Die Transfers von Mané oder De Ligt und der Flirt mit Harry Kane sind vor allem ein Eingeständnis: Für eine Einkaufspolitik à la Dortmund fehlt dem FC Bayern die Expertise im Scouting. Harte These? Nö.
Dass „Brazzo“ und die Bayern plötzlich wieder in Großtransfers machen, dürfte einen wenig schmeichelhaften Grund haben: Für den Dortmunder Weg fehlt ihnen schlicht und einfach die Expertise im Scouting, das belegen zahlreiche Namen aus der jüngeren Transferhistorie – darunter: Marc Roca, Tanguy Nianzou, Chris Richards, Michael Cuisance, Bouna Sarr, Omar Richards, Fiete Arp oder Alvaro Ordriozola – allesamt willige Fußballer, aber kein Mia-san-Mia-Material.
Dass „Brazzo“ auch in diesem Sommer wieder etliche Euros auf Spieler der Marke „Jung und absolut vielversprechend“ setzt, dürfte manchem FCB-Fan den Angstschweiß in die Lederhose treiben: Rechtsverteidiger Noussair Mazraoui (24) kam immerhin ablösefrei aus Amsterdam. „Achter“ Ryan Gravenberch (20), ebenfalls von Ajax, kostete stolze 18,5 Millionen Euro. Für den erst 17-jährigen Offensiv-Allrounder Mathys Tel von Stade Rennes soll Bayerns Sportdirektor zuletzt 20 Millionen geboten haben. Rennes soll ab 25 Millionen gesprächsbereit sein. Stabile Summe für einen, der noch nie ein Erstliga-Tor geschossen hat.
Seit einem Jahr ist Oliver Kahn Vorstandschef des FC Bayern. Hier zieht er Zwischenbilanz und erklärt, ob die Bundesliga jemals wieder spannend wird.
Gut, „Brazzo“ hat immerhin Alphonso Davies entdeckt. Doch der Transfer des Kanadiers (für 10 Mio. Euro aus Vancouver) liegt schon drei Jahre zurück. Seither kamen eigentlich keine nennenswerten Verstärkungen mehr an die Säbener Straße. In den mit Abstand wichtigsten Spielen der vergangenen Saison, den Viertelfinal-Duellen mit dem FC Villarreal, standen nur zwei Profis in der Bayern-Startelf, die nach 2019 zum Klub gestoßen waren: Dayot Upamecano und (lediglich im Rückspiel) Leroy Sané. Beide stammen aus dem oberen Preissegment. Beide verzeichnen im Münchner Trikot einen sinkenden Marktwert.
Mit der Transfer-Offensive 2022 und dem Erwerb zweier unbestrittener Weltstars kaufen sich die Bayern nun vor allem Zeit – ein, zwei oder drei Jahre, in denen man die heranrückenden Dortmunder und andere gut scoutende Brause- oder Werksklubs weiter auf Distanz halten kann. Ob Kahn & Co. die neue/alte Star-Strategie angesichts der finanziell immer hemmungsloser auftretenden Konkurrenz aus Paris, Madrid, Newcastle, Liverpool, London oder Manchester dauerhaft durchhalten können? Das scheint zumindest fraglich. „Der FC Bayern hat es nicht mehr nur mit Oligarchen zu tun, sondern mit ganzen Staaten“, stöhnte Kahn noch im Juni.
Vielleicht sollte der Münchner Vorstandsboss doch lieber in Knowhow für die Bereiche Scouting und Entwicklung investieren als in sogenannte Weltstars. Vielleicht ist es auch egal. Zumindest den Meistertitel haben die Bayern eh sicher. Auch in der kommenden Spielzeit.
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