Ivica Olic ist der Routinier im kroatischen Nationalteam. Im Eröffnungsspiel gegen Gastgeber Brasilien ist die Auswahl krasser Außenseiter. Chancenlos ist Kroatien allerdings nicht. Sagt zumindest Ivica Olic.
Ivica Olic, was haben die Kovac-Brüder als Trainer-Duo beim kroatischen Team verändert?
Viele Dinge, vor allem haben wir durch sie zurück zu Disziplin und zu einem besseren Zusammenhalt gefunden. Unter Vorgänger Igor Stimac war das nicht mehr möglich? Schwer zu sagen. Wir waren mit ihm gut in die Qualifikation gestartet, aber daran schloss sich eine Niederlagenserie an, die auf die Stimmung drückte. Insofern war es richtig, dass Davor Suker (Präsident des kroatischen Fußballverbandes, d. Red.) vor den Play Offs entschied, auf der Trainerposition etwas zu verändern.
Was haben die Kovacs, was frühere Trainer nicht haben?
Beide sind in Deutschland groß geworden, sie sind mit Teamfähigkeit und Disziplin aufgewachsen. Gerade Niko denkt rund um die Uhr über Fußball nach, überlässt nichts dem Zufall. Ich kenne ihn seit vielen Jahren, er tut alles dafür, Erfolg zu haben.
Ist Niko der Chef oder fetzen sich die beiden Brüder auch öfter?
(lacht) Nein, nein, Niko ist der Boss. Robert akzeptiert ihn voll in seiner Rolle, aber natürlich äußert er sich hin und wieder. Sie arbeiten sehr partnerschaftlich zusammen.
Sprechen die Kovacs akzentfrei kroatisch?
Sie sprechen sehr gut kroatisch. Als wir noch gemeinsam in der Nationalelf spielten, kam es öfter vor, dass sie Probleme auf Deutsch ausdiskutierten. Das fiel ihnen wohl etwas leichter.
Ist es ein Nachteil, wenn ein Ex-Teamkollege plötzlich zum Vorgesetzten wird?
Vielleicht wäre es ein Problem, wenn ich Anfang zwanzig wäre. Inzwischen weiß ich gut, dass es nicht mehr um Eitelkeiten geht, sondern darum, sich gegenseitig zu helfen. Ich kann mich in Nikos Situation als Trainer hineinversetzen. Wir waren schon zu Spielerzeiten ein durchschlagkräftiges Team und gut befreundet. Ich kann ihm die Meinung sagen, aber respektiere ihn auch als Chef.
Wie müssen wir uns das vorstellen?
Wenn er um 23 Uhr Bettruhe anordnet, richte ich mich wie alle anderen danach. Und wenn nicht, zahle ich anstandslos in die Mannschaftskasse ein. (lacht)
Wie sehr schmerzt der Verlust von Josip Simunic, der wegen des Singens rassistischer Lieder nach dem gewonnenen Play Off gegen Island von der FIFA gesperrt wurde?
Er ist ein sehr guter Spieler. Ich war lange Josips Zimmernachbar, meines Erachtens hatte er keine Ahnung, was für eine Tragweite es besitzt. Die Fans singen es seit Jahren bei fast jedem Spiel.
Es entbehrt nicht einer gewissen Tragik, dass Simunic sein Vergehen im Augenblick des großen Triumphs beging.
Alle anderen waren bereits in der Kabine, während er allein draußen bei den Fans war. Wir haben das überhaupt nicht mitbekommen.
Wie radikalisiert sind die kroatischen Fans?
Unsere Fans sind sicher emotional, aber der Prozentsatz an Radikalen ist nicht höher als anderswo. Der Großteil der Mannschaft wusste auch nicht, wofür dieses Lied steht – und ich glaube ähnlich viele Zuschauer wissen auch nicht, dass es verboten ist.
Auch Mario Mandzukic ist schon mit einer zweifelhaften Geste auf dem Feld aufgefallen. Brauchen kroatische Spieler einen Verhaltenskatalog für politisch besetzte Gesten, Aussagen und Lieder?
