2008 stand Borussia Dortmund im DFB-Pokalfinale. Florian Kringe spielte durch. Heute ist der 29-Jährige ohne Einsatzchance. Ein Gespräch über das Endspiel und seine Rolle als abgesägter Leistungsträger.
Florian Kringe, Bayern München gegen Borussia Dortmund im DFB-Pokalfinale – das gab es schon einmal. Im Endspiel 2008 standen Sie bei der 1:2‑Niederlage in Dortmunds Startelf. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Florian Kringe: Die Voraussetzungen waren im Vergleich zu heute völlig unterschiedlich. Damals hieß es im Vorfeld, dass die Bayern das Spiel deutlich gewinnen werden. Wir hatten eine weniger gute Saison gespielt, doch in dieses Spiel fanden wir immer besser rein. Als Mladen Petric in der 90. Minute das 1:1 gemacht hat, waren wir uns sicher, dass wir es packen!
Warum hat es nicht geklappt?
Florian Kringe: Luca Toni hat bei den Bayern damals wirklich aus den unmöglichsten Positionen getroffen. Beim 2:1 in der Verlängerung wusste er wahrscheinlich selbst nicht, wie er den reingemacht hat. Das besiegelte die Niederlage, obwohl wir noch ein paar gute Chancen hatten. Oliver Kahn etwa hat einen Ball von mir pariert. Da frage ich mich heute noch, wie ihm das gelungen ist.
Was überwog nach diesem Spiel: Enttäuschung über die Niederlage oder Stolz, dass man überhaupt so weit gekommen war?
Florian Kringe: Es war für uns alle eine tolle Erfahrung, aber wenn man schon mal so weit kommt, will man natürlich auch gewinnen. Es wäre damals der erste richtige Titel für mich gewesen. Da unsere Bundesligasaison damals nicht so gelaufen ist, wollten wir einen versöhnlichen Abschluss finden. Leider hat es nicht gereicht.
Bei der Borussia hat sich seitdem viel verändert. Der BVB ist zweimal hintereinander Deutscher Meister geworden. Gibt es dennoch Aspekte, die im Vergleich zum Finale 2008 am Samstag gleich bleiben?
Florian Kringe: Die Unterstützung der BVB-Fans war damals schon gigantisch. Wir Spieler bekommen davon zwar nicht so viel mit, weil wir uns vorbereiten müssen, aber Berlin soll damals in schwarz-gelber Hand gewesen sein. Das wird diesmal nicht anders sein, es haben sich ja schon wieder etliche BVB-Fans angekündigt. Wir sind da schon gewissermaßen verwöhnt mit unseren Anhängern.
Im Pokal präsentierten sich die Dortmunder in dieser Saison nicht so souverän wie in der Bundesliga. In Düsseldorf oder Fürth drohte gegen Zweitligisten das Aus. Wie erklären Sie sich das?
Florian Kringe: Ich würde nicht sagen, dass wir uns im Pokal schwerer getan haben. Man muss auch sehen, wie die Spiele verlaufen sind. In Düsseldorf sprach alles gegen uns. Wir haben ab der 30. Minute in Unterzahl gespielt, gegen eine Mannschaft, die die Zweite Liga in der Hinrunde nach Belieben dominiert hat. Da muss man sich erstmal durchsetzen (Dortmund gewann im Elfmeterschießen, d. Red.). Und Greuther Fürth hat drei Spieltage vor Schluss den Aufstieg perfekt gemacht. Daran sieht man doch, was für eine starke Mannschaft das ist. Klar waren die Spiele spannend, doch insgesamt haben wir uns doch recht souverän bis ins Finale gearbeitet. (In Fürth gewannen die Dortmunder nach Verlängerung mit 1:0, d. Red.)
Sie selbst haben in dieser Saison kaum gespielt. In Düsseldorf wurden Sie allerdings überraschenderweise nach 80 Minuten als Linksverteidiger eingewechselt. Hat Jürgen Klopp da noch etwas Spezielles zu Ihnen gesagt?
Florian Kringe: Er meinte zu mir, dass gute Trainingsarbeit am Ende immer belohnt wird und ich dazu beitragen soll, ein Fußballmärchen zu schreiben. Kloppo hat nach dem Spiel ja selbst gesagt, dass es das Emotionalste war, was er in seiner Zeit bei Borussia Dortmund erlebt hat, eben wegen dieser ganzen Begleitumstände, den vielen Verletzten und der Tatsache, dass es bis ins Elfmeterschießen gegangen war. Ich war natürlich froh, dass ich mal wieder mitspielen durfte.
In den letzten beiden Spielzeiten machten Sie ansonsten nur ein Bundesligaspiel. Dabei waren Sie viele Jahre zuvor Leistungsträger gewesen. Wie motivierten Sie sich immer wieder fürs Training, obwohl Sie wussten, dass Sie unter Klopp kaum noch eine Rolle spielen?
Florian Kringe: Es ist mir natürlich auch nicht immer leicht gefallen, topmotiviert zum Training zu fahren. Klar stellt man sich die Frage, wozu das alles noch gut sei, wenn man am Wochenende eh nicht spielt. Aber so schwer es manchmal auch fällt: Es macht definitiv keinen Sinn, sich hängen zu lassen. Ich bin 29 und habe hoffentlich noch ein paar gute Jahre im Fußball vor mir. Ich wollte in den Spiegel gucken und mir sagen können: Du hast dir nichts vorzuwerfen, du hast alles getan. Außerdem tut man sich selbst einen Gefallen, wenn man im Training versucht, alles zu geben. Man kann dem Team damit helfen, Impulse setzen und steht bereit, wenn man doch einmal gebraucht wird, so wie in Düsseldorf. Und wenn es eben nicht zu langen Einsatzzeiten reicht, wie bei mir, ist man eben auf die Zeit danach vorbereitet.
