Nach dem umstrittenen Siegtor von Borussia Dortmund im DFB-Pokal platzt Paderborns Trainer Steffen Baumgart der Kragen. Und wütet vier Minuten über den Schiedsrichter und den Videobeweis. Ein Protokoll.
Borussia Dortmund gewann am Abend das DFB-Pokal-Achtelfinale gegen den SC Paderborn in der Verlängerung mit 3:2. Im Mittelpunkt stand dabei eine Szene vor dem Siegtor, in der der Paderborner Svante Ingelsson angeblich den Ball berührte und damit regeltechnisch eine Abseitsstellung aufhob. Schiedsrichter Tobias Stieler verzichtete darauf, die Szene per Videobeweis zu betrachten und erklärte das Tor für gültig.
Im Anschluss an das Spiel stand Paderborns Trainer Steffen Baumgart vor dem ARD-Mikrofon. Und gab einen vierminütigen Wutausbruch über die Ungerechtigkeit in dieser Situation und die Ungerechtigkeit im Allgemeinen (Stichwort: Aktiengesellschaft) ab, der zu schön ist, um nicht aufgeschrieben zu werden. Film ab:
Reporter: „Ja, bevor ich Steffen Baumgart danach frage, möchte ich Ihn erstmal beglückwünschen. Macht man selten beim Verlierer, für die Leistung heute, ich muss das einfach mal loswerden. Ich weiß, Sie können sich nichts davon kaufen, aber es hat Spaß gemacht, auch Ihrer Mannschaft zuzugucken. Natürlich ging es um die Szene zum 3:2. Sie haben heftig diskutiert oder der Schiedsrichter, Tobias Stieler, hat Ihnen etwas erklärt. Was wurde da untereinander ausgetauscht?“
Steffen Baumgart (räuspert sich.): „Also erstmal muss man sagen, der Schiedsrichter hat’s erklärt, aus der Sicht, wie er es erklärt.“
Reporter (nachfassend.): „Was hat er gesagt?“
Baumgart: „Er hat gesagt, dass er die Wahrnehmung hatte, und sein Linienrichter auch, dass der Svante Ingelsson den Ball gespielt hat. Was ich ein bisschen schwierig finde, weil erstens steht der Spieler im Abseits – das ist das eine. Ich finde, dass man gerade, wenn es um so viel geht und in so einer Situation ist, wir die Möglichkeiten haben des Fernsehens, uns das anzugucken.“
Reporter (schiebt ein.): „Wollen wir das mal kurz machen? Wir können es ja mal kurz laufen lassen.“
Baumgart (leicht genervt, ahnt ja schon, was jetzt kommt.): „Jaa…“
Szene läuft.
Baumgart: „Da habe ich zumindest erwartet, dass er guckt. Unabhängig jetzt, weil ich noch nicht weiß, ob das jetzt richtig oder falsch ist, wie gesagt.“
(Entscheidende Situation wird gezeigt. Die ARD hat eine Lupe gemacht.)
Reporter (informierend.): „Da haben wir eine Lupe gemacht.“
Baumgart (jetzt etwas lauter.): „So. Es ist keine Veränderung des Balles! Es ist keine Berührung des Balles! Und er rutscht durch. Da ist nur eine Vermutung. Und ich finde, das muss ich ganz ehrlich sagen, das finde ich dann schwierig. So, und wir sehen.. (wartet.) Das ist ’ne Frechheit! Das ist ‚ne absolute Frechheit! Muss ich ganz ehrlich sagen. Und mir dann zu erklären, er hat ’ne Wahrnehmung gehabt und sein Dings auch. Wo ich sage, warte mal, wir haben die Bilder, wir haben das, was ich gerade sehe. Kann er sich 20 Mal angucken. Und so’nen Spiel so abzugeben… Nochmal: Ich glaube, es war ein Riesenspiel. Ich glaube auch, beide Mannschaften haben alles rausgehauen. Aber daraus eine Berührung des Balles zu machen, finde ich frech, muss ich ganz ehrlich sagen. Für mich eine absolute Frechheit. Und das habe ich ihm dann auch gesagt, dass ich das dann auch öffentlich mache. Langsam wird’s lächerlich, also ganz ehrlich, da müssen wir uns nicht wundern, wenn wir jedes Mal darüber reden. (holt Luft.) Damit das klar ist, ich finde die