Ein angeblich 17-jähriger peruanischer Jugendnationalspieler entpuppt sich als ein 25 Jahre alter Ecuadorianer. Die Fußballwelt ist manchmal schlecht. War sie schon immer, meint unser Autor Alex Raack, denn auch er hat seine Erfahrungen gemacht.
Name: Max Barrios. Alter: 17. Nationalität: Peruaner. Eigentlicher Name: Juan Espinoza. Eigentliches Alter: 25. Eigentliche Nationalität: Ecuadorianer. Der Fall des Juan Espinoza a.k.a. Max Barrios verwundert momentan die Fußballwelt. Der eigentlich 25-Jährige hat sich offenbar jahrelang als acht Jahre jüngerer Fußballer mit falscher Nationalität ausgegeben. Eine etwas komplizierte Familienvita und ein hübsch gefälschter Pass haben es möglich gemacht. Das Problem dabei: Barrios, pardon, Espinoza, ist ein ganz passabler Kicker und erschlich sich, für sein angebliches Alter erstaunlich gut körperlich entwickelt, einen Stammplatz in Perus Jugendnationalmannschaften. Ein Passfälscher, ein kleiner Fußball-Gauner! Ich kenne solche Typen.
Der Dorfverein gegen die größten Klubs Europas!
Ich war elf, als wir mit der D‑Jugend meines Heimatvereins SV Garßen zu einem Nachwuchsturnier in Meudon eingeladen wurden. Meudon, eine Kleinstadt im Speckgürtel von Paris, war (und ist) Partnerstadt von Celle (Garßen wiederum befindet sich im Speckgürtel von Celle, alles klar?). Das wir uns nicht falsch verstehen: Das war kein gewöhnliches Nachwuchsturnier, sondern damals ein richtig großes Ding. Eingeladen waren, neben dem SV Garßen, der die damals vor sich hindarbende Jugendabteilung vom TuS Celle vertrat, Ajax Amsterdam, Real Madrid, RSC Anderlecht, Olympique Marseille. Die größten Klubs Europas! Und wir. Ein kleiner Dorfverein, dem das Glück ein paar ziemlich erfolgreiche Jahrgänge beschert hatte. Als amtierenden Kreismeister und Kreispokalsieger traten wir die Reise in Richtung französische Hauptstadt an.
Das Turnier spielten wir wie im Rausch: In nigelnagelneuen Trikots (mit Kuhfleck-Optik und weißen Radlerhosen!) rannten wir uns die kleinen Lungen aus dem Leib, zeigten nie dagewesene Passstafetten, schlugen plötzlich zentimetergenaue Flanken – und bekamen natürlich trotzdem in jedem Spiel den Arsch versohlt. Das fanden wir, die doch eigentlich so Erfolgsverwöhnten, aber nicht so schlimm. Schon gar nicht, als wir Jahre später erfuhren, dass beim späteren Turniersieger und unserem Gruppengegner Ajax Amsterdam drei Jungs namens Jonny Heitinga, Wesley Sneijder und Rafael van der Vaart in den Reihen gestanden hatten.
Van der Vaart, Sneijder und all die anderen Gegenspieler bei diesem Turnier sahen uns eigentlich nicht unähnlich: kleine Jungs mit dünnen Beinchen, noch weitestgehend haarlosen Geschlechtsteilen und dem ein oder anderen Milchzahn zwischen den Lippen. Sie waren einfach nur viel bessere Fußballer.
Bei unserem letzten Gruppengegner Olympique Marseille war das anders. Da standen uns zehn mehr oder weniger gleich große und alte Fußballer gegenüber – und ein hünenhafter dunkelhäutiger Junge mit Oberlippenbart. Wir kannten diesen Koloss, in dem Schullandheim, das uns in den Tagen von Meudon als Unterkunft diente, war er in nur wenigen Stunden zu einer von Mythen umrankten Legende avanciert. Dieser „D‑Jugendliche“ war nicht nur 1,80 Meter groß und trug einen für alle sichtbaren Bartansatz, er hatte auch Muskeln an Körperstellen, von denen wir uns höchstens mal die runtergetropfte Marmelade schleckten (ich spreche hier von Bizeps, Trizeps etc…). Der Junge war erstens kein Junge mehr und zweitens eine Maschine! Und noch schlimmer: Ich sollte die „Mann“deckung gegen diesen Kerl übernehmen!
„Der ist bestimmt schon 15!“
Ich gebe es zu: Ich schiss mir vor Angst fast in die Hose. Kurz vor dem Spiel, ein Moment, an dem ich ohnehin schon immer aufgeregt wie ein verschrecktes Karnickel durch die Gegend irrte, musste mir mein Trainer die Tränen aus den Augen wischen. Ein letzter obligatorischer Arschklopfer und dann gib ihm. Ich schlug mich ganz gut, selbst wenn der Hüne (der selbstverständlich alle Freistößen, Ecken, Abstöße, Einwürfe und Schiedsrichterbälle ausführte) am Ende der 40 Minuten Spielzeit drei Tore geschossen hatte. Drei Tore in 40 Minuten bei einem Kerl, der schneller, stärker, und talentierter war als wir alle zusammen, sind eine gute Quote.
Nach dem Spiel sprachen wir offen von Beschiss. „Der ist ganz sicher keine elf oder zwölf Jahre“, so der Vorwurf. Unser Ersatztorwart verstieg sich gar in der Anschuldigung, der Franzose sei „bestimmt schon 15“. Wir nickten und wussten uns auf der Seite der Gerechtigkeit.
Ich habe nie erfahren, ob der große Junge aus der D‑Jugend von Olympique Marseille tatsächlich deutlich älter war als wir. Ich kann auch nicht mit Bestimmtheit sagen, ob er später reich und berühmt wurde. Aber seit der Geschichte mit Juan Espinoza a.k.a. Max Barrios bin ich mir ziemlich sicher, in welche Richtung seine Karriere gegangen sein könnte.