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Sergej Bar­barez, wer hing als Poster in Ihrem Kin­der­zimmer: der Bas­ket­baller Drazen Petrovic oder der Fuß­baller Dragan Sto­j­ković?
Weder noch. Ich hatte Poster von meinen Lieb­lings­bands. Von Aha“ zum Bei­spiel. Musik war immer mein größtes Hobby. Ein guter Freund, Mladen Solomun, ist heute DJ und Inhaber eines Ham­burger Elektro-Clubs. Früher war er großer Fan von mir, heute bin ich großer Fan von ihm. Manchmal lege ich sogar selbst auf.
 
Den­noch: Eigent­lich wollten Sie Bas­ket­ball­profi werden. Wie sind Sie beim Fuß­ball gelandet?
Leicht­ath­letik mochte ich auch, meine Spe­zi­al­dis­zi­plin war der 400-Meter-Lauf. Dum­mer­weise war es im ehe­ma­ligen Jugo­sla­wien nicht so ein­fach, Schuhe für diese Sport­arten zu finden. Beim Fuß­ball war das anders. Da schmiss der Trainer nur einen Karton mit ein paar alten Tre­tern hin und sagte: Sucht euch ein Paar aus.“ Das klang ein­fach.
 
Was war Ihr Traum? Die Bun­des­liga? Die Serie A? Die Pre­mier League?
In Jugo­sla­wien schaute damals kaum jemand auf die großen Ligen im Westen, denn wir hatten mit Roter Stern Bel­grad einen sehr erfolg­rei­chen Klub. Die Mann­schaft gewann 1991 den Euro­pa­pokal der Lan­des­meister und wurde danach Welt­po­kal­sieger. Auch die Natio­nalelf spielte tollen Fuß­ball. Mein Traum war es damals, mir als Fuß­ball­profi bei Velez Mostar einen Namen zu machen. Leider ist zwei Jahre später alles zusam­men­ge­bro­chen.
 
Kurz vor dem Bos­ni­en­krieg flohen Sie nach Han­nover.
Ich wurde eher geflohen, wenn man das so sagen kann. Im Winter 1991/92 schlug mein Vater vor, dass ich mal wieder meinen Onkel in Han­nover besu­chen könnte. Was ich nicht wusste: Mein Onkel und mein Vater hatten bereits ver­ein­bart, dass ich nicht mehr zurück­kehren, son­dern in Deutsch­land bleiben sollte.
 
Die beiden ahnten, dass der Krieg bald Bos­nien errei­chen würde?
In Slo­we­nien und Kroa­tien tobte der Krieg ja schon. Mein Vater machte sich nun große Sorgen, dass wir in Mostar nicht mehr sicher wären. Zugleich war er aller­dings der festen Über­zeu­gung, dass der Krieg nicht lange andauern würde. Er hoffte, ich könnte nach ein paar Wochen heim­kehren.
 
Er sollte sich irren.
Aus den zwei Wochen wurden schnell Monate – und am Ende 22 Jahre. Heute kann man sagen, dass mein Vater alles richtig gemacht hat, denn ich hätte sicher in den Krieg ziehen müssen. Abge­sehen davon, dass Kriege immer unsinnig sind, fragt man sich in diesem Fall auch: Für wen oder gegen was über­haupt? Meine Mutter ist Kroatin und Mus­limin, mein Vater ist ortho­doxer Serbe. Dazu kommt noch, dass weder Reli­gion noch Natio­na­lität in meiner Familie je eine große Rolle gespielt haben.
 
Trau­erten Sie in Deutsch­land Ihrem Traum von der Kar­riere bei Mostar nach?
Dafür hatte ich gar keine Zeit, da ich schon bald für Han­nover 96 spielte. Mein erstes Trai­ning kam übri­gens ziem­lich kurios zustande.
 
Erzählen Sie.
Nach ein paar Tagen in Han­nover fragte mein Onkel mich, ob wir nicht einen Spa­zier­gang machen wollen. Er sagte: Zieh Sport­schuhe an.“ Am Ende dieses Spa­zier­ganges standen wir vor diesem tollen Kunst­ra­sen­platz unweit des Maschsees. Diesen Tag werde ich nie ver­gessen. Es war der 4. Januar 1992, eis­kalt, und mein Onkel unter­hielt sich auf einmal mit einem freund­li­chen Mann im Trai­nings­anzug: Frank Pagels­dorf. Nach ein paar Minuten rief er mir zu: Junge, du kannst mit­trai­nieren!“
 
Wie erging es der­weil Ihrer Familie in der Heimat?
Ein paar Wochen später haben wir meinen Vater nach Han­nover geholt. Für ihn wäre es in der geteilten Stadt Mostar ein­fach zu gefähr­lich geworden. Nur meine Mutter Zlata wollte nicht fliehen. Sie glaubte, sie müsse auf die Woh­nung auf­passen.
 
War Ihre Mutter nie in Gefahr?
Zweimal wäre sie bei­nahe vom Boden ver­schwunden.
 
Was heißt das?
Sie sollte ent­führt und dann ermordet werden. Wir hatten glück­li­cher­weise Kon­takte zu einigen Leuten, die das ver­hin­dern konnten.
 
Ihre Mutter soll auch Mord­dro­hungen erhalten haben, nachdem Sie Ein­la­dungen für die Natio­nalelf Bos­nien und Her­ze­go­winas bekamen.
Ich sagte damals, dass ich erst für mein Land spielen würde, wenn meine Mutter sicher ist. Eines Tages schal­tete sich die Politik ein und garan­tierte meiner Familie Schutz. Auch wenn das natür­lich keine hun­dert­pro­zen­tige Sicher­heit bedeu­tete, gab mir diese Zusage doch eine gewisse innere Ruhe. So habe ich am 14. Mai 1998 im Alter von 26 Jahren mein Län­der­spiel­debüt gegeben. Wir ver­loren in Cor­doba mit 0:5 gegen Argen­ti­nien.