Videoschiedsrichter richtig gut. Ich finde es wichtig, es macht viel Fairness rein, aber nicht rauszugehen und sich das nicht anzugucken… Das ist das einzige, was ich erwartet habe. Wenn er dann entscheidet, das ist so. Und mir zu sagen, dass seine Wahrnehmung wichtiger ist als das, was dann gesagt wird, also dann machen wir uns langsam lächerlich. Und da muss ich sagen, das ärgert mich, das ärgert mich für meine Jungs, für die Leistung und das hat auch keiner verdient, weil dann müssen wir uns nicht wundern, dass wir jeden Tag Diskussionen führen, weil da machen wir uns zum Affen. Und das ist… Ganz ehrlich, da muss, muss ich aufpassen, dass die Worte nicht zu doll werden, bevor mir wieder irgendjemand erklärt, wir müssen sauber und respektvoll miteinander umgehen. Weil Respekt bedeutet auch, sich diesen Scheiß anzugucken und dann eine Entscheidung zu treffen. Das ist respektvoller Umgang mit dem Gegner. Und nicht mit dem Kleinen, dem wir wieder in den Arsch getreten haben.“
Reporter: „Also hätten sich gewünscht, dass Tobias Stieler auch zum Monitor läuft.“
Baumgart (Stimmlage wird höher.): „Nur. Das ist das einzigste! Ich erwarte dann, wenn es so eine knifflige Situation ist, dann erwarte ich, dass er hingeht und sich das anguckt. Wie in vielen anderen Situationen auch. Und das ist jedes Wochenende so. Ich kann doch nicht jedes mal eine neue Entscheidung treffen, dann sagen: Heute machen wir es nicht und übermorgen machen wir es wieder. Aber da muss sich doch keiner wundern, wenn wir uns darüber aufregen oder diejenigen, die es dann betrifft. Also seien Sie mir nicht böse, wie soll man denn damit umgehen? Ich sage, hier ist ganz klar – für mich! – hier eine ganz klare (ringt nach Worten). Der Ball verändert nicht mal die Bewegung. Er ist nicht dran! Nicht dran! Und das können wir uns nicht angucken? Also bitte, wir stehen da sieben Minuten, frieren uns den Arsch ab – und haben dann so eine Entscheidung? Oh.“
Reporter: „Was meinen Sie, was hat Köln fast fünf Minuten da gemacht?“
Baumgart: „Köln hat ganz klar gesagt, das Abseits war! Und er hat gesagt, die Wahrnehmung war, dass der Ball dran war. Ich glaube, dass Köln ganz klar gesagt hat: ‚Abseitssituation, gib das Tor nicht.‘ So. Und dann erwarte ich, dass er sich das anguckt und sich das nicht anzugucken, finde ich viel frecher. Nochmal: Wenn er danach entscheidet, er sieht eine Berührung – um Gottes Willen -, aber nicht hinzugehen… Das geht hier gerade für uns um zwei Millionen! Ich bin keine Aktiengesellschaft. Wir kämpfen um jede müde Mark und dann kommt mir so einer so entgegen. Find’ ich arrogant, muss ich ganz ehrlich sagen.“
Reporter: „Wir haben übrigens auch beim Schiedsrichter nachgefragt, Tobias Stieler, ob er sich äußert. Er möchte sich nicht äußern.“
Baumgart: „Gut, und ich habe ihm gesagt, seien Sie mir nicht böse, wenn ich die Szene sehe, dann würde ich dann auch mal was dazu sagen. Weil es geht mir irgendwann auf den Zünder, weil wir wirklich, nochmal: das mit der Video-Geschichte finde ich richtig in Ordnung, finde ich richtig gut, weil es in vielen Situationen den Sport gerechter macht, aber sich das nicht anzugucken, also nicht mal zu gucken, um zu sagen ‚Okay, ich bleib‘ bei meiner Entscheidung‘, sondern von vornherein zu sagen ‚Ich sehe das richtig‘, und jetzt sehen wir, dass er es nicht richtig gesehen hat – also bitte. Also, wie gesagt, ich bin gespannt, ob ich einen Brief vom DFB kriege, weil ich mich etwas zu doll aufgeregt habe. Egal, weiter geht’s!“