Ich kann mich nicht erinnern, was bei „Mandschu“ vorgefallen ist. Um es kurz zu machen: Wir müssen uns jetzt wirklich auf andere Dinge konzentrieren. Vor uns liegt eines der größten Abenteuer unseres Lebens. Wir spielen vor Milliarden Menschen das Eröffnungsspiel bei einer WM gegen den Gastgeber.
Und, haben Sie eine Chance?
Jeder geht davon aus, dass Brasilien am Ende den Titel holt. Uns hat kaum jemand auf dem Zettel. Aber genau darin liegt unsere Chance.
Ausgerechnet in diesem Spiel sind Mandzukic und Simunic gesperrt.
Gerade „Mandschu“ ist ein sehr wichtiger Spieler, aber vielleicht führen diese Ausfälle dazu, dass unser Team in der Vorbereitung noch enger zusammenrückt. Wir haben die Chance, der Welt zu zeigen, was die kroatische Nationalmannschaft kann. Das motiviert enorm.
Ist Ihre Rolle im Team durch den Ausfall von Mandzukic wichtiger geworden?
Naja, wir spielen ja versetzt. Mario mehr in der Mitte, ich komme eher von links. Ich weiß nicht, ob sich jetzt etwas ändert. Aber er wird dem Team in jedem Fall fehlen. Wir haben nicht so eine Auswahl an Top-Spielern wie ihr Deutschen. Ihr könnt ohne Probleme das komplette Mittelfeld austauschen, ohne dass die Qualität leidet.
Sie spielen das Eröffnungsspiel in Sao Paulo, danach müssen Sie nach Manaus in den Dschungel. Wie bereiten Sie sich darauf vor?
Wir spielen dort gegen Kamerun, die sind extreme Hitzegerade gewohnt. Der kroatische Verband hat uns mitgeteilt, dass die Luftfeuchtigkeit da oben extrem wird. Aber wie sollen wir uns darauf genau vorbereiten? Vielleicht trainieren wir in der Vorbereitung nur noch in der Mittagssonne. (lacht)
Sie spielen seit 2002 in der Nationalelf. Kroatien hat immer großartige Einzelspieler hervorgebracht, schadete sich aber oft durch einen Mangel an Kameradschaft. Wie gut ist das aktuelle Team?
Wir haben super Spieler. In den Play Offs gegen Island hat jeder seine Interessen hinten angestellt und es hat geklappt. Jetzt kommt‘s darauf an, diese gute Stimmung zu konservieren. Ob es hinhaut, sehen Sie am Tag des Eröffnungsspiels.
Sie wirken so entspannt.
Ich fühle mich gut, es läuft beim VfL Wolfsburg optimal für mich, ich schieße Tore. Ich bin sicher: Wenn ich gesund bleibe, kann ich eine sehr gute WM spielen.
Welche Strategien haben Sie mit 35, um dem Alter zu trotzen. Steigen Sie auch nach jedem Match wie Miroslav Klose in Eiswasser?
Ich mache alles genauso wie mit 25. (Lacht.) Im Ernst: Ich schaue mir nach dem Spiel alle Statistiken an. Bei den Laufwegen und den Sprints bin ich fast immer in den Top 3. Und daran erkenne ich: Jahre sind nicht wichtig, wichtig ist, was auf dem Platz passiert.
Ivica Olica, was erwartet Kroatien von Ihrem Team bei der WM?
Durch die Play Offs sind die Fans natürlich voller Hoffnung. Natürlich erwarten sie, dass wir weiterkommen. Das erste Spiel gegen Brasilien, okay, das können wir verlieren. Aber danach müssen wir uns durchsetzen. Und ich will das auch: Schließlich habe ich bei meinen bisherigen Weltmeisterschaften stets nach der Vorrunde die Heimreise angetreten.
Warum nicht gleich einen Bamm-Effekt gegen den Gastgeber?
Eben, warum nicht? Nach der Auslosung war ich noch ernüchtert. Ausgerechnet Brasilien im Eröffnungsspiel, ein ausverkauftes Stadion – und fast alle sind auf Seiten des Gegners. Oha. Aber dann dachte ich: Nun haben wir alle Freiheiten. Verlieren wir, sagen alle: War zu erwarten. Aber erreichen wir etwas, wird die Welt über Kroatien reden.