sich gewohnt variabel, häufig attackierten sie den Gegner in einem 4−3−3. Flick zeigte, dass er nur einen Weg kennt: den Weg nach vorne.
2. Freiburgs Erfolgsgeheimnis: das 3−4−3
Auch Freiburgs Trainer Christian Streich hielt an seinem Erfolgssystem fest. Nachdem die Freiburger im November 1:3 gegen den FSV Mainz 05 verloren hatten, hatte Streich auf ein 3 – 4‑3-System umgestellt. Mit dieser neuen Formation eilten die Freiburger von Erfolg zu Erfolg. Im 3−4−3 stehen zwei Unentschieden und fünf Siege zu Buche.
Gegen den FC Bayern zeigten sich die Vorteile dieses Systems. Freiburg agierte flexibel im Pressing: Mal schoben sie im 3−4−3 weit nach vorne, um den Gegner unter Druck zu setzen. In anderen Situationen zogen sich die Außenspieler weit zurück, sodass ein defensives 5−4−1 entstand. Die Freiburger verteidigten die Angriffe der Bayern mit einer tiefen Staffelung. Wie gewohnt setzten die Freiburger auf Kampf- und Laufstärke.
3. Bayerns zentrale Achse spielbestimmend
In der ersten halben Stunde waren trotzdem die Bayern das spielbestimmende Team. In den vergangenen Monaten konnten die Bayern nur selten mit ihrer Stammbesetzung im Mittelfeld auflaufen. Joshua Kimmich und Leon Goretzka fielen abwechselnd aus. Gegen Freiburg standen beide auf dem Platz. Vor ihnen agierte der stets umtriebige Thomas Müller.
Die Präsenz dieser Spieler kann im Zentrum den Unterschied ausmachen. Während Kimmich das Spiel aus der Tiefe ankurbelte, boten sich Goretzka und Müller zwischen den Linien an. Der FC Bayern konnte dank der Umtriebigkeit seiner Mittefeldspieler Angriffe über die Flügel mit flachen Pässen ins Zentrum lösen. So etwa vor dem 1:0 (7.), als der Bayern eine sehenswerte Flachpass-Kombination über den rechten Flügel zeigte.
4. Freiburg bekommt die Flügel in den Griff
Trotz des frühen Rückstandes gaben die Freiburger nicht auf. Sie brauchten einige Zeit, ehe sie ins Spiel fanden. Doch nach und nach bekamen sie Zugriff auf Bayerns Spiel. Gerade auf den Flügeln erarbeiteten sich die Freiburger ein Übergewicht.
Auf der rechten Seite nahm Roland Sallai Bayerns Wirbelwind Alphonso Davies in Manndeckung. Er sollte keine Bälle erhalten und kein Tempo aufnehmen dürfen. Die Freiburger lenkten somit das gegnerische Aufbauspiel auf die andere Seite. Hier hatten die Bayern nach der verletzungsbedingten Auswechslung von Serge Gnabry (28.) große Probleme, das Spiel vom Flügel zurück ins Zentrum zu tragen. Der eingewechselte Leroy Sané zeigte sich zwar verbessert im Defensivspiel, blieb aber im Ballbesitzspiel der Bayern häufig ein Fremdkörper.
Offensiv setzten die Freiburger ebenfalls über die Flügel einige Nadelstiche. Ihre linke Seite ragte heraus: Top-Torjäger Vinzenzo Grifo (sieben Saisontore) zog häufig vom linken Flügel in den Halbraum. Linksverteidiger Christian Günter hinterlief ihn mit Tempo. Freiburg bekam mehr Bälle in den Strafraum – und in der 62. Minute zum nicht unverdienten Ausgleich.
5. Konditionelle Schwächen bei den Bayern
Die Bayern konnten dank ihrer individuellen Klasse zwar nachlegen und das 2:1 erzielen (74.). Dennoch mussten sie in den Schlussminuten noch einmal zittern. Ihr Pressing funktionierte nicht mehr, sie mussten sich weit an den eigenen Strafraum zurückziehen. Nils Petersen vergab die größte Chance auf den Ausgleich in der Nachspielzeit, als er die Latte traf.
Zittern in der Schlussphase ist ein wiederkehrendes Muster dieser Bayern-Saison. Auch gegen Holstein Kiel hatten sie den Ausgleich in der Nachspielzeit kassiert. Das Pressing kostet den Bayern-Spielern Kraft – Kraft, die in den Schlussminuten fehlt. Die Übermüdung nach zahllosen englischen Wochen tut ihr Übriges.
Früher war die Phase kurz vor Schluss häufig die beste Phase der Bayern. Häufig holten sie sich mit ihrem berühmt-berüchtigten „Bayern-Dusel“ in letzter Sekunde den Sieg. Aktuell müssen sie in dieser Phase zittern. Von der Leichtigkeit der vergangenen Saison sind die Bayern weit entfernt.
Doch selbst mit einer nicht optimalen Leistung gewannen die Bayern gegen aufopferungsvoll kämpfende Freiburger. Die Bayern vergrößern ihren Vorsprung an der Tabellenspitze auf vier Punkte und feiern die vorzeitige Hinrunden-Meisterschaft. 17 andere Bundesliga-Klubs hätten gerne eine solche Krise wie die Bayern.