Dass Sie enttäuscht waren, hat man Ihnen nach dem 2:0‑Sieg gegen Mönchengladbach angesehen. Die Meisterschaft war entschieden, die Stammspieler feierten vor der Südtribüne, doch Sie blieben mit trauriger Mine im Hintergrund.
Florian Kringe: Das war eine ganz ambivalente Situation. Auf der einen Seite habe ich mich für die Jungs richtig gefreut. Es fiel mir aber sehr schwer, den Schalter auf Party umzulegen. In so einem Moment läuft ein Kopfkino ab. Mir wurde bewusst, dass es mein vorletztes Heimspiel als Dortmunder war. Das war zugegebenermaßen ein sehr sentimentaler Moment. Als mich die Fans von der Südtribüne gefordert haben, mitzufeiern, tat das aber dennoch gut. Das war Balsam für die geschundene Fußballer-Seele.
2001/02 und 2010/11 wurden Sie Meister mit dem BVB, ohne zum Einsatz gekommen zu sein. In dieser Saison blieb es bei einer Einwechselung am 33. Spieltag beim 5:2 in Kaiserslautern. Fühlen Sie sich überhaupt als Meister?
Florian Kringe: Man darf nicht vergessen, was der Verein in den Jahren dazwischen durchgemacht hat, als die Insolvenz nur knapp abgewendet werden konnte. Damals habe ich entscheidend mitgeholfen, die Wende einzuleiten. Gerade deswegen fühle ich mich nicht unwohl dabei, wenn ich auf meine Erfolge schaue und die Meistertitel entdecke.
In der Saison 2008/09 hat Jürgen Klopp den BVB übernommen und sie zunächst als Stammspieler eingesetzt, danach waren Sie raus aus seinen Planungen. Würden Sie sagen, dass er immer fair mit Ihnen umgegangen ist?
Florian Kringe: (überlegt lange) Dass ein Trainer nicht mehr mit einem Spieler plant, kommt im Fußball vor. So läuft nunmal das Geschäft. Und mit mir kann man auch über sowas auch reden. Was mich damals störte: Es wurde nicht deutlich kommuniziert, wie man mit mir plant. Das fand ich nicht in Ordnung und habe es intern auch angesprochen. Bis es dann endlich zu einem klärenden Gespräch kam, war die Zeit knapp geworden. Die Transferliste stand nur noch vier Wochen offen. Mittlerweile ist das aber Schnee von gestern. Wie es danach in Berlin weiterging – dafür kann keiner was. (Anm. d. Red: Kringe spielte in der Saison 2009/10 bei Hertha BSC, brach sich zweimal den Mittelfuß und stieg ab)
In den Jahren vor Klopp waren Sie in Dortmund Führungsspieler. Konnten Sie diese Rolle weiter ausfüllen, obwohl Sie nicht mehr benötigt wurden?
Florian Kringe: Nach meiner Rückkehr war ich immer noch verletzt und ein dreiviertel Jahr in Köln in der Reha. Ich war also nicht nah dran an der Mannschaft, als sie in der ersten Meistersaison durchstartete. Da wäre es vermessen gewesen, irgendwelche Forderungen zu stellen und mich als Führungsspieler aufzudrängen. Es ist ja auch ein ganz normaler Prozess, dass andere Spieler wie Mats Hummels oder Sven Bender in den Mannschaftsrat nachrücken. Die wirft man dann ja nicht einfach wieder raus. Wenn mir etwas aufgefallen ist, habe ich das aber weiterhin intern angesprochen. Und ein gewisses Standing in der Mannschaft hatte ich nach wie vor. Das habe ich auch bis zuletzt genossen.
Distanziert man sich vom Fußballgeschäft, wenn man zwei Jahre lang keine Rolle mehr spielt?
Florian Kringe: Zumindest macht man sich andere Gedanken. Als ich verletzt war, musste ich mich zwangsläufig mit einer möglichen Invalidität auseinandersetzen. Wenn der Fuß nicht mehr zusammengewachsen wäre, hätte es schnell vorbei sein können. Als Fußballspieler geht es einem sehr gut, doch es ist wichtig, sich nicht nur darüber zu definieren. Ich hatte immer vorgehabt, ein Studium zu beginnen. Das habe ich aber Ewigkeiten vor mir hergeschoben. Mittlerweile habe ich ein BWL-Studium an der Fernuni Oldenburg angefangen.
Nach dem Pokalfinale werden Sie den BVB verlassen. Wie sehen ihre weiteren Pläne aus?
Florian Kringe. Das ist momentan eine spannende Zeit. Ich stehe ständig mit meinem Berater in Kontakt und hoffe, dass sich schnell etwas ergibt, damit ich entspannt in den Urlaub fahren und danach mit Elan wieder Fußball spielen kann. Ich würde am liebsten in Deutschland bleiben. Auch wegen der Fans. Von der Stimmung her kann ohnehin nur England mithalten.
Florian Kringe, im Pokalfinale werden Sie aller Voraussicht nach nicht auf dem Platz stehen. Wir möchten Sie dennoch um eine Prognose bitten. Was erwartet uns für ein Spiel?
Florian Kringe: Wir sind richtig gut drauf, die Bayern haben im Saisonendspurt aber auch eine tolle Verfassung gezeigt. Wir haben bereits einen Titel. Die Bayern können in dieser Saison theoretisch leer ausgehen, was bei ihren Ansprüchen fatal wäre. Sie werden auch darauf brennen, uns nach vier Niederlagen endlich mal wieder zu schlagen. Darauf sind wir eingestellt.